Das Cello-Konzert von Antonin Dvorák ist eines der schönsten, die jemals für dieses Instrument komponiert wurden. Die tiefgreifende Melodik dieses Werkes entstand unter anderem auch aus der Trauer um Dvoráks verstorbene Jugendliebe und späteren Schwägerin Josefine Kaunic, einer damals bekannten Schauspielerin. Wenn man sich näher mit diesem Konzert befasst und die geschichtlichen Hintergründe kennt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Teile des Stücks einen requiemhaften Charakter zum Vorschein bringen, zumal Dvorák nach Erhalt der Todesnachricht den Schlusssatz des Konzertes änderte. Der begnadete Komponist weilte während der Arbeit an diesem Werk zum Jahreswechsel 1894/1895 noch in New York, war aber mental schon auf dem Wege zurück in seine geliebte böhmische Heimat (siehe auch Review zu Dvoraks 9. Symphonie „aus der neuen Welt“)
Wenn man der Überlieferung Glauben schenkt, dass Dvorák das Cello ursprünglich eigentlich gar nicht mochte und es als Soloinstrument für eher ungeeignet hielt ist es umso verwunderlicher, dass gerade aus seiner Feder ein derart hochvirtuoses Konzert entstanden ist. Selbst Johannes Brahms resümierte gegen Ende seines Lebens darüber, die Möglichkeiten des Cellos nicht erkannt zu haben.
Jacqueline du Pré spielt das Meisterwerk
Seit Erfindung des Tonträgers ist Dvoráks Cellokonzert schon unzählige Male auf Schallplatte oder CD eingespielt worden. Das dürfte nicht nur mit dem Bekanntheitsgrad dieser Komposition in Zusammenhang stehen, sondern eher mit der Tatsache, dass jede/r angehende Solo-Cellist*in, der dieses Konzert zum ersten Mal hört, die Interpretationsmöglichkeiten erkennt und sich vornimmt, es irgendwann spielen zu wollen.
Die meiner Ansicht nach schönste aller Aufnahmen dieses epischen Meisterwerks entstand im Jahre 1970 mit Jacqueline du Pré am Cello und dem Chicago Symphony Orchestra unter der Leitung von Daniel Barenboim. Beide Künstler waren seit 1967 miteinander verheiratet. Barenboim begleitete du Pré häufig am Klavier. Jahre einer ergiebigen musikalischen Zusammenarbeit sollten folgen.
Du Prés Spiel ist wie besessen, voller Konzentration und Intensität, mit absoluter Hingabe an die Musik. Ich kenne keine vergleichbare Aufnahme, die so dermaßen elektrisiert und fesselt. Hier klingt nichts glattgebügelt oder veredelt, sondern lebendig und wahrhaftig. Sie scheint mit dem Instrument zerstritten und gleichzeitig verschmolzen zu sein. Obwohl aufgrund des Alters der Masterbänder und trotz späterer Restaurierung Abstriche bei der Aufnahmequalität der CD gemacht werden müssen (mangelnde Balance und Räumlichkeit, zudem ist ein deutliches Rauschen vernehmbar) hypnotisiert die Einspielung von der ersten bis zur letzten Minute.
Jaqueline du Pré war die wohl brillanteste und leidenschaftlichste Cellistin des vergangenen Jahrhunderts. Sie starb am 19. Oktober 1987 im Alter von 42 Jahren an Multipler Sklerose. Ihr Spiel war von frappierender Natürlichkeit und ungeheurerer Bandbreite. Mit ihrer charismatischen Ausstrahlung zog sie ihr Publikum in den Bann und jede ihrer Darbietungen war ein Fest für die Ohren. Ihre Aufnahmen der Konzerte von Dvorak, Elgar, Schumann und Haydn sind nicht nur eine Hinterlassenschaft, sondern ein Geschenk an die Nachwelt.