Einfach Klassik.

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Interview mit der spanischen Cembalistin Inés Moreno Uncilla

Inés Moreno, spanische Cembalistin und Expertin für Alte Musik, hat mit ihren jüngsten CD-Veröffentlichungen auf dem Label ARS zwei eindrucksvolle Projekte vorgelegt. Ihre erste CD, „Musica Española para Clavicordio“, widmet sich der spanischen Cembalomusik des Barock. In ihrer zweiten Veröffentlichung, „J. Ch. Bach: Sonaten & Arrangements“, stellt sie Johann Christian Bachs Sonaten und Mozarts Bearbeitungen der Konzerte dieses Komponisten gegenüber. Beide Alben wiederspiegeln ein tiefes Verständnis für historische Aufführungspraxis und zeugen von der Neugier dieser spanischen Musikerin auf den Klang vergangener Epochen. In diesem Interview spricht sie über ihre persönlichen Prägungen, ihre Freude an Improvisation und ihr Publikum, das sie gerne für das Abenteuer der Alten Musik gewinnen möchte. 

Was hat Sie ursprünglich zur Musik und insbesondere zum Cembalo geführt? Gab es einen entscheidenden Moment oder eine Person, die Sie inspiriert hat?

Ich bin in eine Musikerfamilie hineingeboren. Mein Großvater war Violinist, mein Onkel folgte ihm mit der Violine, und mein Vater wählte die Gitarre. Beide gingen in die Welt der Alten Musik. Meine Mutter studierte Klavier und Gitarre, entschloss sich aber, zusammen mit meinem Vater Lautenbauer zu werden – für historische Instrumente wie Vihuela, Laute und Theorbe. Als Kind begann ich mit der Violine, aber das hielt nicht lange. Dann versuchte ich es mit Klavier für ein Jahr, und irgendwann entdeckten wir in meiner Heimatstadt San Lorenzo de El Escorial eine Schule, in der man neben den normalen Schulfächern auch Musik wie an einem Konservatorium lernen konnte. Jeder Schüler spielte dort ein Instrument, und es gab eine kleine Abteilung für Alte Musik, in der das Cembalo eine Option war. So begann ich, am Centro Integrado de Música Padre Antonio Soler zu studieren. Mein Vater probte oft mit seiner Gruppe Orphenica Lyra zu Hause, was wahrscheinlich mein Interesse an Musik prägte – auch wenn ich das damals noch nicht bewusst wahrnahm. Ich würde auch sagen, dass meine Mutter mich sehr auf diesen Weg geführt hat. 

Wie würden Sie Ihren eigenen musikalischen Stil beschreiben? Welche Einflüsse prägen Ihre Interpretationen? Gibt es bestimmte Aspekte, die Sie in Ihrem Spiel betonen möchten?

Ich fühle mich stark mit spanischer Musik verbunden, was sicherlich meinen Stil beeinflusst. Aber ich spiele spanische Musik nicht auf dieselbe Weise wie deutsche oder französische Werke. Wir haben das Glück, Zugang zu vielen Quellen und Traktaten aus der Zeit dieser Komponisten zu haben, die uns helfen, zu erahnen, wie sie ihre Musik klingen lassen wollten. Diese Quellen ermöglichen uns einen genaueren Zugang und machen jedes Musikstück einzigartig. Was meine Interpretationen betrifft, fällt es mir schwer, das konkret zu beschreiben. Wenn ich spiele, lasse ich mich einfach von der Musik leiten, wie ich sie empfinde. Mein Ziel ist es, das Gefühl, das ich für diese Musik habe, den Zuhörern zu vermitteln.

Inés Moreno Uncilla
Inés Moreno Uncilla, Foto © Guy Perrenoud

Nach Ihrem letzten Soloalbum mit spanischer Cembalomusik haben Sie sich nun gemeinsam mit dem Ensemble Minué dem frühen klassischen Repertoire zugewandt. Was hat Sie dazu geführt, die Sonaten von Bach und die bearbeiteten Konzerte von Mozart auszuwählen?

Es fällt mir oft schwer, mich für eine Musikauswahl zu entscheiden, weil ich so viele Repertoirestücke mag. Ich entschied mich, zuerst das Album mit spanischer Musik aufzunehmen, weil es mein erstes war und wahrscheinlich die Musik, zu der ich die größte Verbindung habe – die mich am besten beschreibt. Aber ich habe auch das frühe klassische Repertoire immer geliebt. Während meines Studiums an der Schola Cantorum Basiliensis spielte ich zwei der drei bearbeiteten Konzerte von Mozart und fand sie sehr spannend. Ich dachte mir damals, es wäre interessant, sowohl die bearbeiteten Konzerte als auch die Originalsonaten gemeinsam zu hören, um die wenigen Unterschiede und die vielen Gemeinsamkeiten zu entdecken. Dabei stellte ich fest, dass alle Sonaten von Johann Christian Bach, aus denen diese Konzerte bearbeitet wurden, aus demselben Opus stammten – und so kam mir die Idee, das gesamte Opus aufzunehmen.

Was finden Sie an Bachs Musik besonders, das Sie in Ihrer Interpretation ausdrücken möchten?

Zuerst muss man sich immer vor Augen führen, wo Johann Christian Bach herkommt. Sein Vater, Johann Sebastian Bach, ist wahrscheinlich einer der bedeutendsten Komponisten – wenn nicht der wichtigste überhaupt. Natürlich hat Johann Christian viel von ihm gelernt, aber er ist auch ein Kind einer anderen Epoche. Was mich fasziniert, ist gerade diese Mischung aus dem Einfluss des Vaters und dem jungen, klassischen Geist, den Johann Christian selbst entwickelte. Für mich ist diese Mischung besonders deutlich in seiner Sonate VI zu erkennen: die sehr interessante Fuge, gefolgt von einem leichten, eleganten Allegretto.

Wie unterscheiden sich Mozarts Arrangements von den Originalkompositionen von Johann Christian Bach?

Ich denke, das Interessanteste ist, dass sie sich praktisch überhaupt nicht unterscheiden, außer durch einige Hinzufügungen von Tutti und ein paar Details mehr. Und das macht es so faszinierend, dieselbe wunderschöne Musik von Johann Christian zu hören und die Möglichkeit zu haben, zwei verschiedene Versionen zu erleben: einmal solo am Cembalo und dann mit einem Kammerensemble gespielt. Natürlich wird das klangliche Ergebnis anders sein, aber die Musik dahinter bleibt dieselbe.

Wie beeinflussen neue Erkenntnisse über die Geschichte der Musik Ihre Arbeit an diesem Repertoire?

Ich denke, das Wichtigste, wenn wir Kompositionen aus der Vergangenheit studieren, ist, so viel wie möglich über den Kontext zu erfahren, in dem sie entstanden sind. Welche Traktate und Dokumente haben überlebt und sind noch lesbar? Es geht darum, alle verfügbaren Informationen zu sammeln, um diese Komponisten, die wir nie persönlich kennenlernen werden, so gut wie möglich zu verstehen. Nur mit dieser Herangehensweise können wir wirklich einen Zugang zu ihnen und ihrer Musik finden und sie in ihrem ursprünglichen Kontext begreifen.

Moreno Cover

Was unterscheidet Ihr Solo-Spiel von Ihrer Interaktion mit einem Ensemble, wie es bei Ihrer letzten Aufnahme der Fall war?

In meinem Solo-Spiel konzentriere ich mich einfach darauf, wie ich die Musik empfinde und wie ich ihre Interpretation verstehe. Beim Spielen mit einem Ensemble geht es darum, miteinander zu kommunizieren. Das ist ein interessanter Prozess, bei dem wir zusammenbringen, wie jeder von uns die Musik empfindet. Es wird zu einer weiteren Sprache, die wir miteinander sprechen und das gemeinsame Musizieren fühlt sich an wie ein Gespräch.

Wie gelingt die Kommunikation zwischen dem Cembalo und diesem kleinen Ensemble?

Die hohe Kunst liegt darin, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem vollen und reichen Klang der Streichinstrumente im Tutti und dem leichteren Klang, den sie haben, wenn sie den Solisten begleiten. Zur Zeit der Entstehung der Musik für unsere neue CD war es üblich, Werke mit der Begleitung weniger Instrumente zu schreiben. In diesem speziellen Fall wurden die Konzerte mit der Begleitung von zwei Violinen und einem Cello komponiert. Dieses kleine Ensemble erzeugt einen intimeren und „kleineren“ Klang als ein großes Orchester.

Gab es besondere Meilensteine in Ihrer Ausbildung, die einen erheblichen Einfluss auf Sie hatten?

Jetzt, wo ich Kinder unterrichte, kann ich sehen, wo ich selbst mal angefangen habe und wo es schwer vorstellbar war, wie sich das Leben entwickelt und man plötzlich Musik als Beruf ausübt. Ich denke, meine Familie und meine Lehrer hatten wahrscheinlich einen großen Einfluss auf meine Entwicklung. Bevor ich in die Schweiz kam, studierte ich bei Jordan Fumadó in San Lorenzo de El Escorial, von dem ich viel lernte, und auf seinen Rat hin kam ich nach Basel, um bei Andrea Marcon zu studieren, bei dem auch Jordan zuvor studiert hatte. Andrea hat mir seitdem viel vermittelt und beigebracht.
Was denken Sie, sind die größten Herausforderungen beim Spielen historischer Instrumente wie dem Cembalo, und was fasziniert Sie daran?

Eine der größten Herausforderungen ist, dass historische Instrumente weniger bekannt und deshalb das Publikum eher klein ist. Trotzdem fasziniert es immer neu, diese Instrumente weiterhin spielen und dieses wunderschöne Repertoire mit dem Publikum zu teilen. Das hilft, diese besonderen Facetten der Vergangenheit lebendig zu halten.

Inés Moreno, Foto © Daniele Caminiti
Inés Moreno, Foto © Daniele Caminiti

Wie würden Sie Ihr Publikum beschreiben? Besteht es größtenteils aus Fans der Alten Musik, oder ist es eher gemischt?

Ich würde sagen, dass mein Publikum größtenteils aus Menschen besteht, die sich für Alte Musik interessieren. Aber das Schöne an den Konzerten ist, dass viele Leute manchmal einfach durch Zufall auf ein Konzert aufmerksam werden – sei es, weil sie es irgendwo sehen oder im Urlaub in einer Stadt sind und hören, dass ein Konzert stattfindet. Dann kommen sie spontan. Vielleicht ist es das erste Mal, dass sie Alte Musik hören. Wer weiß, vielleicht gesellen sich diese Menschen nach und nach zu denen, die sich von nun am immer für Alte Musik begeistern!

Wie gehen Sie mit Improvisation um? Ich habe gelesen, dass Sie das auch Ihren Schülern beibringen.

Ich habe Improvisation bei Dirk Börner studiert, einem unglaublichen Musiker, Lehrer und Menschen. In meinem Unterricht versuche ich, Improvisation einzubinden, weil ich sie für ein großartiges Werkzeug halte, um viele frühe musikalische Muster, wie zum Beispiel die Ostinato-Basslinien, zu verstehen. Es hilft den Schülern, sich für einen Moment von der Partitur zu lösen und sich frei zu fühlen, die Musik auszuprobieren, die ihnen in den Sinn kommt – ganz ohne Regeln. Es gibt ihnen Raum, kreativ zu experimentieren.

Wie sieht Ihr künstlerischer Alltag in der Schweiz aus,und wie genießen Sie das Leben in Ihrem gewählten Zuhause? Verbringen Sie noch viel Zeit in Spanien?

Wie bereits erwähnt, bin ich zum Studium in die Schweiz gekommen und habe mich dann entschieden zu bleiben. Hier unterrichte ich auch und leite einen Frauenchor, damit bin ich unter der Woche regelmäßig beschäftigt. Und natürlich gebe ich Konzerte, ich versuche also, Pädagogik und Interpretation zu kombinieren. Ich muss sagen, dass ich leider nicht viel Zeit habe, um nach Spanien zu reisen, aber glücklicherweise spiele ich dort immer wieder mal Konzerte und es ist jedes Mal, wenn ich wieder hinfahre. Die Schweiz hat viele Dinge, die ich anderswo nicht finden könnte, aber ich muss auch sagen, dass sie leider weder die Sonne noch die Gastronomie hat, die wir in Spanien genießen, sodass es immer ein guter Ausgleich ist, ab und zu zurückzukehren.

Was hören Sie gerne, wenn Sie eine Pause von der klassischen Musik brauchen?

Ich muss sagen, dass ich meiner Liebe zur Vergangenheit treu bleibe, also höre ich eher Cat Stevens, Simon & Garfunkel, Bob Dylan, The Beatles, Norah Jones…

Wie entspannen Sie sich nach intensiven Proben oder Aufführungen? Haben Sie Hobbys oder Rituale, die Ihnen helfen, den Kopf freizubekommen?

Ich sollte dafür eigentlich mehr Zeit finden. Aber im Moment ist meine Art, mich zu entspannen, wahrscheinlich, etwas Zeit zu Hause zu verbringen, ein Buch zu lesen oder einen schönen Spaziergang in der Natur zu machen.

Inés Moreno, vielen Dank für dieses Gespräch!

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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