Paweł Hulisz, Gründer und Leiter der Tubicinatores Gedanenses, spricht über die Herausforderungen der Rekonstruktion von Barockmusik und die Faszination der Naturtrompete. Im Mittelpunkt steht die neueste CD des Ensembles, die den Festsonaten aus dem kaiserlichen Wien gewidmet ist. Mit Nachbauten historischer Instrumente aus dieser Zeit bringt das Ensemble die Musik jetzt sogar in Verbindung mit einem hervorragenden Streicherensemble im Orchesterformat auf moderne Bühnen. Pawel Huliszs Wunsch ist es dabei auch, sich in der internationalen, vor allem auch deutschen Musikwelt Gehör zu verschaffen.
Wenn ich Ihre Debüt-CD mit Ihrem neuesten Projekt vergleiche: Was hat sich seither für Sie verändert und welches neue Kapitel wird mit dem aktuellen Album aufgeschlagen?
Wir haben in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Unser erstes Album war dem 500-jährigen Reformationsjubiläum gewidmet, das zweite war eine Turmmusik – Choräle mit Glockenspiel, das dritte war ein Urbis Sonos – Klänge der Stadt. Seitdem haben wir uns intensiv mit Turmmusik beschäftigt, insbesondere mit der Musik, die in Danzig zusammen mit den Glockenspielen gespielt wurde. Unser neuestes Projekt führt uns aber in eine neue, andere Richtung. Jetzt konzentrieren wir uns auf die höfische Musik der Barockzeit – unser Hauptthema sind natürlich die Trompeten als Ausdrucksform dieser Zeit.
Welche Rolle spielen die Trompeten in der höfischen Musik des Barocks?
In der Barockzeit war die Trompete weit mehr als nur ein Musikinstrument, sondern auch ein Symbol für Macht und Pracht. Zunächst einmal waren Trompeten sehr teuer und nur die höchsten Gesellschaftsschichten konnten sich diese Instrumente leisten – Könige, Bischöfe, Adlige. Die Bedeutung der Trompete war so groß, dass sie sogar als „Stimme Gottes“ bezeichnet wurde. Faszinierend ist auch die Art und Weise, wie die Trompeten damals bei Zeremonien und festlichen Anlässen eingesetzt wurden. In Danzig, meiner Heimatstadt, haben wir in den Archiven viele Berichte gefunden, in denen beschrieben wird, wie Trompeten bei großen Zeremonien eingesetzt wurden, etwa bei der Ankunft von Königen oder hochrangigen Persönlichkeiten. Ein besonders interessantes Beispiel ist die Dokumentation der Ankunft der Königin Maria Gonzaga in Danzig im Jahr 1646, bei der während einer mehr als sechsstündigen Zeremonie Trompeten auf speziellen, den römischen Triumphbögen ähnlichen Konstruktionen gespielt wurden.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie bei der Rekonstruktion dieser Musik, insbesondere der Trompeten?
Es war eine große Herausforderung, vor allem aus technischer Sicht. Die Trompeten, mit denen wir arbeiten, sind keine modernen Instrumente, sondern Naturtrompeten – ohne Ventile. Das bedeutet, dass wir mit den natürlichen Teiltönen arbeiten müssen. Die Intonation ist viel schwieriger als bei modernen Trompeten. Aber gerade diese Schwierigkeit verleiht den Trompeten ihren einzigartigen Klang. Jeder Ton ist hier ein kleines Abenteuer – die Naturtrompeten klingen oft ungenau, aber gerade das macht ihren Charme aus. Außerdem spielen wir viel im Freien oder in Kirchen, was die Herausforderung noch erhöht, da Faktoren wie Wind und Umgebung die Tonhöhe und Klarheit der Töne beeinflussen können. Die Trompeten, die wir heute verwenden, sind Rekonstruktionen von Instrumenten aus dem 17. und 18. Jahrhundert nach historischen Vorbildern. Es war für uns besonders wichtig, Trompeten zu finden, die den ursprünglichen Klang und die Spielweise der damaligen Zeit widerspiegeln. Und das ist ein spannender Prozess! Diese Instrumente haben keine Ventile, also benutzen wir nur die Lippen und die Lufttechnik, um die Töne zu variieren – was die Spieltechnik natürlich erheblich verändert.
Wie funktioniert die Intonation auf diesen Instrumenten? Einerseits passt sich Ihr Spiel den Glockspielen mit ihrer oft extrem untemperierten Stimmung an, andererseits spielen Sie auf der neuen CD auf Augenhöhe mit einem Streicherensemble. Wie ist das möglich?
Bei modernen Trompeten hat man über die Ventile und die Kolben viel mehr Kontrolle über die Tonhöhe, was eine präzise Intonation erleichtert. Bei den historischen Trompeten hingegen besteht die Kunst darin, die Intonation zu finden und zu korrigieren. Besonders hervorzuheben ist auch die Tatsache, dass es keine feste „richtige“ Tonhöhe gibt, da diese Trompeten oft in einer anderen als der gleichschwebenden Temperierung spielen, hauptsächlich in der mitteltönigen. Diese Klänge sind kein Fehler, sondern gehören zum natürlichen Klang der Trompeten und verleihen der Musik eine ganz besondere Atmosphäre.
Erzählen Sie mir mehr über das Zusammenspiel mit den Glockenspielen, den alten Turmglockenspielen.
Trompeten und Glockenspiele haben in Danzig eine sehr lange Tradition. Diese Instrumente wurden erstmals im 18. Jahrhundert kombiniert, und seitdem gibt es hier eine enge Verbindung. Die Glockenspiele auf den Danziger Türmen, insbesondere das auf der Katharinenkirche und das auf dem Turm des Rathauses, spielen eine wichtige Rolle in der Musikgeschichte der Stadt. Diese Türme sind wie ein riesiges Musikinstrument und die Trompeten, die von den Türmen aus gespielt wurden, sind auch ein symbolisches Element der Stadt. Wir haben diese Tradition in den Projekten „Turmmusik“ und „Urbis Sonos“ aufgegriffen und gemeinsam mit Monika Kaźmierczak – der offiziellen Glockenspielerin der Stadt – versucht, diese Musik in ihrer ganzen Vielfalt wiederzubeleben. Die Zusammenarbeit von Trompeten und Glockenspiel erfordert jedoch ein besonderes Gespür für Timing und Harmonie, da die beiden Instrumente sehr unterschiedliche Klangfarben und Spieltechniken haben.
Welche musikgeschichtlichen Erkenntnisse haben Sie in den letzten Jahren und insbesondere durch das aktuelle CD-Projekt gewonnen?
Es war vor allem die Entdeckung der Vielseitigkeit der Trompete in der Barockzeit. Wir denken oft an diese Trompeten als Instrumente für Militärmusik oder zeremonielle Signale, aber sie spielten auch eine sehr wichtige Rolle in der Kirchenmusik und der städtischen und höfischen Musik. Besonders beeindruckt hat mich, wie Trompeten bei großen Zeremonien eingesetzt wurden, um die göttliche Ordnung und die Macht der Kirche und des kaiserlichen oder königlichen Hofes zu symbolisieren. Es war eine Zeit, in der Musik nicht nur Kunst war, sondern auch eine politische und religiöse Aussage. Diese Entdeckung hat die Sichtweise auf die Trompetenmusik und ihre Funktion in der Gesellschaft grundlegend verändert.
Wie muss man sich den Schaffensprozess für die neue Aufnahme vorstellen?
Zunächst einmal war die Finanzierung eine große Herausforderung. Es war nicht einfach, jemanden zu finden, der ein so einzigartiges Projekt unterstützen wollte, denn es handelt sich um eine sehr ungewöhnliche Musik, selbst in der Welt der klassischen Musik. Aber schließlich fanden wir Unterstützung von drei Hauptsponsoren. (Orlen – Deutschland, die Stadt Gdańsk und STOART – Verband der polnischen Musiker. Eine solche Anerkennung zeigt, wie wichtig es für Städte und Institutionen in Polen und darüber hinaus ist, sich für die Erhaltung und Förderung musikalischer Traditionen einzusetzen. Der schwierigste Teil der Aufnahme war jedoch die Logistik. Wir mussten ein Team aus verschiedenen Teilen Polens zusammenstellen, fantastische Musiker, die in den besten polnischen Barockorchestern spielen. Wir haben letzten Sommer in Gdańsk aufgenommen und es war eine der besten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. Wir haben es geschafft, 80 Minuten Musik in nur vier Tagen zu realisieren und die Energie war fantastisch. Ein großes Dankeschön auch an die Zusammenarbeit mit dem Tontechniker von CPO – Bernhard-Hanke, der hervorragende Arbeit geleistet hat.
Habt ihr diese Musik schon live gespielt?
Wir haben bereits zwei Konzerte mit diesem Repertoire gespielt und die Reaktionen des Publikums waren großartig. Es gibt nicht viele Trompetenensembles, die historische Musik auf einem so hohen Niveau spielen, und ich glaube, die Leute waren von der Frische und Tiefe dieser Musik überrascht. Die Verbindung zu den historischen Aspekten dieser Musik, die Tatsache, dass diese Musik für den Kaiser und für besondere Zeremonien geschrieben wurde, wird als eine zusätzliche Bereicherung empfunden. Im Übrigen möchten wir uns auch auf dem deutschen Musikmarkt präsentieren, denn hier ist ein sehr guter Ort, um diese Art von Musik aufzuführen, weil es dort eine große Wertschätzung für diese Art von historischer Aufführung gibt.
Erzählen Sie mir mehr über die Geschichte Ihres Ensembles. Wie sind Sie zum historischen Trompetenspiel gekommen?
Nun, als Trompeter in Polen haben wir die historische Trompete relativ spät entdeckt. Ich glaube, es war erst in den frühen 2000er Jahren. Ich selbst habe 2009 mit dem Studium der historischen Trompete an der Musikhochschule in Bydgoszcz begonnen. Meine Kollegen ein bisschen später. Ich hatte zuvor an der Musikakademie in Gdańsk einen Abschluss in zeitgenössischer Trompete gemacht. Unsere Band wurde 2013 gegründet und die Anfänge waren nicht einfach. Es gab wenig Unterstützung für diese Art von Musik in Polen. Aber viele kleine Schritte führten zum Erfolg, wozu natürlich auch das Studium dieser alten Musik und das Erlernen der Spieltechnik der historischen Trompete gehörten. Ein wichtiger Wendepunkt war auch der Kontakt mit Arne Thielemann. Durch diese Bekanntschaft konnten wir eine Menge Noten erwerben, aus denen wir bis heute spielen. Unser neuestes Album ist dank des Entgegenkommens und der Freundschaft mit Arne entstanden, der uns geholfen hat, die Musik von damals zu entdecken und den richtigen Weg zu finden. Stundenlang haben wir uns durch Musikarchive und verfügbare Quellen gewühlt. Wir haben auch viel Zeit damit verbracht, das Repertoire zu verfeinern und an Klang und Intonation unseres Ensembles zu arbeiten.
Wollen Sie Brücken zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart schlagen?
Auf jeden Fall. Für uns und unser Publikum ist es sehr reizvoll, diese Musik heute wiederzubeleben und sie in den Kontext unserer heutigen Welt zu bringen. Man spürt die Verbindung zur Vergangenheit, vor allem wie die Musik das Leben und die Gefühle der Menschen damals geprägt hat. Diese Brücke zwischen den Jahrhunderten macht unsere Arbeit so besonders.
Welche Projekte sind für das nächste Jahr geplant?
Wir arbeiten derzeit daran, unsere Konzertprogramme weiterzuentwickeln. Wir möchten noch mehr Konzerte mit dieser besonderen, neu veröffentlichten Musik aus dem Album „Tubicinatores Gedanenses et Arcus adiuncti“ geben. Wir haben auch mehrere Festivals in Polen, darunter das Turmmusik Festival, das während der St. Dominic’s Fair in Gdańsk stattfindet, wo wir jedes Jahr Konzerte mit historischer Musik von den Danziger Türmen spielen. Nächstes Jahr wird dieses Festival zum neunten Mal stattfinden.
Ich danke Ihnen für dieses aufschlussreiche Interview.