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Einfach Klassik.

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Interview mit dem Dirigenten Chuhei Iwasaki

Japan Czech Inspiration heißt das neue Album des Pilsener Philharmonic unter Leitung seines Chefdirigenten Chuhei Iwasaki. Werke von Leoš Janáček und eine Komposition des japanischen Komponisten Akira Ifukube verbinden auf der vorliegenden Aufnahme die eigenen böhmischen Wurzeln des Orchesters mit der japanischen Musikkultur. 

„Ich will zeigen, dass ich ein tschechischer Dirigent aus Japan bin“

Was ist die Idee und das Anliegen der neuen CD Japan Czech Inspiration?

Ich will zeigen, dass ich ein tschechischer Dirigent aus Japan bin. Und wie gesagt, ich liebe den Neofolklorismus.

Erzählen Sie etwas über die Vorgeschichte dieser Produktion. Was reizt Sie besonders an dieser Musik?

Diese CD wiederspiegelt eine Menge Eindrücke und Prägungen. Ich mag den Neofolklorismus sehr. Leos Janáček ist einer der größten Komponisten in der tschechischen Musik. Ifukube ist seinerseits in der japanischen Musik einer der stärksten Vertreter eines Nationalstils. Es war eine wunderbare Zeit, jeweils über Folklore zu recherchieren und diese in unserem Spiel zu entwickeln. Ich habe sogar jemanden gebeten, die Tänze zu tanzen, die wir aufgenommen haben. Denn dadurch bekommen wir eine bildliche Vorstellung davon, wie die Musik wirken muss. 

Wie ist die europäische/westliche Musikkultur im japanischen Konzertleben präsent?

Meiner Meinung nach ist sie bereits ein Teil unseres Lebens. Es gibt jetzt so viele Orchester, Konzerte, Musikschulen in Japan und so viele Menschen, die sie studieren. Die europäische Musik kam gegen Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts nach Japan und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie sehr populär.

Wie schätzen Sie die Präsenz der japanischen/asiatischen Musikkultur in Europa ein?

Das ist eine schwierige Frage. Es gibt so viele Orchester in Europa, es gibt viele asiatische Spieler, es gibt so viele Leute aus Asien, die große Wettbewerbe gewinnen. Aber es ist nicht so wichtig, woher sie kommen. Wichtig ist, wie sie spielen. Ich hoffe nur, dass wir in der heutigen Zeit keinen Unterschied mehr zwischen ‚europäischen‘ und ‚asiatischen‘ Musikern machen werden, denn Musik verbindet uns und macht keinen Unterschied.

Chuhei Iwasaki

Was kann das Publikum in der Musik von Ifukube erleben?

Japanische Nationalmusik, unser Gefühl für Musik, das Leben und die Welt. Ich hoffe, es wird allen gefallen.

Erzählen Sie mir mehr über das imaginäre Theater in der japanischen Suite?

Der Titel des ersten Satzes Bon odori verweist auf ein traditionelles Sommerfest, bei dem wir die Seelen der Menschen willkommen heißen, die bereits abgereist sind. Wir haben eine große Bühne in der Mitte des Platzes, um die wir tanzen. Thema des zweiten Satzes ist der 7. Juli. An diesem Tag gibt es ein Märchen mit Sternen. Jedes Kind schreibt Wünsche auf Papier und hängt es an einen Bambusbaum und singt ein Lied. Nagashi, der dritte Satz widmete sich Straßenmusikern aus früheren Zeiten. Sie singen ein Lied auf der Straße. Wenn es den Leuten gefällt, können sie sie nach Hause oder in eine Kneipe einladen, um mehr zu singen. Der mittlere Teil dieses Satzes ist wie eine Improvisation des Shamisen-Spielers. Das Shamisen ist unser traditionelles Instrument, so etwas wie eine Gitarre. Im vierten Satz Nebuta nehmen wir an einer berühmtenParade von riesigen, schweren Figuren im Norden Japans teil. Das Thema des Festes ist ähnlich wie Bon Odori. Es findet in der Nacht statt und die traditionellen Figuren leuchten. Alle marschieren um sie herum oder tanzen auf der Figur.

Welche historischen Aspekte des Selbstverständnisses der böhmischen Nation spiegeln sich in der Musik von Leoš Janáček wider?

Weil es Tradition ist, liegt diese Musiik den Menschen seit langem im Blut. Es ist einfach natürlich für uns alle.

Wie brechen diese beiden Werke eine Lanze für die Kultur ihres eigenen Landes?

Das hängt von den Zuhörern ab, jeder kann seine eigene Musik in seinem Inneren finden.

Chuhei Iwasaki
Chuhei Iwasaki

Wie erklärt sich die große Beliebtheit der Pilsener Philharmonie?

Ich hoffe, dass es an der Qualität unseres Orchesters liegt. Die Pilsener Philharmonie ist ein gutes Orchester, das sich gerade entwickelt. Aktuell planen wir, auf großen Festivals nicht nur in der Tschechischen Republik zu spielen. Deshalb wünsche ich mir, dass wir nicht nur in Pilsen, sondern in der ganzen EU populär werden.

Chuhei Iwasaki über „sein Land“

Wie ist die aktuelle Situation der klassischen Musikkultur in Ihrem Land?

Wenn Sie dies auf die Tschechische Republik als „mein Land“ beziehen und besonders die Stadt Pilsen betrachten, ist es besser, als ich dachte. Wir haben überdurchschnittlich viel mehr Leute in unserem Konzertsaal. Fast genauso viele wie vor der Covid-Pandemie. 

Gibt es ein Werk, mit welchem dem Orchester ein besonderer Durchbruch gelungen ist?

Fast jede Komposition, die wir erarbeiten, markiert die Chance für einen Durchbruch, sofern wir den Willen haben, unser Bestes geben zu wollen. Aber ich glaube, die „Japanische Suite“ war schon ein ganz besonderer Meilenstein für unser Orchester.

Würden Sie sich als Schnittstelle zwischen den Kulturen sehen?

Nicht so sehr. Ich versuche eher, das Gesicht der Pilsener Philharmonie für die Menschen in unserem Land abzubilden. 

Wie lange sind Sie schon in Pilsen? Wie sind Sie nach Prag gekommen?

Mit der Pilsener Philharmonie arbeite ich schon seit 2018 als Gastdirigent zusammen, seit 2021 bin ich Chefdirigent dieses Orchesters. 

Chuhei Iwasaki, vielen Dank für dieses Interview!

Das Album

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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