Der Triangelspieler im Orchester, wie ihn Georg Kreislers Lied beschreibt, mag noch auf seinen Einsatz warten – derweil ist in Louie’s Cage Percussion schon deutlich mehr los. Acht Wiener Schlagwerker wollten sich nicht auf die klassischen Bahnen der Orchestermusik beschränken und haben sich mit ihrem originellen Ausnahmeensemble eine kreative Spielwiese geschaffen. Mit „pure“ präsentieren die schlagkräftigen Wiener nun ein Album, das sowohl die Vielseitigkeit ihrer musikalischen Interessen als auch ihre Liebe zu humorvollen Inszenierungen widerspiegelt. Florian Klinger beschrieb den Spaß und auch den künstlerischen Ernst, mit dem das Ensemble den Käfig der Konventionen sprengt und damit seinem Publikum neue Erfahrungen schenkt.
Wie ist es zur Gründung von Louie`s Cage Percussion gekommen?
Wir haben alle klassisches Schlagwerk studiert und gemeinsam Probespiele gemacht für Orchester. Ja, wir standen sozusagen in einer Art und Weise in Konkurrenz zueinander und waren dann irgendwie gar nicht so happy, was uns die Universitäten so angeboten haben im Ensemblespiel.
Was hat gefehlt?
Auf den Unis hat uns zum damaligen Zeitpunkt die Auswahl des Repertoires und die Kreativität gefehlt. Und der Orchesteralltag, der normalerweise auf das klassische Schlagwerk-Studium folgt, bietet ja manchmal auch etwas wenig Raum, um sich frei zu entfalten. Kennst du das Lied von Georg Kreisler über den Triangelspieler im Orchester? Es handelt davon, dass der Triangelspieler das ganze Konzert lang hinten sitzt und auf seinen Einsatz wartet. Und das beschreibt ja prinzipiell den Orchesteralltag eines Orchester-Schlagwerkers. Aber bitte nicht falsch verstehen: Wir musizieren sehr gerne in Orchestern, aber wir teilen alle das Bedürfnis, uns noch mehr austoben zu wollen.Wir wollten etwas Eigenes machen, wo wir unsere Interessen ausleben können, in verschiedenen Genres von Jazz über Pop, Funk etc und das gemischt mit klassischer Musik. Wir wollten auch etwas haben, wo wir selbst komponieren können, weil das viele von uns gerne machen und hatten darüber hinaus Lust, mal schauspielerische Einlagen auszuprobieren und weiterzuentwickeln. Aus dieser Idee kam auch der Name Louie’s Cage Percussion.
Das musst du mir genauer erklären.
Der Name stammt aus den Studienzeiten und war ursprünglich ein Arbeitstitel. Symbolisch gemeint war ein Affenkäfig, eben weil wir uns ein bisschen so gefühlt haben wie ein Käfig voller Affen, die darin alles ausprobieren und forschen können, ohne Rücksicht auf irgendetwas anderes. Daraus ist dann ein etwas „internationaler“ klingender Titel geworden, der auf den King Louie aus dem Dschungelbuch anspielt und dann erwies sich eine Verbindung zu John Cage als reizvoll, der ja als großer Innovator auch viele Stücke für unser Instrumentarium geschrieben hat.
![Louie’s Cage Percussion](https://orchestergraben.com/wp-bs2021/wp-content/uploads/2024/12/Klimt_cut_3_422HQ-final_sound.mp4_20230412_145249.880-1024x576.jpg)
Es haben ja auch einige Orchesterkompositionen den Weg auf die neue CD Pure gefunden.
Genau, deswegen sind ja auch Stücke von Debussy und Verdi im Programm, eben weil das Stücke sind, die wir im Orchester spielen, aber normalerweise selbst dabei nie die wirklich spannenden umfangreichsten Stimmen haben. Jetzt haben wir die Möglichkeit, auch mal die Geigenstimmen selbst zu übernehmen.
Ihr seid ja wirklich extrem konsequent an die Sache herangegangen und werdet auch weit über den Klassikbereich hinaus wahrgenommen, macht Konzerte in großen Hallen, was oft schon einen Popmusik-Nimbus hat. Was treibt euch an?
Uns ist eine funktionierende Livedramaturgie sehr wichtig, in der das Ganze als ein großes, zusammenhängendes Konzept wahrnehmbar ist. Es geht uns auch um die visuelle Komponente. Unsere Live-Nummern sind choreografiert und jeder Übergang von einem Song zum nächsten hat eine spezielle Dramaturgie. Es gibt bei uns nie den klassischen Moment, wo ein Stück endet, Applaus kommt und dann geht’s weiter. Sogar die Umbauten stellen wir dramaturgisch dar. Es ist alles durchdacht und fügt sich zu einem Gesamterlebnis zusammen. Man könnte das vielleicht „Show“ nennen, aber das klingt für Außenstehende manchmal etwas negativ und kommerziell. Wir sehen es eher als Konzert, aber eben mit einer dramatischeren Ausrichtung. Und ja, wir machen auf der Bühne nicht nur Musik, sondern schauspielern auch gerne – und zwar auf eine humorvolle Weise. Wir sind ja eigentlich alle ziemlich lustig und bringen das auch rüber, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Humorvolle Einlagen und kleine Sketches gehören einfach dazu.
Manchmal fliegt sogar jemand durch die Luft, wie ich gesehen habe…
Ja, das war aus dem Programm mit einem Sinfonieorchester. Da gab es am Schluss eine große Choreografie, bei der wir dann einen von uns in die Höhe geworfen haben.
Was habt ihr für ein Publikum und wie geht ihr mit ihm um in den Konzerten?
Bei unseren Konzerten sitzen Leute von 6 9 bis 90 Jahren im Publikum – und jeder findet etwas, das ihm gefällt. Diese Mischung aus verschiedenen Musikstilen und humorvollen Elementen ermöglicht es uns, ein ziemlich vielseitiges Publikum zu erreichen und unterschiedliche Altersgruppen und soziale Schichten anzusprechen.
Wie begegnet ihr dem immer noch stark verbreiteten Schubladendenken, wenn es um Musik geht?
Unser Programm ist extrem vielfältig, und das macht es vor allem für Veranstalter manchmal nicht ganz einfach. Wir bedienen eben nicht ein bestimmtes „Genre“. Gerade bei klassischen Veranstaltern ist es oft noch so, dass alles in bestimmte Kategorien wie symphonische Dichtung oder Kammermusik eingeteilt wird, und vielleicht gibt es mal ein Crossover. Bei uns ist das alles nicht so klar und man weiß nicht, wo man uns hinstecken soll. Das ist manchmal eine Herausforderung, aber auch Teil dessen, was uns als Band am meisten ausmacht.
Ist das Album Pure eine Art Gesamtresümee eurer bisherigen musikalischen Entwicklung?
Unsere vorigen Programme waren dramaturgischer gedacht und es gab eine durchgehende Storyline. Das neue Album „Pure“ möchte sich jetzt mehr der Musik widmen. Das heißt nicht, dass die anderen Programme weniger musikalisch sind, aber hier haben wir wirklich die Stücke ausgesucht, die wir spielen wollen und danach einen roten Faden drumherum gebaut. Bei den anderen Programmen war es oftmals umgekehrt, dass wir zuerst die Story hatten und dann die Musik angepasst und komponiert haben. Hier geht es allein um die „pure“ Musik, die wir spielen möchten.
Wie habt ihr die neuen Stücke erarbeitet und wie ist die Rollenverteilung bei euch?
Wir entscheiden alles demokratisch. Das heißt, jemand von uns komponiert etwas, nimmt das mit ins Ensemble und dann ist es selten so, dass es genau so gespielt wird. Jeder bringt seine Kommentare ein und dann wird das nochmal überarbeitet. So demokratisch geht es sonst in den anderen Ensembles meist nicht zu. Das hat zwar den Nachteil, dass alles länger dauert und mehr Arbeit ist, aber der große Vorteil ist, dass es immer unser gemeinsames Produkt ist. Manche Kompositionen sind schon sehr fix und es gibt wenig Einwände, andere haben mehr Einwände und alles wird immer gemeinsam erarbeitet. Und wir spielen alles auswendig und das ist auch eine ziemliche Action.
Ist auswendig spielen nicht überhaupt die Voraussetzung, wenn ihr euch ständig zwischen so vielen, oft sehr großen Instrumenten hin und her bewegt?
Das sowieso, aber generell ist der Notenständer auch immer eine Barriere zum Publikum. Bei uns würde das gar nicht gehen, weil eben die visuelle Komponente so wichtig ist.
![Louie’s Cage Percussion](https://orchestergraben.com/wp-bs2021/wp-content/uploads/2024/12/tonkuenstler__15_-1024x682.webp)
In der letzten Nummer, La Forza del Destino, seid ihr ja sehr humoristisch, ja satirisch unterwegs mit einer schrägen Zitaten-Collage, in der schließlich sogar Discomusik erklingt. Was war die Idee dahinter?
Genau, das ist die Nummer, die am ehesten an die anderen Programme anknüpft und die Vielfältigkeit unseres Werdegangs zeigt. Wir sind da gerne auch etwas schamlos und machen einfach das, was wir wollen und nehmen kein Blatt in vor den Mund.
Die Stücke von Pure sind nicht nur musikalisch spannend, sondern markieren auch, allein durch die vielen Materialien und Instrumente eine aufregende Klangerfahrung. Welche Herausforderung stellt sich, acht Percussion-Spieler in dieser Brillanz aufzunehmen?
Die Herausforderung bei der Aufnahme liegt vor allem in der Komplexität unserer Musik und der Vielfalt und Anzahl der Instrumente. Wir bringen auch auf Konzerten unsere eigene Tontechnik mit, eben weil es zu aufwendig wäre, das mit einem externen Tontechniker vor Ort zu managen. Live sind es zum Beispiel 34 Inputs, also an die 34 Mikrofone, was schon eine ganze Menge ist. Aber genau das ist auch der Reiz: Für die Techniker ist es eine willkommene Abwechslung zur Routine, und sie haben oft Freude daran, weil es eine Herausforderung ist, die immer wieder neue kreative Lösungen verlangt. Durch die jahrelange Zusammenarbeit haben wir eine sehr präzise Vorstellung davon entwickelt, wie der Sound in jedem Stück klingen soll, sowohl live als auch im Studio. Im Studio ist der Aufwand natürlich noch größer und die Wechsel zwischen den Stücken sind sehr komplex.
Ihr habt gerade ein Release-Konzert in Wien gespielt. Wie geht es jetzt weiter mit dem aktuellen Programm?
Wir haben jetzt etwas Pause, dann geht es im Februar in Frankfurt weiter und im Juni spielen wir in Hamburg in der Elbphilharmonie und im August zum Schleswig Holstein Musikfestival mit einigen Konzerten.
Ich bedanke mich sehr für dieses spannende Gespräch.