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Einfach Klassik.

Einfach Klassik.

Jubiläums-Interview mit Äneas Humm

Das Online-Magazin Orchestergraben wird 2023 unglaubliche 10 Jahre alt! Das feiern wir mit besonderen Artikeln, über das Jahr verteilt. Das Jubiläum selbst begehen wir zusätzlich auch in einem separaten Beitrag.

Für den ersten Artikel konnte ich den Bariton Äneas Humm zu einem Interview gewinnen. Er hat mit „Embrace“ zusammen mit der Pianistin Renate Rohlfing eine bemerkenswertes Album veröffentlicht, und dafür logischerweise den Opus Klassik erhalten. Seine äußerst rege Opern- und Konzerttätigkeit führt ihn derzeit durch eine immer spannender werdende, junge Karriere. Umso mehr freut es mich, dass ich Äneas Humm einige Fragen stellen konnte.

Äneas Humm, wir hatten bereits über Ihr Album „Embrace“ berichtet, nach dessen Veröffentlichung aber noch einiges passiert ist. Bevor wir darauf eingehen, können Sie nochmal kurz beschreiben, wie die Idee zum Album entstand?

Danke für die Einladung zu diesem Interview vorab! Für die CD war mir vor allem eines wichtig: es müssen Werke sein, über die ich mich als Künstler, als Sänger identifizieren kann. Würde ich eine Winterreise, oder eine Dichterliebe aufzeichnen – beides Werke die ich schätze – würde ich mich damit nicht wohlfühlen, denn es sind Werke die man, wie ich finde, später in einer Karriere aufnimmt.

Renate Rohlfing, die Pianistin dieser CD, und ich haben also unter dem Titel EMBRACE / Umarmung Werke gesucht, die für uns diese Atmosphäre beschreiben und ergreifen. Die Umstände der Lockdowns und der pandemischen Lage, haben diese Arbeit nicht einfacher gemacht, aber wir hatten uns dann mit und in diesen Werken umso mehr heimisch gefühlt.

Gleich nach Veröffentlichung haben die Medien Sie mit Lob für das Album überhäuft, so ja auch wir. Nun werden jede Woche zahlreiche neue Klassik Alben veröffentlicht, und „Embrace“ war ja auch „nur“ eines davon. Hatten Sie trotzdem schon eine Ahnung, dass sich so ein großer Erfolg einstellen könnte?

Man hofft natürlich, dass eine CD ́, in die man so viel Arbeit und Herzblut investiert, gut ankommen würde. Als die ersten guten Kritiken eintrudelten, war die Freude riesig, und als sie dann nach Monaten immer noch kamen – und sogar Radiosender der CD ganze Programme widmeten, war ich sehr froh. Denn eine CD ist, wie Sie richtig sagen, immer eine von sehr vielen auf dem Markt. Dass meine CD sich durchsetzte, und meine Interpretationen den oft unbekannteren Liedern zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen konnten, freut mich natürlich von Herzen.

EMBRACE Cover

Die Krönung des Erfolgs war dann ja der Opus Klassik-Preis, den Sie für „Embrace“ erhalten haben. Hatte sich das schon angedeutet, oder kam die Nachricht aus heiterem Himmel?

Als die Liste der Nominierungen zum Opus Klassik veröffentlicht wurde, konnte ich nicht glauben, dass ich in drei Kategorien nominiert war. In Kategorien mit enorm großer Konkurrenz. Es riefen mich dann mehrere Leute an und alle sagten: wer drei Mal nominiert ist, gewinnt auch einmal. Das habe ich natürlich nicht ernst genommen. Als Frank Hallmann, der CEO von Rondeau, mich anrief und verkündete, dass ich den Opus Klassik als Nachwuchskünstler gewonnen habe, hatte ich einen strengen Probentag an der Oper und war mit den Nerven relativ fertig. Ich konnte die frohe Kunde also gar nicht richtig verarbeiten. Erst als mir dann der Regisseur eine Anweisung gab und mir sagte, ich sei unkonzentriert, hat es bei mir Klick gemacht, dass ich gerade den Opus Klassik gewonnen habe.

Erleben Sie nun nach der Verleihung eine Änderung in der Aufmerksamkeit? Ist Ihre Reichweite und die Resonanz auf Ihre Arbeit gestiegen?

Wahrscheinlich liegt es in der Natur der Sache, dass man mich jetzt bei großen Festivals einlädt – wo ich doch derselbe Sänger bin, wie vor dem Opus Klassik.

Freuen auf die künftigen Aufgaben tue ich mich aber auf jeden Fall.

Äneas Humm
Äneas Humm

In Social Media zeigen Sie gerne viele Outfits Ihrer Opernrollen. Sie machen das mit so einer großen, intrinsischen Freude und Begeisterung, dass ich den Eindruck gewinne, Sie hätten Ihren Traumberuf gefunden. Ist das so, oder verfolgen Sie gedanklich aktuell noch Entwicklungsmöglichkeiten in andere Richtungen?

In verschiedene Rollen zu schlüpfen und diese durch Musik und Text auszudrücken, bringt mir enorm große Freude. Gerade der kreative Teil in der Entstehung eines Charakters mit Kostüm und Maske ist für mich oft der schönste in der ganzen Arbeit – neben den Vorstellungen. Wenn man so viele Jahre in dieser „Bubble“ von Oper und Konzert lebt, ist es schwer sich vorzustellen, was man denn tun würde, wenn sich der Weg ändern würde. Mich würde es jedoch sehr reizen die Seiten zu wechseln und z. B. in die Casting Welt zu gehen, oder später die eine Position eines Opern-Direktors innezuhaben. Wobei ich einfach mit ganzem Herzblut Musiker bin, und wahrscheinlich das Musik machen enorm vermissen würde.

Welche Rolle macht Ihnen auf der Bühne am meisten Spaß, also im Sinne der Performance?

Schwer zu sagen… Den Dottore Malatesta in Valentin Schwarz ́ Inszenierung war schon sehr wild zu singen und zu spielen. Ich ging an meine Grenzen darstellerisch – was meinem Gesang absolut geholfen hat. Das Opernglas lobte mich dafür sehr, fand aber meine Körperlichkeit zu krass, das war jedoch genau das, was der Regisseur mit mir erreichen wollte, daher hat mich diese Besetzung der Rolle gefreut. Mich interessieren diese Partien, in denen ich Grenzen ausprobieren darf.

Welche Rolle ist für Sie in Optik und Ausstattung am aufregendsten?

Da sind natürlich viele die mir in den Sinn kommen, eine davon die Rolle des Harlekins in Martin G. Berges ARIADNE AUF NAXOS am DNT Weimar. Da war ich Dadaist, und hatte nicht nur ein grandioses Kostüm – sondern bin in eine Dada-Welt eingetaucht, die mir absolut fremd war – trotz meiner Herkunft. Die Kombination zwischen Ariadne als Oper und der Künstlertruppe als Dadaismus, hat mich nachhaltig begeistert. Seither ist Ariadne auf Naxos für mich eine der Lieblingsopern.

Äneas Humm
Äneas Humm

In Ihrer Schweizer Heimat ist die Freude über Ihren Erfolg sicherlich groß. Da Sie in Deutschland leben und viel zu verschiedenen Engagements unterwegs sind ist es bestimmt nicht einfach, den Kontakt zur Familie aber auch zu Ihrem Ehemann zu halten. Was hilft Ihnen dabei, das mit dem Beruf auszubalancieren?

Gerade dieses Jahr war und bin ich viel in der Schweiz da ich viel am Theater St. Gallen singe. Da ist es einfacher, mal kurz zu meiner Familie zu fahren. Generell steht aber als Sänger das Privatleben hinten an. Man muss immer auf die Stimme achten, und da leidet als erstes das Privatleben. Oftmals plant man eine Woche Zeit ein für die Familie und dann kommt da ein super Angebot, und dann steht man vor der Entscheidung: Singen oder Familie? Mein Umfeld hat großes Verständnis für meinen Beruf und die Entscheidungen die ich jeweils treffen muss. Mein Mann ist ein begeisterter Reiser und kommt viel mit, dann gehe ich morgens zur Probe und er arbeitet aus dem Hotel. So haben wir doch immerhin etwas voneinander und sind nicht wochenlang getrennt.

Sie kommen ja aus einer Künstler*innenfamilie. Über Ihre Großmutter Regula Humm gab es nun einen Dokumentarfilm. Ist sie eine kreative Inspiration für Sie?

Regula Humm hat immer ihre künstlerische Überzeugung an oberste Stelle gestellt – sie hat nie das Bedürfnis jemandem zu gefallen oder jemanden zu beeindrucken. Genau diese Stärke fasziniert mich an ihr. Das hat mich nachhaltig bewegt, wenn ich auch zugeben muss, als Enkel in erster Linie meine Großmutter als Zufluchtsort gesehen zu haben. Aus heutiger Sicht wünschte ich, vielleicht öfter nachgedacht zu haben, bevor ich einfach in ihr Atelier stolziert bin, um etwas zu erzählen.

Sind Sie demnach in einer Welt großgeworden, in der künstlerische und kreative Tätigkeit der Normalzustand war? Wären Sie als Bankangestellter in der Familie eher ein Paradiesvogel gewesen?

Das ist ein interessanter Gedanke. Tatsächlich sind auch andere Berufe in meiner Familie vertreten, aber alle interessieren sich sehr für Kultur – einige wirken auch in regionalen Chören mit und musizieren gerne.

Meine Familie hätten das sicherlich akzeptiert, aber für eine Banklehre wäre ich aus verschiedenen Gründen nicht geeignet gewesen. Dafür ist der Beruf meines Mannes ein nicht künstlerischer: Er ist Rechtsanwalt – aber auch er ist ein großer Musikfan.

Dies ist ja ein Interview anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Orchestergraben Online- Magazins. Haben Sie Wünsche oder Ideen für die nächsten zehn Jahre eines kleinen Klassikmagazins?

Als erstens wünsche ich Ihnen weiterhin viele begeisterte LeserInnen und – so wie Sie es machen – eine so tolle Berichterstattung (komischer Satz. Verstehe nicht ganz, was er sagen will). Es ist schön zu sehen, wenn es Magazine gibt, die auch über Künstler berichten, die noch nicht die ganz berühmten sind, es aber verdient haben, aufmerksam verfolgt zu werden. Vielen Dank dafür und HAPPY BIRTHDAY!

Äneas Humm, vielen Dank für dieses Interview!

Titelfoto © Maurice Haas

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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