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Einfach Klassik.

Einfach Klassik.

Interview mit der Klarinettistin und Konzertveranstalterin Sabine Grofmeier

„In erster Linie geht es um mein Publikum“

Mit ihren Hamburger Serenadenkonzerten ist die Klarinettistin Sabine Grofmeier auch als Konzertveranstalterin eine feste Größe im Kulturleben der Stadt geworden. Im vorletzen Herbst debutierte sie als Solistin im ausverkauften großen Saal der Elbphilharmonie, was sie selbst als „absoluten Ritterschlag“empfindet, für den sie unendlich dankbar ist. Am Sonntag, 12. Februar, gibt es eine Neuauflage mit der vielseitigen Künstlerin in Deutschlands prominentestem Musentempel. „Bella Italia“ heißt das exklusiv für diesen Anlass zusammengestellte Programm. Besetzung und Stücke sind auf jeden Fall dazu angetan, diesen Anspruch im kleinen Saal der Elphi einzulösen. Sabine Grofmeier bildet hier ein Trio zusammen mit dem deutsch-italienischen Tenor Ricardo Marinello und die in Moldawien geborene Pianistin Marina Kommissartchick. In einem persönlichen Interview redet Sabine Grofmeier über ihre Erfahrungen und das, was sie immer von Neuem antreibt. 

Was macht für Dich ein gelungenes Konzertprogramm aus? 

Das Programm ist so ausgewählt, dass im Idealfall die Menschen glücklich und beseelt nach Hause gehen und ich sie wirklich im Herzen mit meiner Musik erreicht habe. Ich habe das vor allem im Laufe der vergangenen sechs Jahre gelernt, seit dem ich meine eigene Konzertreihe die Hamburger Serenadenkonzerte ins Leben gerufen habe .Wenn du jeden Monat ein neues Programm für ein Konzert konzipierst, dann wird dir immer klarer, worum es geht. Nennen wir es mal so: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Meine Eltern kommen aus einem „nicht-klassischen“ Haushalt. Wenn sie hinterher sagen, das Konzert war ganz toll, dann ist mir klar, dass ich die richtigen Stücke ausgewählt habe. Und ja, das bedeutet auch, es darf nicht zu schwermütig sein. Genau deswegen beginne ich das Konzert in der Elphi auch mit einer feurigen Tarantella und nicht mit einem traurigen Lied.

Also hat Dein Dasein als Veranstalterin Deinen Horizont verändert?

Das ist wirklich eine Tatsache. Durch meine Konzertreihen in Hamburg, in Diemerstein, meinem Festival auf Mallorca und auch meinen Konzerten in meiner Heimatstadt Marl habe ich gelernt, dass nicht in erster Linie mir das Programm gut gefallen muss, sondern in erster Linie dem Publikum. Das hat mit direkten Botschaften fürs Ohr und fürs Herz zu tun. Warum soll ich nicht Stücke spielen, welche die Menschen lieben? 

Du spielst ja auch Songs von Leonard Cohen und George Gershwin, ebenso gibt es viele  lateinamerikanische Programmpunkte. Dein aktuelles Bella-Italia-Programm für die Elphi beinhaltet sogar Gassenhauer wie „O Sole Mio“ und „Funiculi Funicula“. Was hat es damit auf sich? 

Ich bin ja grundsätzlich für fast alle Musikrichtungen offen. Ich spiele ja nicht nur gerne mit klassisch ausgebildeten Musikerinnen und Musikern zusammen, sondern auch mit internationalen Künstlern aus Lateinamerika. Diese Vielfalt, vor allem rhythmisch und melodisch, die auch über die sogenannte „Ernste Musik“ hinausgeht, stellt eine viel breitere Identifikationsebene beim Publikum her und ist auch für mich selbst so eine enorme persönliche Horizonterweiterung.

Die starren Konventionen des bildungsbürgerlichen Klassikbetriebs sind also nicht unbedingt Dein Ding? 

Definitiv nicht. Ich verwehre mich gegen jede Form von hochkultureller Pikiertheit. Machen wir uns doch mal eines klar: Mit Klassik im strengen Sinne beschäftigen sich allerhöchstens 4% der Weltbevölkerung. Du kannst mehr Menschen abholen für so etwas, wenn zum Einstieg etwas schönes fürs Ohr geboten wird. Das erzeugt auch mehr Offenheit für ein modernes Musikstück. Im Idealfall sind die Menschen dann auch für schwierigere Materie, etwa für eine Brahms-Sonate offen. Ich wünsche mir, dass mir die Menschen unmittelbar zeigen, was sie in einem Konzert empfinden. 

Was bedeutet ein Konzert als soziale Erfahrung für Dich?

Die Darbietung auf der Bühne ist die eine Sache. Die andere ist, durch das gemeinschaftliche Erleben die Menschen miteinander zu verbinden. Das habe ich wirklich erst so richtig verstanden, seit ich selber Konzerte veranstalte. Dazu gehört, nach dem Konzert auch noch ein Zusammentreffen zu ermöglichen. Ich habe kürzlich mal eine Rückmeldung von einer spirituell orientierten, genauser gesagt „quantenphysikalisch erweiterten“ Ratgeberin bekommen: Sie sagte mir, ich gebe dem Publikum die Möglichkeit, mit in ein anderes Schwingungsfeld einzutauchen, von der sie sich mitgenommen fühlen. Ich denke, das trifft es ganz gut.

Im letzten Jahr hast du Dein Debüt im Großen Saal der Elbphilharmonie gegeben. Wie hat sich das für Dich angefühlt?

Zunächst einmal war es großartig, die Brahms-Sonate zusammen in dieser neuen Version gemeinsam mit der Hamburger Camerata und Mathias Weber uraufzuführen. Wenn wir jetzt mal an die Verbindung zum Publikum denken bei diesem Konzert: Richtig gepackt hat es die Menschen, als wir hinterher die Zugaben gerockt haben. Vor allem mit Piazzollas Oblivion und schließlich sogar mit dem wunderschönen Lied „Guten Abend, Gute Nacht“ zum Mitsingen von Johannes Brahms. Die ganze Elphi hat mitgesungen, das war ergreifend und unvergesslich für Alle. Mein Weg ist es, diese Komponenten zusammen zu bringen.

Sabine Grofmeier, Foto © Sabine Grofmeier
Sabine Grofmeier, Foto © Sabine Grofmeier

Was Dich ja auszeichnet, ist die Personalunion aus Veranstalterin und Musikerin auf der Bühne. Beschreib mal die Herausforderung für Dich dabei. 

Wenn ich selbst veranstalte, alles plane und organisiere, mich um Programmgestaltung und dessen mediale Verbreitung kümmere, Gästeliste erstelle, Medienleute, Förderer, Sponsoren und Freunde einlade und vieles mehr, ist das oft ein extremer Spagat. Vor allem, wenn ich noch den zeitlichen Freiraum brauche, um mich künstlerisch vorzubereiten. Ich gleichzeitig Veranstalterin und eben auch die Solistin auf der Konzertbühne. Ich muss mir in meinem Alltag wirklich oft den Rückzugsraum erkämpfen, um mich auf die Musik innerlich vorzubereiten. 

Lass uns noch mal ein paar prägende biografische Stationen von Dir Revue passieren!

Ich habe in Detmold, Graz und Saarbrücken studiert. Sehr prägend war für mich z.B. mein Grundstudium bei Prof. Hans-Dietrich Klaus. Er hat mein musikalisches Denken, besonders in harmonischer Hinsicht stark geweitet. Das war eine ungeheure Bereicherung, zumal du auf der Klarinette ja meistens als reines Melodieinstrument unterwegs bist. Aber andererseits ist auch hier das harmonische Verständnis so extrem wichtig für die Interaktion mit anderen auf der Bühne. Daraus erwächst erst das Verständnis dafür, was überhaupt los ist in der Musik. 

Also ist dies auch eine prägende Grundlage dafür, dass Du mit immer neuen eingeladenen Partnerinnen und Partnern in Deiner Konzertreihe musizierst? 

Auf jeden Fall. Ebenso profitiere ich von solch einem erweiterten Verständnis, wenn ich als Jurymitglied zu Wettbewerben eingeladen werde. Da habe ich sowieso ein klares Kriterium: Es muss mich wirklich berühren. 

Verrätst Du mir ein paar Persönlichkeiten, die Dich besonders inspirieren? 

Gerne – vor allem Gesang übt eine starke Faszination auf mich aus. Mein absolutes Highlight ist hier Cecilia Bartoli mit ihrer unglaublichen Bühnenpräsenz und dieser puren Freude und Begeisterung für Musik. So etwas ist eine Gabe, die man nicht lernen kann. Man hat sie oder man hat sie nicht.

Ebenso hat die Beschäftigung mit Sergiu Celibidache meinen Horizont erweitert. Er redete in seinen Vorträgen stets von der Phänomenologie der Musik. Es geht auf einer tieferen Ebene darum: Etwas entsteht im Moment – und ist einzigartig – und dann vergeht es wieder nach dem Erklingen. Um einen Eindruck davon zu bekommen, was er hier meint, muss Du Dir alte Bruckner- Probenmitschnitte anhören. 

Wie und wann und unter welchen Bedingungen hast Du für dich herausgefunden, was du künstlerisch willst? Du bist ja zum Beispiel keine Orchestermusikerin geworden. 

Mir war schon sehr früh klar, dass ich mein eigenes Ding machen will. Klar habe ich auch viel in Orchestern gespielt, was eine tolle Erfahrung war. Aber heute bin ich so dankbar, dass ich mich auf den Weg begeben habe, auf dem ich bin. Ich habe immer ganzheitlich gedacht und dafür auch an Persönlichkeitstrainings teilgenommen, von denen ich sehr profitiere. Eben, damit ich mich nicht so sehr daran orientiere, was gesellschaftskonform ist, sondern noch mehr, was ich will. Auch wenn das vielleicht der härtere Weg ist – es ist der Weg, der mich glücklich macht. Ich musste mal in einem Seminar von einem 40m-Turm  runterspringen. Es ging darum, sich zu trauen. Wenn Du solche crazy Sachen machst, wächst Dein Gespür für erweiterte Möglichkeiten, die Dir das Leben bietet. Oft geht es darum, sich frei zu strampeln von Dingen, die einem von klein auf ansozialisiert wurden. Es gibt so viele energetische Limitierungen, die einen nicht weiterbringen. 

Ich kann nicht jeden Tag 10 Stunden Klarinette üben, was physisch sowieso gar nicht geht. Prof. Stefan Schilling, bei dem in Graz studiert habe, sagte mir, mach einen Spaziergang und übe eine Stunde am Tag danach. Und denk über die Musik nach und über das Leben, das wird dich weiterbringen

Sabine Grofmeier, Foto © Sabine Grofmeier
Sabine Grofmeier, Foto © Sabine Grofmeier

Was hat Dich nach Hamburg gezogen?

Ich habe ja einige Jahre auf Mallorca gelebt, wo mich die Liebe hin gezogen hatte. Dort war ich nicht untätig und habe dort auch ein Festival gegründet und Klarinettenkurse gegeben. Die Idee mit Hamburg war später, mir einen Lebensmittelpunkt zu suchen, wo es mir gefällt und wo es eine hohe Kulturdichte gibt. Hamburg ist einfach eine Perle und ich bin so gerne hier. Umso mehr freue ich mich, dass ich hier nicht nur als Solistin, sondern auch als Veranstalterin Fuß gefasst habe.

Fandest Du es schwierig, so etwas bei diesem Konkurrenzangeboten in dieser Metropole zu etablieren?

In einer Provinzstadt ist das natürlich einfacher. Es ist schon ein gewisser Kampf um Aufmerksamkeit angesichts eines riesigen Angebots in dieser Stadt. Man wird hier manchmal mit merkwürdigen Fragen konfrontiert. Von manchen Medienleuten werde ich zuweilen gefragt, welche Promis denn auf meiner Gästeliste stehen. Als wenn der Wert meiner Veranstaltung von so etwas abhängen würde – völlig absurd. Mich interessiert keine „Promi-Liste“. Dass sich hier irgendwelche Wichtig -Typen profilieren und nebenbei läuft mein Konzert, das interessiert mich nun wirklich gar nicht. Wir sind ja hier nicht im Dschungel-Camp, sondern tragen als Kulturschaffende doch selber dazu bei, ob sich eine Gesellschaft mehr zum Positiven entwickelt oder ob sie nur noch oberflächlich daher wabert. 

Kannst Du das noch etwas zuspitzen? Wie sieht Dein konkreter Beitrag dazu aus?

Mein Beitrag ist, dass ich die Menschen abhole im Konzert und über die Musik zusammenbringe. Musik funktioniert ohne Worte, jenseits von Nationalität und Hautfarbe. Im Konzert entsteht im Idealfall ein gemeinschaftlicher Moment, ein Raum, um sich miteinander zu verbinden und gemeinsam in Schwingung zu sein.

Was bedeutet es für dich, in der Elbphilharmonie zu spielen?

Ich habe vorher auch schon häufiger in der Laeiszhalle gespielt, was ebenfalls ein wunderbares Ambiente ist. Als ich bei meinem Debut-Konzert auf die Bühne im großen Saal der Elphi hinaus ging, war das ein ganz eigenartiges Gefühl. Es klingt verrückt – aber plötzlich war mir so, als wäre das hier mein neues Wohnzimmer. So ein dankbarer ehrwürdiger Moment – nach vielen Jahren, in denen ich  so viel geübt und gearbeitet habe. 

Ich glaube, du hast dein Publikum auch dadurch erobert, dass Du ihm diese Gefühle und deine eigene Bewegtheit gezeigt hast. 

Ganz bestimmt. Und meine Dankbarkeit geht noch weiter. Eben dafür, dass ich dieses Leben als Musikerin leben darf und damit sogar Menschen beglücken kann.

Sabine Grofmeier, vielen Dank für dieses Interview!

Konzert mit Sabine Grofmeier

So, 12.2.2023, 11 Uhr – Sabine Grofmeier / Ricardo Marinello / Marina Komissartchik – Elbphilharmonie Hamburg – Elbphilharmonie

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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