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Einfach Klassik.

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Herzblut zahlt sich immer aus – Interview mit Sofia Livotov

Die Sängerin Sofia Livotov hat nicht nur mit ihrem Werdegang als Sopranistin auf sich aufmerksam gemacht, sie engagiert sich auch in zahlreichen sozialen und klimapolitischen Projekten. Und nicht zuletzt hat sie auch noch ein neues Lied-Genre entdeckt, und macht es publik. Diese Vielfalt hat mich schon seit längerem interessiert, und ich bin froh, mit Sofia ein Interview bekommen zu haben.

Sofia Livotov, Sie wirkten gerade im Parsifal im Leeds Grand Theatre im Rahmen der Opera North mit. Wie kamen Sie zu diesem Engagement, und was ist das Besondere daran?

Um an einem Opernhaus engagiert zu werden muss man üblicherweise zuerst vorsingen.
Mein Vorsingen für die „Opera North“ war eines der ersten Live-Vorsingen nach den vielen Lockdowns seit Beginn der Pandemie und es hat mich gefreut, dass es gleich zu einem Engagement geführt hat.
Für diese Parsifal Produktion wurde ich eingeladen dem Chor der „Opera North“ beizutreten und hatte das Vergnügen mit hervorragenden Sänger*innen, sowie dem Dirigenten Richard Farnes und dem Regisseur Sam Brown zusammen zu arbeiten. Das Besondere war neben dem außerordentlich hohen musikalischen Niveau die überaus herzliche Atmosphäre und Kollegialität im Chor sowie im gesamten Team der „Opera North“ auf und hinter der Bühne. Wenn man als Gast in ein festes Ensemble dazustößt ist das nicht selbstverständlich. Es war auch die erste Wagner-Oper, die ich auf der Bühne gesungen habe, und es war ein besonderes Erlebnis Teil dieser bedeutenden Opernproduktion zu sein.

Waren Sie da auch mit auf Tour?

Ja, nach vier Vorstellungen im „Leeds Grand Theatre“ ging diese Produktion auf Tour in verschiedene Städte, darunter Manchester, Nottingham, Newcastle upon Tyne und endete mit einer Aufführung am „Southbank Centre“ in London. Diese Tour war sehr spannend, da ich viele einzigartige Konzertsäle im Norden des Landes kennengelernt habe.

In Ihrer letzten Veröffentlichung geht es um Indonesian Art Songs. Wie kamen Sie zu diesem Genre, und was fasziniert Sie daran?

Das Genre der indonesischen Kunstlieder habe ich durch meinen Lebensgefährten Satriya Krisna kennengelernt, der selbst aus Indonesien stammt und ebenfalls Opernsänger ist.
Als wir gemeinsam am „Conservatorium van Amsterdam“ studiert haben, hat er mehrere dieser Lieder aufgeführt und ich war sofort von ihrer Schönheit und musikalischen Intensität beeindruckt.
In 2019 gingen wir auf unsere erste Konzerttour nach Indonesien, wo wir zusammen einige der Lieder gesungen haben. Daraus entstand dann die Idee, diese außerhalb Indonesiens noch kaum bekannten Lieder gemeinsam mit den Pianisten Prajna Indrawati und Felix Justin aufzunehmen, und dem europäischen Publikum näher zu bringen.
Ganz besonders fasziniert mich bei diesem Genre die Verbindung von Musik, Legenden und Geschichte, denn indonesische Kunstlieder, genannt „Seriosa“, sind eng mit der Geschichte ihres Landes verbunden und entstanden in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Unser Kurzalbum „Sounds of Indonesia“, welches wir selbst an verschiedenen Orten in London während der Pandemie aufgenommen haben, ist das erste seiner Art auf den Digitalen Musikplattformen und gibt einen kleinen Einblick in dieses Genre. Wir haben uns sehr über das positive Feedback zu dieser Veröffentlichung gefreut und ein paar der Aufnahmen haben den Weg ins kanadische „Radio CKIA FM“ und Radio „SWR2 Klassik“ gefunden. Unser nächstes Ziel ist es eine ganze CD mit diesen Liedern aufzunehmen, die auch mehr Musik von indonesischen Komponistinnen beinhalten wird. 

Setzen Sie dieses Repertoire auch live um?

Ja, unbedingt! Seit der ersten Aufnahme im Herbst 2020, haben sich viele Gelegenheiten ergeben, einige der indonesischen Lieder live aufzuführen. Dazu gehören verschiedene Konzerte in London und das renommierte „Oxford Lieder Festival“. Speziell für die Klimakonzerte mit Musikern von „Orchester des Wandels“ wurde das Lied “Malam Indah“ (Schöne Nacht) für Gesang und Quartett bearbeitet. Es war wirklich eine große Freude, es bei der „Hamburger Klimawoche 2021“ sowie bei dem „Berlin Energy Transition Dialogue 2022“ aufzuführen. Im Juli war es erneut in der „Klima Arena Sinsheim“ bei einem weiteren Konzert vom „Orchester des Wandels“ zu hören.

Diesen Sommer hatte ich das Vergnügen auch in Salzburg ein Lied aus unserem Kurzalbum aufzuführen. Gemeinsam mit der Pianistin Natalia Pegarkova-Barenboim, mit der ich das Ensemble „Duo Primevère“ gegründet habe, haben wir das Lied „Bunda“ (An meine Mutter) der Komponistin Trisutji Kamal in unser Liederabend-Programm für die „Maria-Anna-Mozart-Gesellschaft“ aufgenommen.

Noch vor zwei Jahren hätte ich nie gedacht, dass Lieder aus Indonesien eines Tages fester Bestandteil meines Repertoires sein und vor allem beim Publikum so gut ankommen würden.
Aber ich glaube fest daran, dass Projekte, denen man sich mit Herzblut widmet, sich immer auszahlen werden.

Sie engagieren sich bei der Initiative „Help Musicians Ukraine“. Worum geht es dabei?

„Help Musicians Ukraine“ ist eine Initiative, die wir zu Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar ins Leben gerufen haben. Damals haben meine Freunde und Kollegen, die polnische Pianistin Aleksandra Bobrowska und die griechische Sopranistin Danae Eleni, einer Gruppe ukrainischer Musiker geholfen, die von Jacob Shaw eingerichtete „Emergency Residency“ der Scandinavian Cello School in Dänemark zu erreichen.
Als eine wachsende Gruppe von internationalen Künstlern, unterstützen wir seitdem mit Hilfe unseres professionellen Netzwerkes ukrainische Musiker, die aufgrund des Krieges vertrieben wurden. Wir helfen ihnen, mit Gastgebern in Europa Kontakt zu treten, sowie Arbeits-, Auftritts- und Studienmöglichkeiten zu finden, welche ihnen zur Verfügung stehen.
Das gesamte Geld, das durch Fundraising-Konzerte und Crowdfunding gesammelt wird, fließt direkt in die Hilfe für ukrainische Musiker, während sie versuchen, ihr Leben wieder aufzubauen und ihre Kunst weiter auszuüben. Wer helfen möchte, kann uns gerne über unsere Website kontaktieren. Inzwischen haben wir über 90 Musiker auf verschiedene Weise unterstützen können, aber es gibt natürlich noch viel mehr Menschen die Hilfe benötigen.

Sofia Livotov, Foto von Satriya Krisna
Sofia Livotov, Foto von Satriya Krisna

Welche Rolle übernehmen Sie dabei?

Anfangs habe ich mit Übersetzungsarbeit geholfen, da ich Deutsch, Russisch und Englisch fließend beherrsche. Bald kamen jedoch Visabewerbungen, Reisehilfe, Studienbewerbungen und alles was dazu gehört, wenn Menschen ihr Heimatland verlassen müssen und in neues Land ziehen, wo sie niemanden kennen und manchmal auch nicht dessen Sprache sprechen.
Nach über vier Monaten Krieg habe ich viele Schicksale kennen lernen dürfen. Und wenn man auch nur einen kleinen Teil dazu beitragen kann, die Not dieser Menschen zu lindern, ist das sehr bereichernd. Ohne die großartige Zusammenarbeit unseres Teams wäre es jedoch nicht möglich gewesen. Wir hoffen, dass wir durch unsere Tätigkeit auch dazu beitragen, eine unterstützende Gemeinschaft in der Welt der klassischen Musik aufzubauen. Wer weiß, vielleicht ergeben sich sogar Kooperationen mit einigen der Künstler, denen wir ermöglicht haben, weiterzuarbeiten!

Bei der „Be Your Own Manager-Academy“ haben Sie ein weiteres Betätigungsfeld. Sie waren sowohl organisatorisch als auch künstlerisch an der Umsetzung des „nexTus“-Festival beteiligt. Welche Bedeutung hat für Sie die Arbeit in dieser Gemeinschaft?

Die „Be Your Own Manager-Academy“ wurde von dem ehemaligen Intendanten des Wiener Konzerthauses Bernhard Kerres zu Beginn der Pandemie gegründet. Sie bietet eine Vielzahl von online Kursen für Karrieremanagement für klassische Musiker an und hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre enorm entwickelt. Es gibt inzwischen über 200 Mitglieder, die auf der ganzen Welt verteilt sind. Teil dieser Gemeinschaft zu sein war während der Pandemie für mich die absolute Rettung. Neben den äußert hilfreichen Kursen gaben der Austausch und die Zusammenarbeit mit Musikern, die gleichermaßen vom Lockdown betroffen waren, enormen Halt. Ohne die „BYOM – Academy“ hätte ich von zu Hause aus nie so viele inspirierende Menschen und großartige Musiker, die inzwischen sehr gute Freunde geworden sind, kennengelernt. Das „nexTus“-Festival und viele weitere Projekte und Konzerte sind aus dieser Gemeinschaft entstanden, und entstehen immer noch. Einige der Mitglieder der Academy helfen auch bei „Help Musicians Ukraine“ mit und es ist immer eine große Freude, wenn man nach so langer online Kommunikation jemanden endlich live trifft. Derzeit bin ich persönlich weniger in der „BYOM – Academy“ aktiv, weil meine Konzertengagements und mein Einsatz bei „Help Musicians Ukraine“ gerade höchste Priorität haben. 

Das Festival hatte ja auch eine Klimapolitische Komponente. Wie erfolgreich konnten Sie diese in der Organisation betonen?

Das „nexTus“- Festival fand im April/Mai 2021 an vier aufeinander folgenden Wochenenden statt und jedes davon hatte ein eigenes Thema. So waren die Konzerte am letzten Wochenende sowohl der Musik von Komponistinnen gewidmet als auch dem Thema der Umweltkrise.

Neben dem musikalischen Programm fand zum Abschluss des Festivals ein von mir geleitetes Podiumsgespräch über die Nachhaltigkeit in der klassischen Musikszene statt mit Gästen wie Fredrik Österling (Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der Helsingborg Concert Hall and Symphony Orchestra), Markus Bruggaier (Hornist der Staatskapelle Berlin und Gründer von Orchester des Wandels) sowie Sam Goldscheider (Orchestermanager beim Verbier Festival und Gründer von Harmonic Progression).

Zudem hatte das „nexTus“-Festival zwei Partnerorganisationen, „Harmonic Progression“ und „OneTreePlanted“, mit deren Hilfe unser Publikum eigenhändig zu der „Green Mission“ des Festivals beitragen konnte. Insgesamt wurden 200 Bäume finanziert, die dem Wiederaufbau von Wäldern in Lateinamerika und Britisch-Kolumbien zugutekamen. Ich bin stolz darauf, sowohl bei unserem Publikum als auch bei den Künstlern einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, indem ich alle Künstler ermutigt habe, für die Dauer des Festivals neue klimafreundliche Verhaltensweisen anzunehmen und so auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Einige Darsteller haben ihr Verhalten langfristig geändert und schärfen auch weiterhin das Bewusstsein.
Auch wenn es eine recht große Herausforderung war, war es für mich eine einmalige Erfahrung zum ersten Mal innerhalb eines Teams ein so ausgiebiges Musikfestival online zu organisieren und mit einer klimapolitischen Komponente zu verbinden. Vieles, was ich gelernt habe, werde ich in meinen zukünftigen Projekten umsetzen können.

Sofia Livotov, Foto von Natalia Jansen
Sofia Livotov, Foto von Natalia Jansen

Sind die Kooperationen und Unterstützungen, die daraus entstehen, denn auch langfristig bedeutungsvoll?

Ja, absolut! Wenn man über eine längere Zeit so intensiv zusammenarbeitet, wie wir das in unserem „nexTus“-Festival Team gemacht haben, lernt man nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst besser kennen. Ich bin dankbar, dass ich diese für Künstler äußerst schwierige Zeit so kreativ nutzen konnte, was ohne meine Kolleginnen und Kollegen aus der „BYOM-Academy“ und natürlich ohne Bernhard Kerres nicht möglich gewesen wäre. Professionell haben sich in der Tat viele Kooperationen ergeben wie auch bedeutungsvolle persönliche Kontakte.

Im letzten Herbst sind Sie in ihre Norddeutsche Heimat zurückgekehrt, und haben bei der Hamburger Klimawoche mit dem Orchester des Wandels ein Klimakonzert gegeben. Wie kam diese Aktion zustande, und was war Ihnen dabei besonders wichtig?

Die Klimakonzerte mit Musikern von „Orchester des Wandels Deutschland e.V.“ sind zum Beispiel eine Kooperation, die aus dem „nexTus“-Festival entstanden ist. Der Cellist Jan Bauer, einer der Vorstände bei OdW, hatte mein Festival-Video „Fair World, Where Are You?“ zum Thema der Umweltkrise gesehen. Da es ihm gut gefiel, lud er mich gleich zum Klimakonzert nach Hamburg ein. Das kam wie gerufen, denn zum einen hatte ich mir schon länger gewünscht, eines Tages mit diesem Orchester auftreten zu können, zum anderen bestand auch das Programm aus meinem absoluten Lieblingsrepertoire. Als leidenschaftliche Sängerin zeitgenössischer Musik freute ich mich sehr, das Klimamonodram „Erwachen“ des in New York lebenden Komponisten Alexander Liebermann aufführen zu können, inszeniert von der Regisseurin Sophie Louise Busch. Dazu die „Arie“ aus „Bachianas Brasileiras“ von Villa-Lobos, eines der schönsten Stücke, die für Sopran geschrieben wurden, und wie bereits erwähnt, das indonesische Lied „Malam Indah“ in einer Bearbeitung für vier Celli.
Solche Projekte, bei denen ich als Sängerin ganz in meinem Element bin, mit herausragenden Musikern zusammenarbeite und das Publikum durch meine Musik zum Engagement für eine nachhaltigere Zukunft inspiriere, machen mich ganz besonders glücklich! Inzwischen haben wir dieses Programm bereits an verschiedenen Orten in Deutschland aufführen können, was mich natürlich umso mehr gefreut hat.

Neben Ihrer Gesangskarriere sind Sie wie besprochen bei vielen Aktionen und Organisationen engagiert. Welche Ziele und Wünsche haben Sie denn für Ihre Zukunft als Sängerin?

Selbstverständlich haben meine Gesangskarriere und meine laufenden Engagements oberste Priorität und mittlerweile bin ich ziemlich gut darin geworden, meine Zeit so effektiv wie möglich einzuteilen. Ich bin sehr dankbar, dass ich nach zwei Jahren Pandemie in dieser Saison für so interessante Projekte und Produktionen angefragt wurde und mit herausragenden Musikern und Ensembles zusammengearbeitet habe.
Für die Zukunft sind gerade mehrere Projekte in Planung, darunter zwei CD-Aufnahmen mit verschiedenem Liedrepertoire und neue Konzertprogramme in Verbindung mit dem Thema der Umweltkrise. Während der Lockdowns habe ich außerdem die Zeit genutzt, um mit meiner wundervollen Gesangslehrerin Nelly Miricioiu neue Opernrollen zu erlernen, wie zum Beispiel Gilda (Verdi, Rigoletto) und Sophie (Strauss, Rosenkavalier), und ich hoffe sehr bald die Möglichkeit zu bekommen, sie auf der Bühne zu verkörpern. Ich hoffe auch, auf meiner Beziehung zur „Opera North“ in Leeds und der „Wigmore Hall“ in London aufbauen zu können, nachdem ich in dieser Saison bereits in beiden aufgetreten bin.

Wir leben jedoch gerade in einer Zeit, wo es meiner Ansicht nach schwierig ist, sich ausschließlich auf den eigenen Beruf zu konzentrieren und die Augen zu verschließen vor dem was alles passiert, sei es Krieg oder Klimakrise. Als Sängerin weiß ich, dass Lebenserfahrung das Verständnis für die Musik, die wir auf der Bühne aufführen, nur verbessern kann! Viele meiner Musikerkolleginnen und -kollegen engagieren sich ehrenamtlich, was mich selbst unheimlich inspiriert. Ich freue mich dazuzugehören, und bin stolz eine Sängerin zu sein die vielseitig begabt ist und der musikalischen Gemeinschaft etwas zurückgeben kann. 

Sofia Livotov, vielen Dank für dieses Interview!

Titelfoto von Natalia Jansen

Das Aktuelle Album

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Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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