Meine erste Begegnung mit Fritz Wunderlich war schon in der Kindheit, genauer gesagt, im Hause meiner Eltern, so um die Weihnachtszeit herum. Wie immer zu dieser Saison wurden die entsprechenden Songs herausgekramt. Bei uns war das kein großer zeitlicher Aufwand, da meine Eltern nur zwei Langspielplatten mit Weihnachtsliedern besaßen. Jedoch auf einer dieser beiden Scheiben verbargen sich neben fürchterlichen Schlageraufnahmen auch drei ansprechende Titel, nämlich „The first noel“ von Connie Francis, „Sleigh Ride“ von Bert Kaempfert und der Titel „Ave Maria“, gesungen von Fritz Wunderlich. Seine Stimme schlug mich auf der Stelle in ihren Bann und ich beschloss, diese Schallplatte sofort zu beschlagnahmen. Nach Weihnachten verschwand das Teil dann wieder im Schrank und die Jahre gingen ins Land. Vergessen hatte ich den „wunderlichen“ Sänger jedoch nicht.
Fritz Wunderlich – nicht die einzige Errungenschaft
Irgendwann während meines Studiums schlenderte ich über einen ortsansässigen Trödelmarkt. Beim Stöbern durch diverse Ansammlungen privater Anbieter fiel mir dann die CD „Du bist die Welt für mich“ in die Hände. Die Original-LP dazu erschien im Jahre 1965. Es war ein Spontankauf, zumal ich nur einen Euro dafür zahlen sollte. Der Verkäufer lächelte mich mitleidig an. Anscheinend war er froh, darum erleichtert worden zu sein. Ich für meinen Teil jedenfalls hatte mein erstes Fritz-Wunderlich-Album erworben. Es sollte nicht bei dieser einzigen Errungenschaft bleiben.
Bei „Du bist die Welt für mich“ handelt es sich um eine Zusammenstellung sogenannter „populärer“ Lieder. Besonders angetan hatte es mir der Titel „Granada“. Ich kannte diesen Song zwar, hatte ihn aber nie zuvor in einer solch feurigen und temperamentvollen Version gehört. Diese glasklare Stimme, begleitet vom Symphonie-Orchester Graunke unter dem Dirigenten Hans Carste haucht diesem Klassiker echtes Leben ein. Für mich persönlich die ultimative Version dieses Liedes. Selbst Fassungen von Pavarotti oder Domingo reichen nicht annähernd an die Interpretation dieses Jahrhundert-Künstlers heran. „Belcanto, das heißt Schöngesang“, so Fritz Wunderlich in einem Statement. Und darin war er wahrlich ein Meister. Selbst einfache Schlager konnte er in echte Perlen verwandeln. Ralph Erwins` „Ich küsse ihre Hand, Madame“ erklingen aus seiner Kehle ebenso gehaltvoll wie Antonin Dvoráks`“Eine kleine Frühlingsweise“ oder Nicholas Brodszkys`“Be my love“. Was für eine stimmliche Reife in bereits jungen Jahren.
Fritz Wunderlich war ein Tenor, der sprichwörtlich alles singen konnte, Egal ob Lieder von Schubert, geistliche Arien von Händel oder Bach, Opern von Mozart („Die Entführung aus dem Serail“) oder Verdi (seine „La Traviata“-Fassung mit dem Symphonie-Orchester des bayrischen Rundfunks gilt als Meilenstein) nebst Operetten-Melodien von Robert Stolz. Er hätte das Telefonbuch singen können, es wäre ein Erfolg geworden.
Die Edition
Die CD-Ausgabe von „Du bist die Welt für mich“ wird noch auf second-hand Portalen im Internet zu finden sein. Wer sich näher mit dem Werk von Fritz Wunderlich auseinandersetzen möchte, dem sei die 32-CD Box „Complete Studio Recordings on Deutsche Grammophon“ ans Herz gelegt. In dieser Edition befindet sich auch eine klanglich restaurierte Neuauflage des hier besprochenen Titels, ergänzt um Wunderlichs` wunderschöne Eigenkomposition, dem „Pfälzer Heimatlied“ (Mein Kusel), übrigens der Geburtsort des Künstlers.
Am 17.09.1966 starb Fritz Wunderlich im Alter von nur 35 Jahren an den Folgen eines Treppensturzes. Für mich persönlich war er nicht einer der besten, sondern definitiv der beste deutsche Tenor, den es je gegeben hat. Er wird für immer unvergessen bleiben.