Einfach Klassik.

Einfach Klassik.

AUFNAHMENKOMPASS: Le Carnaval Des Animaux

Eher durch Zufall bin ich auf den Karneval der Tiere von Camille Saint-Saëns gestoßen. Es ist eine musikalische Suite mit 14 Sätzen. Hörer die öfter klassische Musik genießen mag das Werk zu sehr Gassenhauer sein. Trotzdem hat es mich durch seine Vielfalt überrascht. Der Komponist bildet hier eine erstaunliche Mischung aus den bekannten Evergreens, dissonanten (oder besser „modernen“) Teilen, humoristisch angelegten Referenzen und einfachen Genrestücken. Das hat mich daran gereizt. Oft liest man dass das Werk sich gut als Klassik für Kinder eignen würde. Und obwohl ich es noch nicht getestet habe glaube ich das auch. Gerade die Brücke von gefälliger Klassik zu moderneren, hörintensiveren Teilen birgt für junge Hörer einen großen Reiz. Darüber kann man dann auch gut sprechen. Warum spielen wohl „Die Pianisten“ so komisch. Deshalb und trotz der Ambivalenzen ist der Karneval ein Werk das man gut zu Hause im Alltag hören kann. Am besten in Gänze, und nicht nur die beiden Hits die auf vielen Compilations zu finden sind. Das sind natürlich „Das Aquarium“ und „Der Schwan“, die man aus Serien und Filmen kennt. Aber auch „Das Vogelhaus“ und „Finale“ sind bekannt. „Hennen und Hähne“ und „Schildkröten“ verwenden dagegen anspruchsvollere Harmonik.

Weiterhin finde ich die große Zahl an verfügbaren Aufnahmen bemerkenswert und im Speziellen die stark unterschiedlichen Interpretationen. Daher lohnt es sich diesmal auf einige mehr einzugehen. Es gibt bei den Aufnahmen viele Qualitätsstufen, aber der größte Unterschied ist die Existent von Aufnahmen in mono und stereo. Nun ist es nicht so dass Stereoaufnahmen automatisch besser wären. Zwar ist stereo für mich leichter zu hören, aber es gibt einige wunderbare Monoaufnahmen die herrliche Interpretationen liefern und die ich daher vielen Stereoaufnahmen vorziehe. Im Folgenden liste ich die Aufnahmen die ich verglichen habe nach dem Orchester. Sollte dies nicht eindeutig sein dann gilt meine Einschätzung dennoch, da ich bei diesem
Werk die Erfahrung gemacht habe dass ein Orchester auch in verschiedenen Aufnahmen seiner Interpretation treu bleibt.

Orchestre de Paris (mono): Diese Aufnahme ist hübsch feingliedrig, ätherisch. Der Schwan könne für mein Empfinden aber noch gefühlvoller gespielt werden.

Concert Arts Orchestra (mono): Dies ist Intim aber auch glatt, in Teilen sogar statisch.

Boston Pops Orchestra: Es überrascht mich nicht dass sich ein Pops Orchester diesem Werk annimmt. Und es passiert was man erwartet. Breite und Glättung sollen hergestellt werden durch äußerst dominante Streicher die vieles andere  übertönen.  Dadurch gehen Details  verloren und die Musik wirkt statisch. Es scheint als würde die Produktion mehr auf Filmmusik abzielen. Außerdem höre ich seltsame Verständnisprobleme im Finale zwischen Orchester und Klavieren. Das gab es in keiner anderen Aufnahme.

Chicago Symphony Orchestra: Dies ist die empfindsamste und dadurch für mich schönste Interpretation. Der Schwan wird leise und zurückhaltend gespielt. Was ihm am allerschönsten gerecht wird. Im Finale tragen die Musiker dann wieder Herz und Begeisterung nach außen. Diese Aufnahme ist ganz deutlich mein Favorit und somit Kaufempfehlung. Einmal mehr überrascht mich ein US-amerikanisches Orchester mit der schönsten Interpretation!

Nürnberger Symphoniker: Dem Orchester aus meiner (fast) Heimatstadt muss ich hier einen Platz einräumen! Die Aufnahme ist teilweise zu schnell über Details hinweg gespielt, generell hat die Interpretation aber einen angenehm aufgeschlossenen Anstrich. Der Schwan wird sehr gesellig, fast tänzerisch gespielt. Das ist bemerkenswert und sehr interessant, nimmt es dem Stück doch etwas den Vorabendseriencharakter. Dabei bilde ich mir auch ein Eigenschaften meiner fränkischen Heimat heraus zu hören

Württembergisches Kammerorchester: Hier wird leider eine ganz gute Interpretation von der unnötig schlechten Klangqualität unmöglich gemacht. Schade.

St. Petersburg Radio and TV Symphony Orchestra: Grundsätzlich interessant aber ich habe den Eindruck dass einzelne Stimmen zerfallen und nicht zusammenfinden. Es scheint als würden die Musiker ein wenig nebeneinander her spielen.

Moscow Radio Orchestra (mono): Dies ist eine wunderschön interpretierte Monoaufnahme. Sie ist sehr dynamisch, fast impulsiv gespielt. Die Musiker tragen das Herz auf dem Bögen. Stereotype Verbindungen zur Herkunft des Orchesters erspare ich mir. Die Aufnahme wird dem Werk äußerst gut gerecht und das Anhören macht Spaß!

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Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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