Die amerikanische, in Salzburg lebende Pianistin Katie Mahan gab in 2300m Höhe ein „Mountain Concert“ hoch über der Stadt Innsbruck und war hörbar inspiriert von der Magie des Ortes. Denn es ist ihr Anliegen, mit der Musik auch eine Verbindung zu Landschaft und Natur herzustellen. Eine solche Belebung der Schnittmenge zwischen Kulturerlebnis und touristischer Attraktion ist darüber hinaus ein überfälliger gesellschaftlicher Schritt. Die rege, auch internationale Nachfrage nach den Tickets für dieses Event zeigt, dass hier viele Chancen schlummern, neues Publikum für klassische Konzerte zu generieren.
Weiße Nebelschwaden umwabern die Seilbahngondel bei der Herauffahrt. Draußen nutzen Skifahrer die letzten, guten Schneebedingungen in diesem Frühjahr, der nochmal richtig einen auf Winter macht. Aber Berge fordern Respekt und schenken einem nichts: Zum Klavierrecital von Katie Mahan hüllen sie sich in dicke Wolken und verweigern sich somit dem Instagram-Hochglanzpanorama. Der Musik kam dadurch eine noch elementarere Rolle zu, den massentouristischen Ort in etwas ganz zu verwandeln.

Wo sonst anonyme Hundertschaften in Skistiefeln herum stapfen, wirkt es schon fast transzendental, wie Katie Mahan die ersten Töne von Debussys „Clair de Lune“ durch den Raum schweben lässt, was sich irgendwie auch mit den schneekühlen Nebelschwaden da draußen verbindet. Ist es Katie Mahans empfindsame Tongebung, die überraschend gute Akustik in dieser weitläufigen Halle mit viel Holz an den Wänden oder die Energie an diesem herausgehobenen Ort, welche jede Nervenzelle öffnet?
Herausgehoben aus jeder bildungsbürgerlichen Schwere
120 Menschen, jung und alt, teilen dies so intuitiv, dass dieses klassische Konzert aus jeder bildungsbürgerliche Schwere herausgehoben anmutet. Listzs h-Moll-Sonate, eines ihrer persönlich bedeutsamsten Stücke, hat sie auf ihrer letzten CD „Once upon a time“ eingespielt. Sie lege mit dieser Aufnahme Zeugnis über einschlägige, oft schon in früher Kindheit erfahrene Prägungen ab, hatte sie im Gespräch verraten. Mehr noch: Diese Liszt-Sonate hat sie einst dazu gebracht, überhaupt Pianistin werden zu wollen. Jetzt nimmt Katie Mahan ihr Publikum auf eine ganz persönliche musikalische Gipfelerkundung mit. In ihrer kontrastreichen Gestaltung lebt das Gegensatzpaar zwischen „göttlich“ und „teuflisch“, so wie es ja auch Franz Liszts spiritueller Ansatz will. Oder zwischen brachialer Gewalt und sanfter Lyrik. Die Musik wirkt noch „größer“ hier oben, in diesem elementaren Zusammenklang zwischen Idylle und Unheimlichkeit. Vor allem, wenn die Postkartenidylle an diesem Tag auch mal weit weg ist.

Mozart ist ein anderes großes Thema seit ihrer Kindheit. Schon als Zweijährige (!) hörte und erlebte Katie Mahan Mozarts Zauberflöten-Oper und war gepackt vom Virus der musikalischen Darstellungslust. Diese lebt heute ungestüm weiter. Beim „Mountain Concert“ in Gestalt einer selbst arrangierten Zauberflöten-Ouvertüre – voll impulsiver Akzente und ungestümer Verspieltheit, in dem Tongirlanden wie zarte Gischtnebel die dünne Höhenluft beleben.
Katie Mahan: Der Groove und Vibe des eigenen Lebens
Zu den Musikstücken für die einsame Insel oder eben auch für den hohen Berg gehört bei Katie Mahan auch George Gershwins „Rhapsody in Blue.“. Über eine Aufführung der vierhändigen Version dieses Stückes kam sie überhaupt zum Musikmachen. Heute nährt die Intensität ihres eigenen Lebens den Groove und Vibe dieser Komposition. Gershwin schrieb das Stück in einer Zugfahrt von New York nach Bosten in einem Durchlauf runter. Katie Mahan gibt sich dieser rastlosen Dynamik hin, wenn sie mit ausgiebig jazziger Agogik die Stimmungsbilder von New York ins Visier nimmt, diese ganzen Stileinflüsse, Schnitte und Stimmungen, in denen sie auch heute an diesem Tag wieder Neues zu erkunden scheint.

Das Publikum ist überhaupt nicht müde nach dieser ganzen Tour de Force, sondern applaudiert langanhaltend. Katie Mahan erfüllt den Wunsch nach mehr und macht sich auch Chopins Etude Opus 25 Nr. 12, auch Ozean-Etude genannt, mit atmosphärischer Spiellust zueigen. Und dann noch einmal Mozart: Perkussiv, leichtfüßig, in bestem Sinne von allem Akdadmikertum befreit, nimmt Mozarts „Rondo alla Turca“- Fahrt auf. So als würde jede Zelle mit der schneegeschwängerten Luft hier oben ausgefüllt sein!
Das Alpin-Urbane neu erfahrbar machen
Draußen heult manchmal der Motor einer der Pistenraupen, die den Schnee für den letzten Skitag der Saison vorbereiten. Das milchige Weiß, welches in ganz wenigen Momenten ein paar gleißende Sonnenstrahlen freigegeben hat, mutiert allmählich zu einem kühlen Blau. Wer noch etwas verweilt, kann die Nachbereitung nach dem Konzert verfolgen: Der Flügel wird schließlich in ein Futteral verpackt und – wie zahllose Skier und Snowboards in der zurückliegenden Saison – in die Gondel der Umlaufseilbahn verfrachtet.
„Wir wollen das Alpin-Urbane durch neue Erlebnisse hervorheben“ beleuchtet Colette Verra, internationale Marketing-Managerin von Innsbruck Tourismus das Anliegen hinter einem solchen Event. Ein Kamerateam sorgte jetzt dafür, dass diese Bilder hinaus in die Welt gehen, um zu zeigen, dass Klassik-Konzerte an neuen Locations auch neues Publikum für dieses Kulturgut erschließen. Ebenso lenken solche Inszenierungen den Blick auf Kulturangebote in Tirols Landeshauptstadt, wozu etwa ein hochmodernes Konzerthaus gehört. Eine solche Innovationsfreude setzt sich in den historischen Sehenswürdigkeiten von Tirols Landeshauptstadt fort, etwa der Hofburg oder auch dem Andreas- Hofer-Museum mit seinem spektakulären Rundpanomarma der Befreiungskriege. Orte wie diese sind durch aufwändige museumspädagogische Konzepte zu innovativen Geschichts-Lernorten ertüchtigt worden.