Als Frédéric Chopin seine beiden Klavierkonzerte innerhalb eines Jahres fertigstellte, war er gerade 19 Jahre alt. Zu dieser Zeit war es üblich, dass der Solist eines Konzertes die Attraktion der Veranstaltung darstellte und das Orchester eine eher untergeordnete Rolle spielte. Beide Konzerte waren daher beim Publikum lange Zeit nicht sonderlich beliebt und galten vermeintlich als zu klavierintensiv. Aus dem historischen Kontext heraus sei noch erwähnt, dass die Nummerierung sachlich falsch ist, da Chopin das f-Moll Konzert vor dem e-Moll Konzert geschrieben hat. Im Druck wurden beide Werke aber in umgekehrter Reihenfolge veröffentlicht. Am 17. März 1830 erfolgte dann die Uraufführung in Warschau. Knapp ein Jahr später zog Chopin aufgrund des polnischen Aufstands nach Paris um, wo er bis zu seinem Tod im Oktober 1849 lebte.
Der südkoreanische Pianist Seong-Jin Cho , 2015 jüngster Gewinner des Chopin- Wettbewerbs, hat das 1. Klavierkonzert bereits ein Jahr später veröffentlicht und damit auf Anhieb einen Klassik-Hit verbuchen können. Die Aufnahme entstand in den legendären Abbey-Road Studios in London. Vor wenigen Monaten erschien nun das Nachfolge-Album in gleicher Besetzung mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Gianandrea Noseda.
Seong-Jin Chos Spiel ist nicht nur virtuos, sondern auch ungemein spannend. Schon bei der Einspielung des 1.Klavierkonzertes ist das in den Tutti agil aufspielende London Symphony Orchestra positiv in Erinnerung geblieben, und in genau diesem Tenor ist auch das 2. Konzert angelegt. Zwar erfindet Cho die Materie nicht neu, sein zupackender Anschlag ist jedoch in stimmiger Interaktion mit dem schlank musizierenden LSO.
Seong-Jin Cho – spannendes Spiel
Den Auftakt des neuen Albums bilden allerdings die 4 Scherzi. Auch hier ist ein äußerst frisch klingender Cho zu vernehmen, der diesen musikalischen Perlen eine elektrisierende Note abgewinnt. Besonders das beim Publikum sehr beliebte op. 31 b-Moll mit seinen starken Kontrasten und der wunderbaren Lyrik gelingt ihm äußerst mitreißend. Beim cis- Moll Scherzo arbeitet er die Trostlosigkeit des Stücks klar definiert heraus. Als Chopin es komponierte, hielt er sich auf Mallorca in einem verfallenen Kloster ohne Heizung auf und war bereits gesundheitlich nicht mehr voll auf der Höhe. Wie Cho selbst sagt ist es kaum vorstellbar, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Das Dramaturgische dieser Musik wird unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte gänzlich nachvollziehbar.
Sowohl klanglich als auch interpretatorisch ist Cho ́s aktuelles Album auf hohem Niveau. Die Zusammenarbeit mit dem London Symphony Orchestra erweist sich wie bereits beim e-Moll Konzert als echter Glückstreffer. Eine der bemerkenswertesten Klassik-Aufnahmen des langsam ausklingenden Jahres 2021. Die digitale Variante enthält im Gegensatz zur CD noch drei zusätzliche Stücke (Impromptu op. 29, Nocturne op. 92 und die Revolutionsetüde).