Einfach Klassik.

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Interview mit Ekaterina Levental und Frank Peters zum Medtner-Projekt

Nikolai Medtner ist ein russischer Komponist, 1880 in Moskau geboren, der nach der Oktoberrevolution nach London emigrierte, wo er 1951 verstarb. Der Freund und Zeitgenosse Rachmaninows hat nie dessen Berühmtheit erreicht. Insbesondere seine Lieder sind kaum bekannt. Dies zu ändern haben sich die Mezzosopranistin Ekaterina Levental und der Pianist Frank Peters auf die Fahnen geschrieben. Wie sind Sie beide auf diesen Komponisten gekommen?

Ekaterina Levental: Ich kannte Nikolai Medtner schon länger, aber es war die eigentliche Idee von Frank. Er fragte mich vor sieben Jahren, ob ich Lust hätte,zwei Lieder von Medtner auf einem Festival in Belgien aufzuführen. Dieses Festival hatte das Thema russische Musik. Es war uns freigestellt, welchen Komponisten wir auswählen. Frank sagte, du würdest mir eine große Freude bereiten, wenn du folgendes Lied einstudieren würdest. Es war „Sleeplessness“ und als ich die Musik hörte, war ich sofort zutiefst berührt. Ich hatte das Gefühl, dass hier jemand meine innere Welt besser verstand als ich es konnte. Wir wählten noch ein anders Lied und während ich probte, fragte ich Frank, wie ist es möglich, dass solche Schönheit quasi unbekannt ist. Wir sollten das Aufnehmen. Einige Tage später entdeckte ich, dass es 108 Lieder sind, und wir beschlossen, sie alle der Welt zugänglich zu machen. Also kann Medtner durch Frank in mein Leben.

Herr Peters wodurch haben Sie Nikolai Medtner entdeckt?

Frank Peters: Ich habe Medtner über Rachmaninow gefunden. Schon als Kind und als Student war ich von Rachmaninow fasziniert, bin es immer noch und spiele seine Musik sooft ich kann. Ich erinnere mich, eines Tages kaufte ich die Partitur – ich war noch Student, es muss in den 80ern gewesen sein – vom 4. Klavierkonzert und auf der ersten Seite stand „für Nikolai Medtner“ und ich überlegte, wer ist Nikolai Medtner, er muss eine besondere Persönlichkeit sein, wenn man ihm solch ein Stück widmet. Und ich las mehr über Rachmaninow und stieß dabei immer wieder auf Medtners Namen. Sie schienen enge Freunde gewesen zu sein und Rachmaninow sagte über Medtner, er sei der größte Komponist seiner Zeit. Ich war wie elektrisiert, dass Rachmaninow so etwas sagte und wusste, ich muss herausfinden wer Medtner war, was er komponiert hat. Somit war ich immer auf der Suche nach ihm, aber das war gar nicht so einfach. 

Ekaterina Levental und Frank Peters
Ekaterina Levental und Frank Peters, Foto © Marije van den Berg

Hatte das denn noch niemand vor Ihnen getan?

F.P.: Es gab schon einige Aufnahmen, aber sie waren selten. Und ich spreche hier von den 80er Jahren, also der Zeit vor dem Internet. Es gab einige LPs und CDs mit einigen Stücken von ihm – nur ganz wenig Lieder und Partituren warenso gut wie gar nicht zu finden. Die meisten waren ausverkauft und nur noch im Antiquariat erhältlich. Ab 1985 reiste ich in die Sowjetunion, aber sogar dort war es schwierig, an Partituren zu kommen. In den letzten zwanzig Jahren haben mehr und mehr – auch sehr berühmte Musiker – seine Musik gespielt, besonders seine Solostücke und die Konzerte, aber seine Lieder waren immer noch äußerst selten zu hören. Es gab immer nur einige wenige, aber niemals eine vollständige Sammlung von allen. So war es schwierig, überhaupt einen Überblick zu erhalten. Außerdem stellte ich fest, dass es nicht ausreicht, eine gute Sängerin zu sein, eine gute Stimme zu haben, sondern man braucht eine ganz bestimmt Art und Weise, sich seiner Musik anzunehmen. Die Lieder sind sehr anspruchsvoll. Es reicht nicht, die Harmonien zu verstehen und die Technik zu beherrschen und ich wusste, ich würde den Eindruck zerstören, wenn ich nur auf die Stimme achten würde. Und dann habe ich Katja getroffen und wusste, sie ist diejenige,welche es sein kann. Deshalb habe ich sie für das Festival gefragt und es war für mich das erste Mal, diese Musik mit einer Sängerin zu teilen.

E.L.: Und es hast sofort „klick“ gemacht. Jetzt, sieben Jahre später, würde ich sagen, Medtner hat diese Musik für mich geschrieben. Es war eine so große Herausforderung, diese Lieder zu erarbeiten, denn sie sind äußerst kompliziert und sehr hoch. Manchmal schaute ich in eine Partitur und sagte mir, das ist unmöglich. Ich habe sehr gekämpft und bin an meine Grenzen gegangen und dann habe ich gemerkt, wenn ich dachte, ich hätte den Gipfel erreicht, dann gab es noch einen Weg hinter dieser Grenze durch die Empfindung der Inhalte und der Worte. Sie haben mir das Gefühl gegeben, du bist in der Lage einen Weg zu finden, wenn du es nur wirklich willst. Somit bin ich sowohl Frank als auch Medtner sehr dankbar, weil sie mich weitergebracht haben, immer neue Wege für mich zu erschließen.

F.P.:  Es gibt Sänger, die die Noten transponiert haben, damit es besser zur Stimme passt, das haben wir nie gemacht. Wir haben uns immer konkret an das Original gehalten. Medtner war wirklich einmalig als Komponist und Pianist, er wusste ganz genau was er tat, auch mit den einzelnen Tonarten. Wenn er c-Moll oder B-Dur gewählt hat, dann hatte das einen ganz bestimmten Grund. Man kann da nicht einfach einen Ton höher oder tiefer spielen, damit es einfacher zu singen ist; damit würde man die Farbe und den Charakter verändern.

E.L.: Ich glaube, Medtner hat manchmal nicht genau berücksichtigt, was menschliche Stimmen eigentlich leisten können, dass hat Rachmaninow sehr viel besser getan. Aber Medtner hat eine tiefere Bedeutung in seinen Kompositionen erfasst. Nicht in Bezug auf die Technik, die die Sänger brauchen, das war ihm egal, aber er hat genau die Bedeutung der Worte des Textes erfasst und das, was er für ihn bedeutet, hat er in Musik umgewandelt. Für mich hat das einen Wechsel in dem, was ich denke, hervorgebracht. Ich habe zuerst die tiefere Bedeutung des Textes zu erfassen versucht und dann nach der Technik gesucht, um dies umzusetzen. 

Frank Peters
Frank Peters, Foto © Marije van den Berg

Heutzutage wird häufig die Frage gestellt, wie kann man in diesen Zeiten russische Komponisten spielen; auch wenn die Weltlage vor sieben Jahren als Sie mit dem Medtner Projekt begonnen haben noch eine ganz andere war. Wie stehen Sie dazu?

F.P.: Lassen Sie uns das etwas genauer betrachten. Das Tragische ist, dass wir jetzt in Berlin sind und Medtner genau vor einhundert Jahren auch hier war. Er kam als Flüchtling aus der Sowjetunion. Medtner war ein Komponist mit engen Verbindungen zu Deutschland, sein Name ist ein deutscher – wie viele Namen Richter, Eisenstein – viele dieser Deutschen kamen in der Zeit von Katharina der Großen und Peter dem Großen nach Russland. In der Medtner Familie wurde Deutsch gesprochen und er wuchs auf mit Beethoven, Wagner, Nietzsche, Goethe aber gleichzeitig auch mit Puschkin, Mussorgsky. Er hat von der Verschmelzung dieser Einflüsse profitiert. Sollten wir heutzutage sagen, er kam aus Russland und deshalb spielen wir jetzt seine Musik nicht mehr? Ich denke,seine Musik überwindet Grenzen und Nationalitäten und schafft eine universelle Form der Kultur als ein menschliches Produkt. Für mich gibt es überhaupt keinen Grund russische Musik nicht zu spielen. Was heutzutage passiert, hat mit diese Personen nichts zu tun und auch nicht mit ihrem kulturellen Hintergrund. In den Niederlanden gibt es einen sehr berühmten Übersetzer, Hans Boland, er hat das komplette Werk von Puschkin übersetzt. Er sollte 2014 den offiziellen russischen Staatspreis für seine Übersetzungen verliehen bekommen und es wurde angekündigt, dass Wladimir Putin den Preis persönlich überreichen würde. Hans Boland hat diesen Preis abgelehnt. Er hat einen offenen Brief nach Moskau geschickt, der dort natürlich nie veröffentlich wurde, darin stand in etwa, dass wofür Sie stehen und wofür ich stehe hat absolut nichts miteinander zu tun, ich meine die Kultur von Puschkin, Dostojewski, Tschaikowski und Rachmaninow. Sie hat nichts zu tun mit der schmutzigen politischen Atmosphäre, die Sie geschaffen haben. Wir können Putin und seine Freunde ausschließen, aber nicht die russische Musik der Vergangenheit. Im zweiten Weltkrieg wurde St. Petersburg fast 900 Tage von den Deutschen besetzt. Das war eine grausame Zeit, die Menschen starben vor Hunger und es gab unendlich viel Gewalt, aber auch Konzerte und dort wurde Beethoven gespielt.

Sie kommen inzwischen zum Abschluss des Medtner Projekts mit der letzten CD. Lassen Sie uns darüber sprechen. Was ist besonders auf ihr zu hören?

F.P.: Wir sind jetzt bei der fünften CD angekommen. Sie ist die einzige auf der es drei Sprachen gibt, genau zwei Sprachen und einmal Vokalisen. Die meisten Lieder sind auf Deutsch, einige auf Russisch und ein größeres Stück ist ohne Text, nur mit Vokalise. Die ersten drei CDs waren komplett auf Russisch, überwiegend mit Texten von Puschkin und Tjutschew, die Texte der vierten CD sind von Goethe und Heine und hier haben wir Nietzsche, Goethe, Eichendorff, Chamisso, Puschkin, Tjutschew und Hesse. Diese Mischung auch noch mit einer Vokalise ist sehr reizvoll. 

E.L.:  Medtner hat zwei große Werke mit einer Vokalise, eine Sonate, die wir schon früher aufgenommen haben und nun diese Sonate, die eine klarere Form hat als die vorherige. Jemand hat von Medtner gesagt, dass er schon mit der Form der Sonate in sich „geboren wurde“. Für mich als Sängerin ist es eine besondere Herausforderung ein Lied ohne Text zu haben für mehr als zwanzig Minuten. Das ist sehr fordernd und du musst genau auf deine Technik achten mit dem Vokal A – ich glaube, er ist für die meisten Sänger ein schwieriger Vokal. Was mir wirklich die Kraft verliehen hat, mich mit dem Ganzen auseinanderzusetzen, war das Gedicht „Geweihter Platz“, das ist auch der Name dieser CD, und es ist das Motto dieser Vokalise und er hat den Text zweimal genutzt. So gibt es zwei unterschiedliche Lieder auf dieser CD, die sich auf denselben Text berufen. „Geweihter Platz“ erzählt die Geschichte eines Dichters, der lernt, Reden zu halten. Er ist von den Musen, die von dem Olympgekommen sind, unterrichtet worden, sie tanzen und singen und er beobachtet sie völlig fasziniert. Er kommt zu ihnen und versucht, seine Gefühle zu beschreiben und sie stoppen ihn und lehren ihn, sich ganz bescheiden zu äußern. Und dann beginnt die Sonate ohne Worte. Diese Bescheidenheit, also bescheiden und großzügig gleichzeitig zu sein, sich an der Spitze der eigene Welt zu fühlen und zugleich Gott zu sein, das ist phantastisch. Die kleinen und großen Gefühle in einer Komposition, es ist wirklich schön nach diesenunterschiedlichen Gefühlen zu suchen und den eigenen Weg dabei zu finden, um mit dem Publikum zu kommunizieren. Es ist für mich als Sängerin eine wunderbare Erfahrung bei der Aufführung festzustellen, dass das Publikum mich auch ohne Worte verstehen kann. Sie hängen wirklich an meinen Lippen und das ist verblüffend zu sehen, dass es funktioniert und er mir die Sprache gibt, mit jemandem ohne Worte zu kommunizieren. Das empfinde ich als ein großes Geschenk. 

Es ist wirklich erstaunlich, dass dies funktionieren kann, nachdem Sie mir vorher gesagt haben, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Text für Ihre Interpretation ist. 

E.L.:  Ich geben Ihnen ein konkretes Beispiel. Nehmen wir das Wort „Frieden“ und die Noten dazu gehen über eine halbe Seite, das kann man so nicht singen. Also frage ich mich, was bedeutet das Wort „Frieden“ für mich, wie empfinde ich „Frieden“ und dann suche ich dieses Gefühl in mir. Und mit diesem Gefühl bekomme ich die Kraft, diese Seite zu singen. Und wenn es gar keine Worte gibt, muss ich mich fragen, was bedeutet diese Notenführung für mich und wenn ich mir, Katja Levental, diese Frage stelle, finde ich vielleicht die Kraft. Wenn nicht, dann ist man nur damit beschäftigt zu denken, ich muss jetzt diese Noten singen und das macht den Unterschied aus. 

Für einen Pianisten gibt es weniger technische Beschränkungen. Inwieweit müssen Sie, Herr Peters, sich auch in die Komposition einfühlen?

F.P.: Natürlich sind die technischen und physischen Herausforderungen für mich ganz andere als für die Sängerin. Ich habe nicht das Problem mit dem Atem oder der Intonation, aber die Klavierteile bei Medtner sind außerordentlich komplex – auch hier hat er keine Gnade, er schreibt nicht für das Vergnügen der ausübenden Künstler. Er schreibt aus einem größeren Ansporn und nicht, um denjenigen zu gefallen, die seine Musik kaufen. Deshalb ist er niemals so erfolgreich geworden. Auch seine Verleger haben zu ihm gesagt, was du schreibst ist zu anspruchsvoll, das kann niemand spielen. Ich denke bei der Musik wenig in Worten. Natürlich höre ich bei den Liedern auf den Text und die Bedeutung der einzelnen Worte, insbesondere zum Schluss der Arbeit. Aber zum Beginn muss ich mich mit meinem Instrument organisieren – mit meinem Orchester, um herauszufinden, wo die Leitstimme liegt, welcher Teil eine Richtung vorgibt oder mehr den Hintergrund reflektiert. Also gibt es viele Fragen, die gelöst werden müssen und dann studiere ich natürlich mit Katja zusammen den Text. Das Ganze ist wirklich ein gemeinsamer Prozess. Ich komme niemals in eine Probe und sage, genau so werde ich es spielen und du singen – wir entwickeln alles gemeinsam. Manchmal finden wir etwas heraus und bei der nächsten Probe sagen wir, nein, da muss es noch etwas anderes geben und das ist dann sehr interessant.

E.L.: Die Lieder sind für die aufführenden Künstler sehr herausfordernd. Zu seinen Lebzeiten waren die Menschen in seiner Umgebung überrascht, dass Medtner nicht die Aufmerksamkeit bekam, die er verdient hätte, das war ungewöhnlich. Seine Klavierstücke fanden alle sehr schön, aber bei den Liedern war auch der Teil für den Pianisten sehr schwer. Als Sängerin muss ich sagen, es ist eine große Arbeit, aber man erhält wirklich etwas Neues. Er hat mich auf eine Art und Weise herausgefordert, die ich in meiner ganzen Gesangskarriere davor nicht kannte. So hoffe ich, dass viel Sänger dies sehen werden und als Chance begreifen, sich wirklich weiterzuentwickeln.

Ekaterina Levental, Foto © Eric Brinkhorst
Ekaterina Levental, Foto © Eric Brinkhorst

Diese intensive Arbeit über sieben Jahre hat Sie beiden sicherlich sehr eng miteinander verbunden, aber Sie machen auch alleine ganz unterschiedliche Dinge. Katja, Sie leiten ein Musiktheater und spielen Harfe, Frank Sie unterrichten an der Universität. Planen Sie für die Zukunft eine weitere, enge Zusammenarbeit?

F.P.: Ich kann nur für mich sprechen, aber ich empfinde es als sehr schwierig diese Verbindung jetzt abzubrechen. Es muss und wird weitergehen. Wir haben jetzt die Aufnahmen der CD abgeschlossen, aber wir freuen uns darauf, diese Musik live dem Publikum zu präsentieren.

E.L.: Ich denke, wir lieben beide dieser Musik so sehr und wir haben so viel Kraft darin investiert, dass wir jetzt  bereit sind für die Auftritte.

Gibt es schon konkrete Pläne?

E.L.: Deshalb sind wir hier in Berlin. Wir denken, diese Musik braucht eine größere Bühne und wir hoffe in dieser Stadt die Aufmerksamkeit dafür zu bekommen. Liederabende sind immer etwas schwierig.

F.P.: Aber wir haben schon mehrere gestaltet und das Publikum war sehr angetan und verwundert, weil es Medtner noch nie gehört hat. Wir werden auch eine internationale Kampagne starten mit unserem Presseagenten. 

Haben Sie auch Pläne, die über dieses Projekt hinausgehen?

E.K.: Ich glaube, das darf ich schon verraten, wir wollen uns demnächst den Liedern von Rachmaninow widmen. Wir sind sozusagen auf den Geschmack gekommen. Ich finde es immer sehr herausfordernd, wenn ich mich so stark auf eine Sache fokussiere. Es geht mir um die Ästhetik und die Sprache, die die beiden Komponisten für ihre Musik gewählt haben, sie ist jedes Mal etwas anders, aber es geht immer wieder darum, die Realität umzuformen oder zu transformieren. Das war für beide der Ansporn ihre Musik zu schreiben. Sie haben das auf unterschiedliche Art bemacht, aber es ist für mich sehr spannend dies herauszuarbeiten bei Medtner und Rachmaninow. Ich denke, ich habe intuitiv verstanden, was die beiden ausdrücken wollten und ich möchte dies gern mit der Welt teilen.

Denken Sie, das hat etwas mit ihrer Herkunft zu tun, Sie stammen ja aus Usbekistan?

E.L.: Es hat etwas mit der Sprache zu tun und mit der Ästhetik, mit der ich aufgewachsen bin und den romantischen Ideen, die ich als Kind hatte, mit der Literatur, mit Puschkin, mit idealistischen Mädchenträumen, mit Vorstellungen von einer anderen Welt. Diese Welt hat mich sehr angezogen und ich habe sieverstanden, ich konnte sie fühlen und ich denke, da ist ein großes Wissen in mir. Diese Empfindungen möchte ich sehr gerne teilen, weil ich glaube, dass es auch heutzutage sehr hilfreich ist, diese zu erkennen, um mit Schmerz umzugehen, den wir alle haben. Mir hilft das sehr, mein Leben zu führen, sie haben in ihrer Musik gezeigt, wie sie es getan haben. Für mich ist das hilfreich und ich kann mir vorstellen, für anderen auch.

Wie können Sie, Herr Peters, dies nachempfinden, ohne eine sogenannte „russische Seele“ zu haben.

F.P.: Sie unterstellen mir, dass ich keine „russische Seele“ habe? Ich kann zumindest sagen, dass ich sehr vertraut mit dieser Kultur bin. Schon als Siebenjähriger fühlte ich mich zu dem Land sehr hingezogen, ohne konkret sagen zu können, was das bedeutet. Ich spreche von der Sowjetunion, bzw.Russland, und auch der Ukraine – leider war ich nie in Usbekistan. Ich war sehr oft dort und habe sehr viel der klassischen russischen Literatur gelesen, habe die Sprache etwas gelernt. Ich liebe Wodka und kann russisch kochen, ich habe russische Studenten ich spiele russische Konzerte … soll ich fortfahren?

E.L.: Ich denke, wir müssen keine Russen sein, um diese Künstler zu verstehen. Es ist nicht russisch sondern etwas was sie gesucht haben – es war eine andere Welt, eine andere Zeit – und die Tatsache, dass sie jeden durch ihre Musik erreichen können, zeigt, dass sie universell ist. Ich bin damit aufgewachsen. Wenn du das Gefühl hast, dass du etwas wahrnehmen kannst, dann ist das auch tatsächlich so. 

F.P. : Es geht dabei nicht nur um Ästhetik, denn die ist in der Außenwelt, es geht um etwas Inneres und das ist sehr wichtig, weil es die Menschen einlädt sich selber zu öffnen und ich denke, Medtner hat dies auf eine wundervolle Art geschafft – wie letztendlich alle großen Künstler, sei es in der Musik, der Malerei oder der Literatur.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses offene und sehr persönliche Gespräch.

Titelfoto © Eric Brinkhorst

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Als Hörfunkjournalistin habe ich die unterschiedlichsten Formate von der Live-Reportage, über Moderationen bis zum Feature bedient. In den letzten Jahren habe ich meine inhaltlichen Schwerpunkte auf die Kultur gelegt. Als Ethnologin interessiere ich mich schwerpunktmäßig für außereuropäische Literatur. Doch war Musik schon immer mein großes Hobby – Singen in vielen Chören begleitet mich durch mein Leben. Seit einiger Zeit bin ich im Vorstand von Orso Berlin e.V. an der Organisation und Durchführung von großen Konzerten in der Philharmonie mit unserem eigenen Chor und Orchester beteiligt und stehe auch auf der Bühne. Somit ergeben sich bei Gesprächen mit Profimusikern viele Anknüpfungspunkte. Es interessiert mich besonders, welchen ganz persönlichen Zugang die Musikerinnen und Musiker zu ihren jeweiligen Werken finden – oft auch verbunden mit dem Brückenschlag zu anderen Kulturen.
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