Einfach Klassik.

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Interview mit der Pianistin Andrea Kauten

Andrea Kauten, jede Musikerin hat ja so bestimmte Stücke, die er unheimlich liebt, und auch Komponisten. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Den Kernpunkt meines Repertoires bildet sicherlich die Romantik. Schumann, Brahms, Chopin sind in meinen Programmen oft präsent. Natürlich spiele ich auch sehr gerne Liszt, zumal ich meine Ausbildung an der Franz Liszt Musikakademie in Budapest absolviert habe. Liszt gehört dort sozusagen zum Standartrepertoire. Ich bedaure, dass er in unseren Breitengraden oft auf reines Virtuosentum reduziert wird. Virtuosität ist bei Liszt nicht nur reiner Selbstzweck. Sein voller Klaviersatz oder die Oktavpassagen dienen dem Zweck, einen orchestralen, farbigen Klang zu generieren und eine musikalisch ausdruckstarke Interpretation zu ermöglichen. 

Beethoven ist auch einer meiner Lieblingskomponisten. Die Kraft und Intensität seiner Musik hat bis zum heutigen Tag Gültigkeit. Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert, wie er in seinen Klaviersonaten Motive in den Raum stellt und dann weiterentwickelt. Hier sehe ich übrigens auch Parallelen zu Brahms’ Werken. Aber eigentlich möchte ich mich gar nicht auf einige Komponisten festlegen, denn das Repertoire ist unerschöpflich. Ich möchte offen sein für alles. 

Aber kommen wir zu Brahms, dem Grund unseres Gespräches.

Für mich ist mit der Einspielung der zwei Klavierkonzerte von Brahms ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. 

Diese beiden Klavierkonzerte sind ja sehr anspruchsvoll, sowohl zum Hören, aber auch für Sie als Pianistin. Wie sehen Sie das?

Diese in jeder Hinsicht große und großartige Musik stellt hohe Anforderungen sowohl an den Interpreten als auch an den Zuhörer. Brahms hat ja an sich selber den Anspruch gestellt, absolute Musik zu schreiben. Die Struktur seiner Werke ist oft sehr komplex, sowohl rhythmisch, als auch in der verwobenen Melodieführung. Wie ich schon erwähnt hatte, sehe ich bei Brahms Parallelen zu Beethoven, was die Motive und die Aufarbeitung der Motive anbelangt. 

Andrea Kauten, Foto © Manfred Esser
Andrea Kauten, Foto © Manfred Esser

Allein schon die Länge dieser beiden Konzerte ist beeindruckend, dauert doch jedes rund 52 Minuten. Beide Konzerte sind sich, wie ich finde, ähnlich. Beim Ersten spürt man aber, dass es vom noch jugendlichen, stürmischen Brahms stammt. Er hat sehr lange an dem Ersten Konzert gearbeitet, bis er mit dem Resultat zufrieden war. Das Zweite wirkt wesentlich abgeklärter und hat, meines Wissens ein seltener Fall in der Literatur der Solistenkonzerte, vier Sätze.

Wie haben Sie sich diesen Stücken genähert?

Das ist ein jahrelanger Prozess. Die Aneignung der Partitur ist natürlich der erste Schritt. Bis man aber in den Fluss der Musik kommt, dauert es sehr lange, insbesondere auch bei Brahms, der ja nicht immer leicht zu verstehen ist.  Ich habe in einem Interview einmal gesagt, dass diese Konzerte für mich wie Kathedralen sind, weil sich so unendlich große Räume eröffnen, ein Universum an Emotionalität und Expressivität.

Und dann kam für Sie der richtige Zeitpunkt, sich dem jetzt zu stellen?

Ja, die Möglichkeit einer Aufnahme mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen hat sich spontan ergeben, es war sozusagen ein Glücksfall. Vor gut zwei Jahren wurde dann die Produktion realisiert

Wie war die Zusammenarbeit mit Timo Handschuh?

Nun, nicht immer einfach aufgrund unterschiedlicher Konzeptionen, aber am Schluss glaube ich, ist ein sehr schönes Resultat dabei rausgekommen.

Aber Sie haben sich bei der CD nicht auf die beiden Klavierkonzerte beschränkt, sondern haben ja noch die Klavierstücke Opus 118 dazu gespielt.

Die Idee war, zu diesen monumentalen Werken ein Alterswerk, das Opus 118, als Kontrast zu setzen. Diese abgeklärten, in sich ruhenden, intimen und berührenden Stücke sind eine Rückerinnerung bzw. eine Rückschau auf sein Leben. 

Die sind dann ja auch ruhiger?

Die Ballade, die relativ bekannt ist, ist etwas stürmischer, mit innigen und expressiven Momenten im Mittelteil. Das letzte Stück hat für mich schon etwas Jenseitiges, Entrücktes, was man übrigens auch in den langsamen Sätzen der Klavierkonzerte findet.

Wo zeigt sich in Brahms Musik seine Beziehung zu Clara Schumann?

Die Beziehung zu Clara Schumann, war eine sich über viele Jahre erstreckende Freundschaft und künstlerische Verbindung. Während der Arbeit am ersten Klavierkonzert stand er in regem Austausch mit Clara. Sie hat sozusagen teilgenommen am Entstehungsprozess der Konzerte. 

Inwieweit tauchen Sie dann auch in das Leben der Komponisten ein, wenn Sie sich mit der Musik auseinandersetzen?

Die Biografie eines Komponisten ist sicherlich auch wichtig für das Verständnis eines Werkes. Nicht zuletzt versuche ich aber, die Musik auf mich wirken zu lassen. In einem Interview wurde ich einmal gefragt, ob das Erarbeiten eines Werkes mehrheitlich auf der intellektuellen oder emotionalen Basis geschieht. Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem. Das Ausloten der musikalischen Spannungsmomente ist sicherlich auch ein Aspekt der Arbeit. Da bietet sich Brahms natürlich besonders an: Der Aufbau von harmonischer und thematischer Spannung, diese Steigerung und ihre nachfolgende Auflösung ist für mich ein Grund für die Intensität von Brahms‘ Musik.

Und wo sind da die größten Herausforderungen für Sie?

Wie schon gesagt, stellen diese Konzerte pianistisch und technisch hohe Anforderungen an den Interpreten. Entscheidend ist aber, dies in eine musikalisch intensive und expressive Interpretation umzusetzen und dies auch physisch und mental durchzuhalten.

Andrea Kauten, Foto © Manfred Esser
Andrea Kauten, Foto © Manfred Esser

Spielen Sie diese Stücke auswendig?

Die Noten stellt man sich oft hin, aber eigentlich spielt man auswendig, da man oft gar nicht die Zeit hat, in die Partitur zu schauen.

Clara Schumann hatte zu ihrer Zeit schon oft auswendig gespielt, obwohl dies damals nicht üblich war. Liszt hatte sich auch mit dieser Thematik beschäftigt. Für ihn hatte das Auswendigspielen den Aspekt des Verinnerlichens eines Werkes und nicht die Bravour der Gedächtnisleistung. Heute darf man ja als Solist wieder die Noten hinstellen, was ich persönlich eine gute Entwicklung finde.

Die CD liegt ja nun vor, gehen Sie mit Brahms dann auch auf Tournee?

Leider nicht, dies ist im Moment nicht geplant. Ich hoffe aber, dass sich dies noch ergibt und würde mich sehr darüber freuen. Immerhin habe ich vor kurzem das Klavierkonzert von Clara Schumann gespielt, womit einer der Protagonisten zum Zuge gekommen ist. Dies hätte Brahms sicher gefreut.

Frau Kauten, Sie unterrichten auch?

Ich unterrichte auch, ja. Seit zwei Jahren habe ich für eine Kollegin ein Teilpensum übernommen.

Haben Sie schon ein nächstes Projekt geplant?

Im Moment sind noch keine konkreten Aufnahmeprojekte geplant. Ideen sind durchaus da, und sobald sie konkret werden, spreche ich gerne darüber. 

Haben Sie einen ganz großen Traum, wo Sie sagen, das würde ich gerne einmal im Leben machen?

Ich würde sehr gerne die Chorfantasie von Beethoven spielen. Wie anfangs schon gesagt, ist die Klavierliteratur so unendlich groß und jedes Werk, das man spielen darf, ist beglückend.

Zum Schluss möchte noch etwas Persönliches hinzufügen. Die Produktion dieser zwei Brahms-Klavierkonzerte verdanke ich nicht zuletzt meiner langjährigen Gönnerin und Freundin. Sie ist vor einiger Zeit gestorben. An dieser Stelle möchte ich ihr posthum nochmals meinen Dank aussprechen. Sie hat die Musik von Brahms geliebt.

Andrea Kauten haben Sie herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Titelfoto © Manfred Esser

Das Album

Icon Autor lg
Als Hörfunkjournalistin habe ich die unterschiedlichsten Formate von der Live-Reportage, über Moderationen bis zum Feature bedient. In den letzten Jahren habe ich meine inhaltlichen Schwerpunkte auf die Kultur gelegt. Als Ethnologin interessiere ich mich schwerpunktmäßig für außereuropäische Literatur. Doch war Musik schon immer mein großes Hobby – Singen in vielen Chören begleitet mich durch mein Leben. Seit einiger Zeit bin ich im Vorstand von Orso Berlin e.V. an der Organisation und Durchführung von großen Konzerten in der Philharmonie mit unserem eigenen Chor und Orchester beteiligt und stehe auch auf der Bühne. Somit ergeben sich bei Gesprächen mit Profimusikern viele Anknüpfungspunkte. Es interessiert mich besonders, welchen ganz persönlichen Zugang die Musikerinnen und Musiker zu ihren jeweiligen Werken finden – oft auch verbunden mit dem Brückenschlag zu anderen Kulturen.
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