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Einfach Klassik.

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Interview mit Timothy Hopkins

Ein Gastbeitrag von Tabea Sedlak

„Geiger haben einfach die beste Literatur“

Timothy Hopkins gehört zu den vielversprechendsten jungen Künstlern der Celloszene. Für sein erstes Album hat er sich einer besonderen Herausforderung angenommen: Der deutsch-amerikanische Musiker hat Violinwerke auf dem Cello eingespielt. Über die Herausforderungen des Lebens als junger Künstler und seine Schulzeit als Außenseiter spricht er im Interview mit Tabea Sedlak. 

Herr Hopkins, Ihr erstes Instrument war das Klavier, dann haben Sie aber die Liebe zum Cello entdeckt. Was haben Sie im Cello gefunden, was das Klavier Ihnen nicht geben konnte?

Ich liebe beide Instrumente gleichermaßen. Was mich jedoch beim Cello oder generell bei den Streichinstrumenten besonders fasziniert, ist die Möglichkeit, einen Ton während seiner gesamten Dauer kontrollieren zu können und zu müssen. Einmal angeschlagen kann man den Klang beim Klavier nicht mehr verändern, die Kunst liegt in der Kontrolle des Anschlags. Beim Streichinstrument hingegen kann ich den Ton vom Beginn bis zu seinem Ende formen, wie ich will. Diese Art der Klangerzeugung – die Saite über den Bogen in der Hand direkt zu spüren, unmittelbar an der Quelle des Klangs zu sein – das ist ein sehr intensives Gefühl. 

Sie haben schon nach drei Jahren Cellounterricht ein Jungstudium begonnen. Wie haben Sie so schnell Erfolge auf Ihrem Instrument erzielt?

In einem musikalischen Elternhaus aufzuwachsen und schon Erfahrungen auf dem Klavier gesammelt zu haben, hat sicherlich geholfen. Dazu kam meine große Neugier, die mich motiviert hat, fleißig zu üben, und bestimmt auch ein wenig Talent. Glück gehört aber auch immer dazu. Viele haben nicht das Glück, vom ersten Moment an gut unterwiesen zu werden. Später hatte ich selbst auch weniger produktive Phasen des Suchens und Ausprobierens, in denen ich zeitweise keinen guten Unterricht erhielt. Retrospektiv bin ich für diese Phasen inzwischen ebenso dankbar. Aber der Grundstein ist gerade beim Streichinstrument enorm entscheidend.

Timothy Hopkins, Foto © Zuzanna Specjal
Timothy Hopkins, Foto © Zuzanna Specjal

Wie war es für Sie, schon früh Student an einer Hochschule zu sein? 

Es war nicht leicht, die Schule und das Jungstudium unter einen Hut zu bekommen, zumal ich immer einige Stunden mit dem Zug zur Hochschule fahren musste. Das Zeitmanagement war eine Herausforderung. Die Resonanz meiner Mitschüler war gespalten. Ich war ohnehin schon immer ein Außenseiter gewesen, der nur Klassik hörte, anstatt Fußball zu spielen, Klavier und Cello übte, und dann auch noch neben der Schule studieren musste. Das kam längst nicht bei allen gut an. Aber ich wusste, was ich wollte, und habe es durchgezogen. 

Sie sind Deutsch-Amerikaner. Inwiefern haben Ihre Wurzeln Sie geprägt? 

Im Grunde merkt man glaube ich nicht viel von meinen amerikanischen Wurzeln. Die meisten halten mich für einen Briten und sind – einzig aufgrund meines Namens – erstaunt, dass ich so gut Deutsch spreche. Aber natürlich ist es hilfreich, zweisprachig– oder sagen wir fast zweisprachig – aufgewachsen zu sein. 

Welchen Personen sind Sie, was Ihre Karriere anbelangt, besonders dankbar und warum? 

Da wären zuallererst meine Lehrer zu nennen – allen voran Peter Bruns und Troels Svane, bei denen ich mein Bachelor- und Masterstudium absolviert habe, und meine Eltern, die mir sehr früh durch das Klavier die Musik nahegebracht und mich stets ermutigt haben. Das Handwerk zu beherrschen, genügt jedoch nicht. Im Studium konnte mir niemand wirklich sagen, wie der Klassikmarkt heutzutage funktioniert. Daher bin ich Monika Csampai, der Gründerin von quintessenz artists, sehr dankbar, dass sie mir bei der Planung und der Vermarktung meiner ersten CD geholfen und mir die Wichtigkeit der sozialen Medien bewusst gemacht hat. Das hat einiges ins Rollen gebracht. 

Konzertauftritte haben Sie schon in zahlreiche Länder geführt. Was war Ihr bisher denkwürdigstes Konzerterlebnis? 

Das ist schwer zu sagen. Ich könnte stundenlang erzählen: Von verspäteten Flügen, Verletzungen direkt vor dem Konzert und Auftritten mit eingegipstem Arm, meinem ersten Auftritt vor laufender Kamera beim Queen Elisabeth Wettbewerb… Ich glaube, das nervenaufreibendste Erlebnis war für mich bisher immer noch mein allererster Auftritt als Solist mit Orchester. Ich war noch recht jung und auf dem Programm stand Beethovens Tripelkonzert unter Christoph-Mathias Mueller. Aufgrund von heillosem Zug-Chaos und höherer Gewalt verpasste ich die Probe und hatte Schwierigkeiten, die richtigen Ansprechpersonen zu erreichen. Die Probe fand ohne mich statt. Das Cellopodest blieb leer. Ich erschien zum Konzert und niemand schien gut auf mich zu sprechen zu sein. Alles musste sehr schnell gehen und ich hatte keine Möglichkeit, mich allen zu erklären. Christoph-Mathias und meine Mitspielerinnen wussten mittlerweile natürlich Bescheid. Aber das Gefühl ließ mich nicht los, dass mir gleich 40 weitere Musiker im Nacken sitzen würden, die mich für einen arroganten Teenager hielten, der es noch nicht einmal als nötig erachtete, zur Probe zu erscheinen. Mit diesem Gefühl auf die Bühne zu gehen und zum ersten Mal im Leben mit Orchester spielen zu müssen, dazu noch das Tripelkonzert, das ohnehin für seinen heiklen Cellopart bekannt ist, hat meine Nerven wirklich auf die Probe gestellt. Während der Orchestereinleitung glaubte ich bis zu meinem ersten Einsatz, vor Aufregung sterben zu müssen. Es ist mir bis heute ein Rätsel, aber ab dem ersten Bogenstrich ging alles überraschend gut und ich wurde im Anschluss wieder als Solist eingeladen.

„Salute to the Violin“ ist Ihr erstes eigenes Album. Wie kam es dazu, sich mit der Aufnahme von Violinwerken einer so großen Herausforderung anzunehmen? 

Ich liebe die Geige und habe schon immer gerne Violinwerke auf dem Cello gespielt. Wäre ich damals, als ich mich nach einem zweiten Instrument neben dem Klavier umgesehen habe, nicht am Cello hängen geblieben, wäre bestimmt die Geige das Instrument meiner Wahl gewesen. Das Spielen von Violinliteratur ist einerseits eine hervorragende Übung, gerade um die Höhen des Cellos zu erschließen. In der heutigen Celloszene meine ich, diesen Trend zu erkennen, dass Cellisten versuchen, Grenzen zu überwinden und zeigen wollen, dass inzwischen fast nichts mehr auf dem Cello unmöglich ist. Andererseits macht es einfach Spaß, zu zeigen, was das Cello alles hergibt.

Wie haben Sie die Auswahl der Stücke für das Album getroffen?

Bachs Chaconne ist eines dieser Werke, die ich einfach nicht aus dem Kopf kriegen konnte. Ich musste es einfach selbst spielen. Daran habe ich mir als erstes den Kopf zerbrochen und das war auch gut so, denn für dieses Stück braucht man wirklich viel Zeit und viel Erfahrung. Man kann ein Leben lang daran lernen. Saint-Saëns‘ Rondo Capriccioso habe ich erstmals auf einem Video mit Heifetz gehört, das mich unheimlich fasziniert hat. Auch hier hat es mich gereizt, herauszufinden, wie das auf dem Cello funktionieren könnte. Paganinis 24. Caprice darf natürlich nicht fehlen, wenn man schon einen Gruß an die Violine verfasst und Francks Violinsonate ist schon längst ein Klassiker der Celloliteratur. Sie ist ein Meisterwerk, das ich sowieso schon lange lernen wollte und so hat sie perfekt ins Konzept gepasst. Ich hatte noch andere Violinwerke in Arbeit und habe überlegt, sie noch mit aufzunehmen, aber das wäre zu lang geworden. So ist es glaube ich erstmal ein stimmiges Konzept und die anderen Stücke hebe ich mir für die nächste CD auf. 

Was ist für Sie das Faszinierende an Violinliteratur? 

Die Geiger haben einfach die beste Literatur. Die überirdischen Höhen der Geige haben die größten Komponisten zu ihren elegantesten und raffiniertesten Einfällen inspiriert und vermutlich auch die meisten bekannten Themen hervorgebracht, die schon viele große Komponisten wie Brahms, Liszt und viele andere zu Bearbeitungen und Variationen für das eigene Instrument – meist für Klavier – animiert haben. Glücklicherweise ist das Cello ein Instrument, das eben nicht nur die Erdenschwere und die dunklen Tiefen besitzt, sondern auf dem sich die himmlischen Höhen der Geige – wenn auch mit etwas anderer Färbung – wunderbar nachahmen lassen.

Timothy Hopkins, Foto © Zuzanna Specjal
Timothy Hopkins, Foto © Zuzanna Specjal

Welchen Anspruch haben Sie persönlich an Ihr Cellospiel?

Vermutlich einen, der viel höher ist, als dass ich ihm jemals gerecht werden könnte. Und dieser Anspruch wächst, je älter ich werde. 

Sie haben das Album gemeinsam mit der Pianistin Vita Kan aufgenommen. Wie wichtig ist Ihre Freundschaft, wenn Sie gemeinsam musizieren? Verstehen Sie sich auf einer anderen Ebene als mit anderen Musikern? 

Vita und ich kennen uns schon sehr lange und obwohl wir zusammen in Leipzig studiert und uns immer sehr gut verstanden haben, kam es lustigerweise noch nie dazu, dass wir zusammen musiziert haben. Dieses Album war tatsächlich unsere erste Zusammenarbeit und es hat sofort perfekt gepasst. In den Proben brauchten wir gar nicht lange zu reden, sondern haben uns im Grunde blind verstanden. Ob das nun an unserer Freundschaft liegt oder daran, dass sie einfach eine brillante Kammermusikerin ist, kann ich gar nicht mit Gewissheit sagen. 

Welche Pläne haben Sie noch für das laufende Jahr?

Ich möchte versuchen, so viele Konzerte wie möglich an Land zu ziehen und schon mal nach einer Möglichkeit Ausschau halten, auf einem besseren Cello spielen zu dürfen. Mein jetziges Instrument hat mir zwar in Konzerten gute Dienste erwiesen, aber ich habe gerade auf Wettbewerben immer wieder die Rückmeldung bekommen, dass mich dieses Cello nicht mehr weiterbringt und mir das Leben unnötig schwer macht. Ansonsten sind schon die nächsten Arrangements in Arbeit und ich habe schon die ein oder andere Idee für das nächste Album. 

Timothy Hopkins, vielen Dank für das Gespräch.

Titelfoto © Zuzanna Specjal

Timothy Hopkins – Das Album

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