Einfach Klassik.

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Interview mit Lukas Hasler zu seiner neuen CD „A Portrait“

Der 28-jährige Lukas Hasler gehört zu den erfolgreichsten Organisten der Welt in den neuen Medien. Zurzeit lebt und arbeitet er als Doktorand an der University of Southern California in Los Angeles, wo er u.a. bei Cherry Rohdes studiert. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, ist er auf internationalen Bühnen ein gern gesehener Gast. Kürzlich spielte er in der Philharmonie von Almaty in Kasachstan. Nun liegt auch seine Debüt-CD untern dem Titel „A Portrait“ vor.

Wer so erfolgreich ist, muss früh angefangen haben. Da eine Orgel ja nicht immer zur Verfügung steht, wollte ich von Lukas zuerst wissen, wie er zum Orgelspiel gekommen ist. 

Lukas Hasler: Das war der klassische Weg, aber ich nenne das immer  Integrationsmaßnahme. Also meine Eltern und ich, wir zogen damals in einen ganz kleinen Ort in der Mitte der Alpen, in der Obersteiermark. Und da gab es dann mehrere Möglichkeiten, entweder in den Fußballclub zu gehen oder ich war eben ein Messdiener, weil mein Sitznachbar in der Grundschule auch Messdiener war. Und ja, der Organist starb und ich spielte damals in einer kirchlichen Band Klavier. Da kam dann die Frage, möchtest du nicht mal auch dieses Instrument ausprobieren? Und ich war schon immer fasziniert von diesem Klang. Ich habe es ausprobiert und bin dabei hängen geblieben und spiele auch jetzt noch in dieser Pfarre, wenn ich da bin. Es ist eine ganz, ganz kleine Orgel, ganz süß, historisch, ein süßes Instrument und bin immer vom Klang fasziniert, weil die Orgel nicht nur eine Riesenmaschine ist, sondern weil man einerseits Dirigent ist und gleichzeitig auch Herr über die Töne an sich. Das heißt, ich bin Musiker, ausführender Musiker und gleichzeitig Dirigent für mein eigenes Orchester. Ich bin faktisch richtig autark, und das macht dieses Instrument für mich so spannend.

Du hast mit 10 Jahren angefangen, als Kind. So eine Orgel ist ja riesig, da muss man auch mit den Füßen ganz viel tun. Das stelle ich mir kompliziert vor.

Das war am Anfang herausfordernd, wenn man sich die Orgel vorstellt, hat es ja auch ganz viel mit Ergonomie zu tun. Also die Füße, die Beine müssen lang genug sein. Dann auch, um die ganzen unterschiedlichen Manuale zu erreichen, es kann ein sehr unbequemes Instrument sein, je nachdem wie man ergonomisch ist, wächst man ja mit dem Instrument. Mittlerweile gibt es schon für Kinder, sogar sechsjährige oder noch jüngere Pedalaufsätze, die man da rauflegen kann, um auch jüngeren Menschen das Orgelspiel zu ermöglichen. Bei mir ging es am Anfang relativ gut mit dem Händen und man beginnt dann langsam mit dem Pedal. Es ging schon irgendwie, aber ich merkte noch, besonders vom Gleichgewicht her, als junger Mensch, man muss da reinwachsen, man muss mit dem Instrument mitwachsen. 

Aber das ist deine große Liebe? 

Ja, auf jeden Fall. Also die Orgel ist einfach faszinierend, besonders weil jedes Instrument ein Unikat ist. Natürlich würde man das jetzt auch von einem Saxofon, von einer Klarinette behaupten, klar, und ist auch sehr oft so, besonders im höherpreisigen Segment, aber eine Orgel hat wirklich ihren ganz eigenen Charakter. Es gibt einfach keinen Bausatz. Eine Orgel kann unbegrenzt viele Pfeifen haben, es beginnt bei 100 Pfeifen und endet irgendwie bei zehntausenden Pfeifen. Die Vielfalt ist einfach unglaublich. Das macht es einerseits auch interessant, besonders vor Konzerten, weil man oft große Vorbereitungszeit braucht, um sich auf dieses neue Instrument einzulassen. Es macht aber auch unglaublich viel Spaß, weil jede Orgel durch ihren Charakter besonders klingt, auch in den Räumen; Unterschied zwischen Konzerthaus und Kirche. Und da muss man dann das Spiel anpassen. Also es gibt nicht so diesen normalen Modus. Ich spiele ein Stück immer gleich – das geht auf der Orgel einfach nicht, weil der Anschlag unterschiedlich ist, weil die Akustik unterschiedlich ist, der Nachhall, mal länger, mal kürzer, das Instrument an sich anders reagiert und deswegen muss man sich immer wieder ganz von vorne drauf einstellen. Das macht es unglaublich spannend, aber auch unglaublich arbeitsintensiv.

Lukas Hasler

Du hast ja deine Ausbildung sehr schnell gemacht. Was sind die wichtigsten Meilensteine für dich?  Wo kannst du sagen, das waren Impulse, durch die ich immer weitergekommen bin? Mit 28 Doktorand in Kalifornien zu sein, da gehört schon ein bisschen Wunderkind dazu.

Ich kam mit 16 in die Vorbereitungsklasse der Kunstuniversität in Graz und von da an ging es dann eigentlich ganz rasch in den Bachelor-Lehrgang, dann in den Master-Lehrgang, das war so sehr, sehr fließend. Es war nie so ein großer Plan dahinter, sondern es floss irgendwie. Ich habe in Graz bei meinem ersten Hauptprofessor, Ulrich Walter sehr, sehr viel gelernt und wirklich da das gesamte Rüstzeug bekommen. Ich war dann in Frankreich für ein Jahr, in Straßburg, jetzt in den USA und das alles spielt sehr zusammen, weil ich in unterschiedlichsten Bereichen Experten hatte oder habe. Das heißt wirklich für das Barocke, Deutsch-barocke oder überhaupt die deutsche Kultur in Graz, das Französische, französische Romantik in Straßburg und auch jetzt in gewisser Weise eine Zusammenschau all dieser Epochen in den USA, was sehr interessant ist. Ich wollte immer schon in die USA, spielte dort ja schon oft und das war dann für mich irgendwie der logische Abschluss, dass ich jetzt endgültig mal in die USA gehe.

Wie lange wirst du noch dableiben?

Ich versuche das als Sprungbrett zu nehmen für wirklich längere Zeit. Ich habe jetzt mein Leben aufgeteilt zwischen Österreich und Los Angeles, so 50-50 und daran sollte sich in absehbarer Zukunft auch nichts ändern. Das ist perfekt, weil auch für all meine Konzerte in den USA natürlich Los Angeles ein super Standort ist. Auch die ganze Filmmusik, John Williams ist faktisch um die Haustüre und unterrichtet da, George Lucas unterrichtet bei uns an der Universität. Das ist unglaublich und gleichzeitig bin ich Europäer durch und durch, ich liebe die Geschichte und deswegen könnte ich mir auch nicht vorstellen, nur in den USA zu leben. Ich brauche auch diese unsere alte, gediegene Kultur, die europäische und das ergänzt sich super.

Nun liegt erstmals eine CD von dir vor unter dem Titel „A Portrait“. Wie hast du die zusammengestellt?

„A Portrait“ spiegelt faktisch mein musikalisches Schaffen bis jetzt wieder. Sie ist aufgebaut wie ein Konzert. Das heißt, man findet auch tatsächlich eine Erklärung als eigenen Track drauf, wo ich spreche, also mein Publikum sozusagen direkt anspreche. Es ist eine Wanderung durch die Zeit, aber mit besonderem Schwerpunkt auf Bach. Aber Bach in allerlei Facetten, also nicht nur in der historischen Form, wie wir ihn kennen, sondern auch in der romantischen Form. Besonders ein guter Kollege von Max Reger, Karl Straube sein Name, war sehr stark in der Bearbeitung Bachs, auch für die romantischen Ohren, für größere Orgel, mit diesem Crescendo, also dass man Bach jetzt nicht von Anfang bis zum Ende im Plenum durchspielt, also volles Werk, volle Orgel, sondern eine Fuge zum Beispiel im Piano startet und die sich dann entwickelt in großer romantischer Form und im Tutti endet. Das habe ich versucht, auf die Orgel zu übertragen – das versuchte damals schon Karl Straube. Dies war dann Mitte des 20. Jahrhunderts ziemlich verpönt, weil man da wieder so zurückging in das Pure und Bach als rein. Ich versuchte das sozusagen wieder auszugraben und diesen romantischen Anspruch auch bei Bach wieder zu entdecken. Das gelang mir mit der Orgel, glaube ich, ganz gut. Das ist in Graz aufgenommen, eine deutsch-romantische Orgel und das machte wirklich Spaß.

Die Begeisterung für die Romantik blüht. Die Menschen stürmen die Caspar David Friedrich Ausstellung. Wir brauchen offensichtlich wieder Gefühle in diesen Zeiten. 

Das sehe ich auch so und Bach steckt ja voller Gefühle. Und das Schöne an guter Musik ist, man kann gute Musik nie zerstören. Dieser romantische Blick auf Bach bereichert in gewisser Weise und zeigt, wie man von dieser Zeit aufblickt, wenn ich jetzt denke an Mendelssohn, der ja Bach sozusagen wiederentdeckt hat  mit der Aufführung der Passionen, sieht man einen ganz großen romantischen Blick auf Bach. Ich finde, den zu verteufeln, da tut man nichts Gutes. Das ist wirklich ein Zeitdokument und unglaublich spannend in unserer jetzigen Zeit wieder. 

Besonders die jungen Künstler suchen nach neuen Wegen, um ihr Publikum zu finden und zu begeistern. Auf einer klassischen CD ein Track, wo jemand spricht, ist eher ungewöhnlich. Du hast ja auch Marketing und Medienmanagement studiert in Hamburg. Ist das dem ein bisschen geschuldet?

Die platte Antwort wäre jetzt nein, eigentlich war es nicht der Plan. Der Plan der CD war, ein Konzert sozusagen aufzunehmen. Also wie ein Konzert, das Ganze aufzubauen. Es gibt auch zum Schluss eine Zugabe. „From Austria with Love“ heißt die und ist der Radetzky-Marsch bearbeitet. Das ist eher durch Amerika beeinflusst, weniger durch das Medienmanagement. Ich  muss da kurz ausholen. 2016 spielte ich mein erstes Konzert in Amerika und für mich war das eine vollkommen neue Welt, das in Amerika das Publikum direkt angesprochen werden möchte. Bedeutet, dass man zwischen den Stücken sehr, sehr oft auch eine sozusagen Introduktion gibt, was man spielen möchte, teilweise auch Themen aus dem Werk vorspielt, bevor man dann wirklich zum Werk kommt. Also die Musik erklärt, was ich sehr, sehr sinnvoll finde. Und das versuchte ich jetzt auch in Europa zu etablieren. Ich finde das unglaublich gut, weil sich das Publikum dann besser vorstellen kann, was es da hört. Sehr oft sitzt der Organist auf der Orgel im Chor, das heißt, man sieht ihn nicht. Das bedeutet, wenigstens hören kann man ihn. Und ich habe da sehr, sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Und das war der ausschlaggebende Grund zu versuchen, eine Musik zu erklären, das hat sich so im Laufe des Projekts entwickelt. Also es war nie geplant, das zu machen. Nur es fühlte sich dann irgendwie richtig an. Es war jetzt keine große Marketingstrategie dahinter. Es war so die Zusammenschau und die dann verfasst in kompakte anderthalb Minuten nachzulesen im Buchblatt wie man das österreichisch sagt.

Aber dieses Medienmanagement, das hilft schon, die Musik einfach besser zu erklären. Ich glaube, da lernte ich wirklich so auch Handreichungen zu geben. Ich war nie ein großer Fan von „ich bin der Künstler und das Publikum muss mir folgen und wenn es nicht folgen kann, dann hat es einfach Pech gehabt“. das finde ich unmöglich Ein Beispiel ganz kurz, zum Beispiel dies B-A-C-H. Das ist zum Beispiel in nicht deutsch sprechenden Ländern nicht verständlich, warum B-A-C-H. Für uns, logisch, sind alles Noten auf der Skala. Im Englischen gibt es kein H. Das ist immer B oder B-flat, wenn es ein B ist. Das muss man erklären. Und das finde ich sehr, sehr wichtig. Ja, um das dann auch vorzuspielen. Wenn man dieses Thema mal im Ohr hat, macht es so viel mehr Sinn als es einfach nur durchzuhören. Das soll jetzt gar nicht etwas mit Intellektualität zu tun haben, sondern einfach eine Handreichung Orgelmusik zugänglicher zu machen auch vermeintlich anspruchsvolle Orgelmusik.

Lukas Hasler

Du nutzt ganz stark die sozialen Medien. Wie sieht das im Einzelnen aus?

Ich habe auf Facebook begonnen vor über 10 Jahren und das als Reisetagebuch entwickelt. Ich habe das Reisen und das Konzertieren miteinander verbunden und versuche da die Menschen mitzunehmen auf meinen Reisen, auch musikalisch, welche Projekte ich zurzeit gerade verfolge. Und das kam irgendwie sehr gut an und entwickelte sich dann dementsprechend weiter. Und mittlerweile ist es echt ein fixer Bestandteil. Mein Ziel bei Social Media ist aber nicht, dort zu posten um des Postenwillens, sondern ich möchte diese virtuellen Menschen in die Realität holen und sie wirklich beim Orgelkonzert von mir begeistern. Das heißt, mein Anspruch ist zu zeigen, ich bin hier, ich bin da, vielleicht seid ihr in der Nähe, herzliche Einladung. Um das geht es. Also das ist der Grundgedanke. Weniger jetzt in dieser Online-Welt nur zu produzieren als Online-Content, sondern wirklich mit dem Versuch, kommt doch mal in ein Live-Konzert, weil Live ist Live.

Das ist ja schon fast ein politischer Anspruch zu sagen, wir leben nicht in dieser virtuellen Welt und ich kann da alles machen und dann das noch ein bisschen verfremden, sondern ich hole es zurück. Du bist offensichtlich ein politischer Mensch, denn du warst schon zweimal in der Ukraine seitdem der Krieg ausgebrochen ist.

Die Einladung in die Ukraine stand schonrelativ lange –  in das Konzerthaus nach Lemberg im Februar 2022 und dann brach der Krieg aus. Ich war an diesem Tag, ich kann mich gut erinnern, in Washington D.C. und durch die Zeitverschiebung war alles natürlich zeitversetzt, das heißt der Krieg war hier bereits fast zwölf Stunden alt und wir blickten gebannt auf die TV-Geräte und ja, es war Weltuntergangsstimmung in Washington und dann wurde natürlich alles abgesagt. Diese Häuser wurden als Flüchtlingsunterkünfte genutzt, also es war einfach an kulturellen Betrieb überhaupt nicht mehr zu denken und nach einiger Zeit sperrten dann wieder die ersten Kultureinrichtungen auf, besonders im Westen der Ukraine, Lemberg ist ja ganz im Westen, ich darf nicht vergessen, die Ukraine ist ja riesig. Und dann wurde ich gefragt, ob ich irgendeine Möglichkeit sehe und ich sagte zu und wir holten dieses Konzert, das ursprünglich für Februar geplant war, im Mai nach. Es war bizarr, ich fuhr mit dem Zug dorthin, es gab keine Flugverbindung mehr, gibt es bis heute ja nicht, also mit dem Zug nach Polen, nach Przemysl und dort am Grenzübergang ein Flüchtlingschaos, Flüchtlingslager, Suppenküche von UNICEF und so weiter und ich fuhr als einer der wenigen in die falsche Richtung, wenn man so möchte. Ja, es war teilweise auch gespenstisch, man sah da Menschen, die wirklich mit ihrem Hab und Gut –  da mit einer Banane in der Hand, noch der Föhn aus der Tasche hängend und der Hund irgendwie, also man sah wirklich, die haben zusammen gepackt und sind einfach geflohen. Dort, vor Ort, hatten wir permanenten Raketenalarm, das war noch ziemlich am Anfang, das war sehr einprägsam. Das erste im Hotel, mir wurde der Luftschutzkeller gezeigt, es gab Ausgangssperren, wir kannten das schon von Corona, also nicht, dass wir das jetzt vergleichen, aber ich wusste was eine Ausgangssperre ist, denn vor Corona hatte ich keine Ahnung, was eine Ausgangssperre oder nächtliche Ausgangssperren sein sollen. Es war sehr, sehr streng kontrolliert alles. Vis à vis des Hotels, das war die Garnisonskirche, da waren dann permanent am laufenden Stück schon die ersten Militärbegräbnisse, es war permanent Luftalarm, die Sirenen heulten, und dann war dieses Konzert, und wir planten zwei Abende, weil davon auszugehen war, dass wir nicht durchkommen mit dem Programm, wegen des Luftalarms, und wir hatten Glück, beim zweiten Konzert am zweiten Abend war am Ende dann Luftalarm, aber sonst konnten wir das durchziehen, und es war voll, die Menschen waren einfach so glücklich. Es war eine gewisse Art von normalem Leben für die kurze Zeit, auch einen Ausländer zu sehen, der sozusagen in die falsche Richtung fuhr, und das tat schon irgendwie gut und ich dachte mir, Lukas, du darfst dich überhaupt nicht beklagen, denn du kannst wieder zurückfahren, aber für die Menschen ist es die Heimat, die sie verlassen, und deswegen war das für mich eigentlich selbstverständlich, dass ich das mache. Ein knappes Jahr oder dreiviertel Jahr später ging es dann nach Kiew, in die Hauptstadt, ich muss sagen, ich war gemeinsam mit dem ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz dort, der kennt das Land sehr, sehr gut, der berichtet schon seit gefühlt 20 Jahren von diesem Land, also es hilft natürlich mit einem Experten vor Ort zu sein. Auch in Kiew war es besonders einprägsam, weil wir viel Luftalarm hatten, und man hörte die Flieger, also diese Militärchats, und man wusste nie, ist es ein russischer oder ein ukrainischer, und das machte ein mulmiges Gefühl, aber auch da wieder waren die Menschen mit so viel Freude dabei, und diese Freude zu vermitteln und auch Grüße aus Wien, also es war in dieser Anomalität doch ganz viel Normalität und ganz viel Freude, und auch ein Moment des Vergessens im Positiven. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist, weil die Kultur bleibt in Ausnahmesituationen, wir sahen das in Corona, wir sehen das jetzt im Krieg, natürlich immer auf der Strecke, sie ist das Erste, was geschlossen wird, das ist das Erste, auf das man vermeintlich verzichten kann, und am Ende sieht man dann, was man damit anrichtet, und mit Kultur meine ich alles vom Kinobesuch bis zum klassischen Konzert, bis hin zur Kirchenmusik. 

Ein junges Multitalent wie du hat ganz viele Facetten, die du entwickeln kannst. Ich habe gelesen, du komponierst auch und leitest einen Chor?

Ja, ich leite einen Chor den „PaltenKlang-Chor“. Wir führten gerade die Messa di Gloria von Puccini auf zum 100. Todesjahr. Das ist für mich ein Hobby, ich dirigiere gerne Chormusik, auch Orchestermusik. Wir haben so 50 Laiensänger, die das unglaublich toll machen und ich habe das Glück mit zwei Assistenzchorleitern, sonst ginge das ja gar nicht, also USA und Österreich. Vor neun Jahren, wir feiern bald zehnjähriges Jubiläum, fingen wir an mit zwölf Personen und hauptsächlich Volksliedern – sehr einfach, dass wir dann am Ende Doppelfugen und Puccini singen, das ist toll – innerhalb von neun Jahren. Man sieht, dass Menschen, die keine Noten lesen können, daran teilnehmen können und das plötzlich toll finden und diese Welt, vermeintliche Opernwelt zum Beispiel, eröffnet bekommen in einer Region, die jetzt kulturell nicht ganz vorne mit dabei ist, das ist großartig und macht mir unglaublich viel Spaß. Am Anfang gab es  natürlich Skepsis, also wir singen irgendwie die Paukenmesse von Haydn oder auch andere Chorwerke, die man nicht so kennt  in der breiten Bevölkerung. Das sind jetzt Fans der ersten Stunde. Da bin ich sehr stolz drauf. Wir machen auch Weihnachtskonzerte. Und da sitzen dann 500, 600 Menschen drin. Für viele Menschen ist es im Chor, ein einmaliges Erlebnis, in dem Fall 1.200 Augen zu sehen. Also das ist ja, für einen Ottonormalverbraucher nichts Selbstverständliches und das wird unglaublich geschätzt, auch von unserem Publikum und deswegen bin ich da nach wie vor so enthusiastisch dabei. Wir konnten das Gott sei Dank gut einplanen mit zwei Assistenzchorleitern. Ja, ich bin da Feuer und Flamme für Chor, Chormusik ist meine große Leidenschaft.

Lukas Hasler

Und wie sieht es mit dem Komponieren aus?

Das ist jetzt weniger geworden. Beziehungsweise ich arrangiere jetzt sehr, sehr viel für die Orgel. Ich spiele sehr viele Kompositionen oder Arrangements für die Orgel. Zum Beispiel letztens Mozart Klaviersonate, teilweise Transkriptionen von Transkriptionen – als kurzes Beispiel Mozarts Klaviersonate G-Dur wurde von Edward Grieg bearbeitet für ein zweites Klavier, zusätzlich zum ersten. Und ich habe dann beide Klaviere bearbeitet für die Orgel, oder die Mondscheinsonate von Beethoven. Ich bin jetzt gerade dran, Dvoraks biblische Lieder zu bearbeiten. Das hat auch was mit Komponieren zu tun, denn sehr oft muss dann da hinzu komponiert werden. Ja, das ist auch meine große Leidenschaft.

Gibt es irgendeinen Wunsch, ein ferneres Ziel, wo du jetzt sagst, da möchte ich in 10 Jahren sein, das wäre mein Traum, dieses zu erreichen?

Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich es so weit schaffe. Ich habe mit vielen anderen Musikern oder auch Menschen in der Öffentlichkeit gesprochen und alle bestätigen mir, dass man so das Gefühl hat, man wacht irgendwann auf – und es war alles entweder nur ein Traum oder die Menschen kommen dann endgültig drauf. Also zu sagen, dass es nicht so sein kann, wie es jetzt ist, weil es für mich noch immer so unglaublich ist, weil es nie wirklich einen Plan gab. Es gab mit 10 Jahren nicht irgendwie den Wunsch oder mit 16 Jahren den Wunsch, ich möchte jetzt Konzertorganist werden. Es entwickelte sich alles einfach, wie man heutzutage sagen würde, organisch. Ich glaube, dass das meine große Stärke ist, Sachen auf mich zukommen zu lassen, Möglichkeiten zu nutzen. Ich bin sehr spontan, ich bin sehr flexibel, Chancen, die am Weg liegen, tatsächlich auch zu nutzen. Aber ich halte jetzt nichts von einerseits großen Plänen und andererseits großer Verbissenheit, irgendetwas unbedingt erreichen zu wollen. Ich bin wirklich für alles dankbar. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich jetzt das Leben so habe, wie ich es jetzt habe. Und jeden Tag kommen Überraschungen. Das Telefon läutet und plötzlich sieht die Welt wieder ganz anders aus, weil eine Konzerteinladung kommt. Deswegen sind Pläne für mich echt schwierig, weil ich dankbar bin für all das, was ich jetzt habe, was ich schon erreichen durfte. Ich möchte natürlich besser werden, das ist ganz klar. Ich denke, man sollte immer noch mehr lernen. Ich bin sehr wissbegierig und schaue einfach, wo die Reise hingeht. Aber es ist jetzt schon so toll. Ja, es darf so weitergehen und kann so weitergehen. Ich sage Step by Step, Schritt für Schritt das Ganze. Ich finde das erstens unglaublich gesund und zweitens, weil auch der Charakter und die Lebenserfahrung mitwachsen müssen. Das klingt jetzt schon irgendwie so alt. Aber ich denke schon, dass man als Mensch mitwachsen muss mit der ganzen Sache, weil es sonst zu früh sein kann, besonders das Reisen. Also ich reise doch sehr, sehr viel  mit den Konzerten. Ja, und da finde ich das ganz gut, so wie es bis jetzt gelaufen ist. Und es darf ruhig so weiterlaufen. Ich bin zuversichtlich.

Dafür drücke ich dir ganz fest die Daumen. Lukas Hasler, Hab herzlichen Dank für dieses lebhafte und intensive Gespräch.

Icon Autor lg
Als Hörfunkjournalistin habe ich die unterschiedlichsten Formate von der Live-Reportage, über Moderationen bis zum Feature bedient. In den letzten Jahren habe ich meine inhaltlichen Schwerpunkte auf die Kultur gelegt. Als Ethnologin interessiere ich mich schwerpunktmäßig für außereuropäische Literatur. Doch war Musik schon immer mein großes Hobby – Singen in vielen Chören begleitet mich durch mein Leben. Seit einiger Zeit bin ich im Vorstand von Orso Berlin e.V. an der Organisation und Durchführung von großen Konzerten in der Philharmonie mit unserem eigenen Chor und Orchester beteiligt und stehe auch auf der Bühne. Somit ergeben sich bei Gesprächen mit Profimusikern viele Anknüpfungspunkte. Es interessiert mich besonders, welchen ganz persönlichen Zugang die Musikerinnen und Musiker zu ihren jeweiligen Werken finden – oft auch verbunden mit dem Brückenschlag zu anderen Kulturen.
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