Gegen Ende des 19 Jahrhunderts zählte Antonin Dvorák neben Johannes Brahms (beide waren auch eng miteinander befreundet) zu den beliebtesten Komponisten der österreichisch-ungarischen Monarchie. Sogar in den Vereinigten Staaten wurde man auf den gebürtigen Tschechen aufmerksam und bot ihm eine Stelle als Direktor des New York National Conservatory of Music an. Dieses Amt bekleidete Dvorák dann von 1892 – 1895. Aber so richtig wohl gefühlt hat er sich dort nie. Zu sehr vermisste er seine tschechische Heimat. Jedoch innerhalb dieser Periode komponierte er eines der bekanntesten und beliebtesten Musikstücke aller Zeiten. Sein Meisterwerk, die 9. Sinfonie, im Volksmund „aus der neuen Welt“ genannt, wird bis zum heutigen Tag hoch geschätzt und gerne aufgeführt. Die Zahl der Einspielungen auf Tonträgern geht in den dreistelligen Bereich. Ein weiteres Zeichen für die Beliebtheit dieses Werkes. Doch handelt es sich nun um eine amerikanische oder eine böhmische Sinfonie? Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen. Dvorák mochte die zeitgenössische amerikanische Musik und passte seine Komposition dem Geschmack des Publikums an, ohne jedoch dabei die eigenen Wurzeln zu vergessen. Authentisch im Ton sollte es sein und mit volkstümlichem Charakter im Ausdruck.
Das Tokyo Philharmonic Orchestra unter seinem noch sehr jungen Dirigenten Andrea Battistoni hat sich dieses Werkes angenommen und eine wahrhaft überwältigende Aufnahme vorgelegt. Nur selten hat es eine dynamischere und wuchtigere Einspielung dieser Sinfonie gegeben. Die treibenden, fast beatartigen Rhythmen lassen den Eindruck erwecken, der Hörer säße inmitten eines gigantischen Klangapparates, bei der neben dem Orchester auch die Toningenieure ganze Arbeit geleistet haben. Die Symbiose von Interpretation und Klangästhetik erreicht bei dieser Aufnahme einen Spitzenwert, an der sich künftige Veröffentlichungen werden messen lassen müssen. Das berühmte „Adagio“ ist ausdrucksstark und mit impulsartiger Energie umgesetzt. Das hymnenartige Horn in Verbindung mit den Holzbläsern erklingt tatsächlich wie aus einer neuen Welt. Hier zeigt sich deutlich die Absicht des Komponisten, ein moderneres Lied mit einem zeitgenössischen Tanz zu verweben und Battistoni setzt diese Vorgabe kongenial um. Das „Scherzo“ erinnert in der Struktur an ein indianisches Fest. Dvorák wollte mit seiner Sinfonie der Kultur der Ureinwohner Amerikas ein Denkmal setzen. Diese ungewöhnliche Kombination sorgte dann auch für einen schnellen Bekanntheitsgrad dieses sehr melodischen Werkes, welches sich auch hervorragend zum Einstieg in die Welt der sinfonischen Musik eignet. Und dann der im wahrsten Sinne des Wortes mit Feuer gespielte 4. Satz allegro con fuoco. Noch mehr Temperament scheint fast unmöglich.
https://www.youtube.com/watch?v=d4dUyAij398
Ein neuer Dvorák
Wo bei Rafael Kubeliks oftmals gepriesener Einspielung mit den Berliner Philharmonikern von 1972 zwar die Harmonik stimmt aber die Klangfülle fehlt, gibt sich Andrea Battistoni impulsiv im Dirigat und nutzt die Kapazität des Tokyo Philharmonic Orchestras voll und ganz aus. Damit übertrifft er soundtechnisch selbst die Aufnahme von Karajan und den Berliner Philharmonikern aus dem Jahre 1985. Oder mit anderen Worten: Battistoni stellt die Weichen für einen Dvorák des 21. Jahrhunderts.
Der 1987 in Verona geborene Dirigent hat darüber hinaus ein interessantes Experiment gewagt und auf der CD-Veröffentlichung die „Neue Welt“ von Dvorak mit der Sinfonia Tapkaara, einem Werk des japanischen Komponisten Akira Ifukube, gepaart. Letzteres wurde 1955 in Indianapolis uraufgeführt. Insofern gibt es Gemeinsamkeiten. Beide Komponisten waren nicht amerikanischen Ursprungs, erlebten die Uraufführung ihrer Werke aber in den Staaten und waren von Musik und Kultur des Gastlandes stark geprägt.
Schmunzeln zum Schluss
Auf den ersten Blick etwas befremdlich wirkt da schon eher die Zugabe dieses Silberlings mit dem Titel „Godzilla – Syphonic Fantasy“. Dabei handelt es sich tatsächlich um den Soundtrack aus dem gleichnamigen Monster-Trash, auch aus der Feder von Akira Ifukube stammend. Da lässt sich natürlich ein gewisses Schmunzeln nicht verkneifen. Insgesamt gesehen verdient die Veröffentlichung jedoch einen Stammplatz in der Klassik-Bibliothek. Höchstbewertung für Klang und Interpretation.