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Einfach Klassik.

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Interview mit dem Geiger Mikhail Pochekin

Wer mit der Solovioline auf der Bühne steht, muss viel erzählen können!

Das berühmte, feurig-virtuose Stück „Asturias“ aus der „Suite Espagnole“ von Isaac Albeniz übt auf viele Instrumentalisten eine magische Anziehungskraft auf. Ursprünglich als Klavierstück Bestandteil der Suite Espagnolo, haben sich hier vor allem Gitarristen wie Andres Segovia ausgetobt. Der herausragende Geiger Mikhail Pochekin, dem keine virtuose Herausforderung groß genug zu sein scheint, hat jetzt den solistischen Parforceritt für die Violine transkribiert – und demonstriert auch gleich in einem furiosen Solovideo, was hier alles geht. Wenn man es kann. Im Interview redete der Musiker auch über seinen Bezug zur spanischen Kultur…

Herr Pochekin, wie haben Sie die letzte Zeit erlebt?

Es hat sich einiges getan und ich bin immer fleißig. In der Covid-Zeit war alles etwas kompliziert. Aber da es keine Konzerte gab, taten sich umso interessantere Möglichkeiten für Aufnahmen auf. Meine beiden letzten CDs sind schöne Resultate. Die erste habe ich mit dem Stuttgarter Kammerorchester und meinem Bruder Ivan Pochekin aufgenommen. Es ist ein reines Mozart-Album mit dem Fünften Violinkonzert und der Sinfonia concertante. Danach haben wir mit einer anderen CD weiter gemacht, diesmal mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen unter Sebastian Tewinkel und Max Bruchs zweitem Violinkonzert und Mendelssohns e-Moll-Konzert.

Ich bin gerade auf ein neues Video von Ihnen gestoßen. Sie spielen Asturias von Isaac Albeniz. Das ist wirklich eine große Überraschung. Was hat es damit auf sich?

Vor einige Monate hat der spanische Verlag Miotta&Molière die Noten meiner Transkription dieses Stückes für Violine veröffentlicht. Dann habe ich das Stück eingespielt und am 20. Januar wird es Single bei Hänssler-Classic als Digital-Release präsentiert. Ich wollte dies so bald wie möglich machen, wo jetzt schon die neue Partitur vorliegt. Beides gehört zusammen, finde ich. Denn wenn die Noten schon realisiert sind, sollte auch meine eigene Interpretation hörbar sein.

Was hat Sie daran begeistert, dieses berühmte, virtuose Stück für die Violine zu transkribieren und wie sind Sie vorgegangen?

Das Stück Asturias mag ich sehr seit ich es vor einigen Jahren zum ersten Mal gehört habe. Ursprünglich ist es ja ein Klavierstück, aber ich habe es zum ersten Mal in der Gitarrenversion von Andres Segovia gehört. Letztere war mein Ausgangspunkt für die Übertragung für Solovioline. Gitarre, Klavier und Geige haben ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Bei den Bogenstrichen wollte ich dem Klang der Gitarre so nah wie möglich kommen. Das verlangt höchste Virtuosität und ist technisch ziemlich kompliziert. Mir war es aber auch wichtig, diese Transkription für Geige so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich habe das Stück bewusst nach d-Moll adaptiert, weil dadurch häufiger auch leere Saiten genutzt werden können, was der Spielbarkeit entgegen kommt.

Sie waren ja in der Vergangenheit schon sehr viel solistisch unterwegs, vor allem auch mit einer Gesamtaufnahme der Bach-Partiten. Spielen solche Erfahrungen hier jetzt mit hinein?

Technisch betrachtet ist Bach etwas völlig anderes. Ich würde eher sagen, Asturias hat viel mit den Paganini-Capricen zu tun. Aber klar – die Herausforderung ist vergleichbar: Wenn man mit Solovioline auf der Bühne steht, muss man viel erzählen können.

Was erzählen Sie im Stück Asturias?

Spanien und die spanische Musik spielt für mein Leben eine große Rolle. Ich spiele sie seit der Jugend. Und vor allem, seit ich im Jahre 2008 und 2009 bei Premio Nacional Pablo Sarasate in Madrid und beim internationalen Sarasate-Wettbewerb in Pamplona Preisträger war. Asturias ist wahrscheinlich eines der repräsentativsten Werke des großen spanischen Komponisten Isaac Albeniz. Das Stück ist farbenreich, lyrisch und hat gleichzeitig eine starke, rhythmische Basis. Und damit ist es auch für jeden Geiger technisch und künstlerisch interessant.

Erzählen Sie mir noch mehr über Ihren Bezug zu Spanien!

Mit Spanien verbindet mich eine lange Geschichte. Seit 2000 ist meine Familie in Spanien. Das Land ist wie ein Zuhause für mich, auch wenn ich lange und immer wieder im deutschsprachigen Raum gelebt und studiert habe. Nach Spanien bin ich immer wieder gerne zurück gekommen. Ich mag traditionelle spanische Musik, Flamenco und großartiges spanisches Essen. Das Stück Asturias ist stilistisch auch stark vom Flamenco geprägt, obwohl es nach Asturien, einer nordspanischen Landschaft benannt ist.

Wollen Sie mit dieser Transkription eine Tradition wiederbeleben?

Auf jeden Fall. Vor circa 100 Jahren waren Transkriptionen viel verbreiterter als heute. Nicht nur Fritz Kreisler und Jascha Heifetz haben sich damit intensiv beschäftigt. Heute ist diese Tradition leider etwas zurück gegangen. Ich denke, dass wir, die aktuellen Geiger, darüber nachdenken sollten, so etwas wieder zu beleben. Eben weil das wirklich eine gute Tradition ist.

Asturias Cover

Sehen Sie in dieser Transkription neue, andere Ausdrucksqualitäten auf der Violine?

Asturias klingt auf allen Instrumenten reizvoll, vor allem auf Klavier und auf Gitarre. Meine Hoffnung ist, dass es sich jetzt auch auf der Geige etabliert.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich plane schon wieder zwei neue Alben und verrate hier schon mal etwas: Es kommt ein neues Album für Klavier und Violine von Ludwig van Beethoven. Ebenso ein weiteres Album mit sämtlichen Werken von Antonin Dvorak für Violine und Orchester. Ich hoffe, dass die CDs Ende 2023 und Anfang 2024 erscheinen werden.

Das klingt nach einer immensen Produktivität. Wie schaffen Sie das alles?

Das ist schwer zu sagen, für mich ist es wie Urlaub, wenn ich auf der Geige spiele. Auf der Bühne zu spielen ist jedes Mal wie ein Fest. Wenn ich mich nur auf Musik konzentrieren kann, ist es das Beste.

Mikhail Pochekin, vielen Dank für das Interview!

Titelfoto © Evgeny Evtyukhov

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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