Einfach Klassik.

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Festliche Dramatik der Bamberger Symphoniker in der Elbphilharmonie

Fotos von Tourbussen gibt es in den sozialen Medien von Orchestern des öfteren zu sehen. Wer aber weiß, wie gern und häufig die Bamberger Symphoniker andere Städte und Länder bereisen, für den bekommt der Anblick des strahlend weißen Transporters vor einer altehrwürdigen Konzerthalle eine leicht andere Bedeutung. Schon wieder unterwegs, dachte ich mir. Dieses Ensemble trägt die Freude an Musik nun wirklich in die Welt. Und dieses Mal ist es kein unbekanntes Werk, das sie im Gepäck hatten. Mit Má vlast hat sich der Dirigent Jakub Hrůša ein großes, symphonisches Werk ausgesucht. Da steckt viel drin für das Ensemble. Es stammt nicht nur aus Hrůšas Heimat Tschechien, es beschreibt sie sogar in Bedřich Smetanas berühmter, kraftvoller Bildsprache. Má vlast- Mein Vaterland – enthält einige der berühmtesten Melodien, die es in der Klassikwelt gibt. Aber auch die große Bandbreite an Stimmungen und Intensitäten, die die Charakterisierung eines Landes bedarf. Wenn man die Tour des Orchesters in den Medien mitverfolgte, dann spürte man richtig die Freude, mit der sowohl Musiker als auch Umfeld des Orchesters dieses Projekt betrieben und genossen. Die mittlerweile sagenumwobene Akustik des großen Saals der Elbphilharmonie fordert die in ihr spielenden Künstler ja schon zur Gestaltung heraus. Das erzeugte Spannung im Vorweg und machte es nun umso interessanter, nachzusehen, wie es zu dieser festlichen Dramatik der Bamberger Symphoniker in der Elbphliharmonie kam.

Als Solist begleitete Albrecht Mayer an der Oboe den ersten Teil des Abends. Und in der Tat kam er als erster auf die Bühne um das Publikum vor Beginn zu bitten, den Übergang zwischen dem ersten Stück – Soliloquy von Edward Elgar – und dem Konzert für Oboe und kleines Orchester von Richard Strauss ohne Applausunterbrechung spielen zu dürfen. Dadurch wirkte dann aber das besonders gefühlvoll und bedächtig gespielte Soliloquy überraschenderweise fast wie ein zusätzlicher, dem Solokonzert vorangestellter Satz. Neben dem makellosen Konzerteinstieg Mayers war vor allem die ausgefeilte Unterstützung des Orchesters bemerkenswert. Jakub Hrůša stand mit den Beinen wie am Boden fixiert und leitete dosiert, und mit wenigen Bewegungen seine Musiker.

In diesem Solokonzert spielt das Orchester ja nicht nur eine Solistenbegleitung, sondern geht durch viele Stimmwechsel und Zwiesprachen verschiedener Instrumentengruppen, was auch an diesem Abend für die Zuhörer eine gewisse Komplexität mit sich brachte, aber durch die ruhig und standfest agierenden Streicher immer wieder Bodenkontakt fand. Jedoch waren es auch die Streicher, die gegen Ende des ersten Satzes das gesamte Ensemble recht schnell durch die markanten Melodiepassagen spielten, wodurch Mayer dann doch deutlich hörbar gefordert wurde. Und diese Wechselhaftigkeit in der Rollenausübung sollte auch später noch den Abend bestimmen, nicht nur bei den Streichern, nicht nur beim gesamten Ensemble, auch Hrůša sollte im Verlauf viele verschiedene Gesichter zeigen. 

Das Vorgehen des Solisten änderte sich bereits zum zweiten Satz des Solokonzertes, als er sich mehr dem Orchester und den hinteren Publikumsbereichen zuwandte. Die langen, ruhigen Melodien Spieltag Mayer sehr tragfähig, mit solidem Tongerüst, während der Dirigent immer wieder die Musiker zur Stille aufrief. 

Oft schon, wurde der besondere Klang der Bamberger Symphoniker betont, und ich wusste nie genau, was ich mir darunter vorstellen sollte. Es waren vor allem die Streicher, die mir an diesem Abend zeigten was dieses Ensemble so besonders macht. Durch die hohe Agilität, die immer absolut synchrone Präzision, aber auch durch den dunklen, symphonisch klingenden Strich waren sie vor allem im späteren Verlauf immer wieder die heimlichen Leiter dieses Solokonzertes. 

Dabei war das nur ein Vorgeschmack auf den zweiten Teil des Abends, in dem der gesamte Klangkörper nicht nur technische Präzision, und interpretatorische Genauigkeit bei gleichzeitig verschmitzter Spielfreude zeigte, auch den erzählerischen Gesamtansatz legte Hrůša bewusst auf Konsequenz aus. Für mich war das die richtige Entscheidung für diesen Abend an einem so besonderen Ort. 

Die sechs Teile von Má vlast präsentierte das Ensemble als getrennte Sätze mit den notwendigen, kurzen Verschnaufpausen dazwischen. Grundbestimmend war dann wieder diese Vorfreude, die ich auch schon im Vorwege des Konzertes erlebt hatte, die sich am Abend selbst dann in der großen Lust der Musiker zum Musizieren zeigte. Daraus entsprang der Eindruck der Festlichkeit, die vor allem von den Blechbläsern von Beginn an gestaltet und dann von den Streichern aufgegriffen wurde. 

Das erste Stück – Vyšehrad – leiteten die vier Harfen mit eindrucksvoller Genauigkeit und Abstimmung und sie erzählten so die Geschichte der gleichnamigen Burg sehr anschaulich. Hrůša zeigte sich hier sehr ruhig, liess die Musik strömen und vertraute viel dem Orchester an. So konnten die Musiker in diesem Abschnitt des Werkes viel gestalten, wie die Harfen, die den gesamten Vortrag in andere Stimmungsbereich zu führen vermochten, oder die Streicher, die im zweiten Teil – der Moldau – die markanten Melodien perfekt austariert hatten, mit genug Sinnbetonung, aber nicht zu viel Pathos in den Details. So konnten alle am Vortrag Teilhabenden das Werk im Spiel selbst aufbauen, was sehr gut gelang, auch wenn die Klarinetten brillanter hätten sein können, auch wenn die Flöten ihre Gestaltungschancen besser hätten nutzen können.

Natürlich trieb der Dirigent dann in den letzten Stücken des Werkes sein Orchester energischer und detailversessener durch den Vortrag,  war kurzzeitig mit beiden Beinen in der Luft, und Alle auf der Bühne erzeugten bewusst diese Dramatik. Aber es ist der Stil der Bamberger Symphoniker hier dennoch mit Geschmack und – es mag seltsam klingen – doch noch einer gewissen Zurückhaltung vorzugehen. Das Orchester hat eben nicht jede verfügbare Dynamikreserve rücksichtslos ausgespielt, sondern auch in lauten Teilen die Einschwingphasen der einzelnen Instrumente noch bewusst gestaltet.

Die akzentuierte, aber dosierte Dramatik der Orchesterabschläge im dritten Teil – Šárka -, oder die dann wieder eindrucksvoll im Verbund sehr klangmalerisch erzählenden Holzbläser im vierten Teil – Z českých luhů a hájů – unterstrichen diese Vorgehensweise genauso wie die Streicher, die im fünften Teil – Tábor – mit präzise rollenden Bewegungen den Vortrag immer weiter trieben.

So blieb das Ensemble trotz aller Stimmungshöhen und -tiefen immer konzertant, und formte dieses reichhaltige Gesamtbild eines langen Konzertabends, der ein weiterer Höhepunkt auf der Má vlast-Tour für die Bamberger Symphoniker unter Jakub Hrůša wurde.

Programm

Edward Elgar – Soliloquy / für Oboe und Orchester
Richard Strauss – Konzert für Oboe und kleines Orchester D-Dur AV 144
Bedřich Smetana – Má vlast (Mein Vaterland) / Sinfonische Dichtung

Mitwirkende

Albrecht Mayer – Oboe

Jakub Hrůša – Dirigent

Bamberger Symphoniker

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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