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Einfach Klassik.

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Mit dem Herzen dabei!

Ein Interview mit der Pianistin Lydia Maria Bader

Die Pianistin Lydia Maria Bader ist mit ihrer internationalen Konzerttätigkeit auf allen Bühnen zu Hause. Sie spielte in vielen Ländern Europas und seit 2009 ist sie regelmäßig auf Tour in China. Dieses Jahr feierte sie mit ihrer zehnten Tour dort das zehnjährige Bestehen dieser Tätigkeit.

Ihr Konzertprogramm „Chinese Dreams“ wird Anfang 2020 auf CD erscheinen, und reiht sich so ein zu ihren drei bereits bestehenden CD-Veröffentlichungen. Auch mit ihren anderen, speziell auf KomponistInnen zugeschnittenen Programmen hat sie großen Erfolg. Gerade in diesem Feld nutzt sie viele Möglichkeiten, Musik und deren Geschichte zu den Menschen zu bringen, und im Rahmen eines Konzertes mit ihrem Publikum in Austausch zu kommen.

Als Solistin spielte sie u.a. mit dem Kammerorchester des Mozarteums Salzburg, dem Philharmonischen Orchester Bad Reichenhall und dem Corona-Orchester Gmunden.

Nun durfte ich ihr im Interview einige Fragen stellen.

Lydia, du lebst ja nicht allein. Mit dir leben noch zwei Kater, soweit ich weiß. Ich habe sogar schon Pfoten auf den Klaviertasten gesehen. Gibt es Stücke in Deinem Repertoire, bei denen die beiden besonders gern angekuschelt kommen, und gibt es auch welche, bei denen sie reissaus nehmen?

Pascha kannte, als er bei mir einzog, offensichtlich gar kein Klavier und verließ empört den Raum, sobald ich anfing zu spielen. Das erste Mal, dass er beim Üben dabei blieb, war  während der Vorbereitung für meine damalige CD „Music of the North“, genauer gesagt bei der Sonate von Erkki-Sven Tüür. Da lag er auf einmal langgestreckt auf dem Rücken auf dem Sofa neben dem Flügel und badete förmlich in den Klängen. Mittlerweile mag er vieles, am liebsten hört er die Kinderszenen von Schumann. Nur wenn es lange sehr laut ist, geht er – Katzenohren sind halt doch empfindlicher als Pianistenohren. 

Mein kleiner Pitilu ist noch nicht so oft hautnah dabei. Wenn er die wirbelnden Hämmer und Dämpfer sieht, regt das seinen Spieltrieb etwas zu sehr an…. Aber dafür leistet er mir oft während langer abendlicher Übesessions Gesellschaft und sitzt vor der Glasfront am Studio und wartet bis ich fertig bin. 

Paschas Lieblingsmusik kann man übrigens auf Spotify hören, in seiner Playlist „ Classical music for cats – Pascha’s Choice“ 

Und was ist mit Dir selbst? Du bist ja viel auf Tour und spielst oft auf fremden Klavieren oder Flügeln. Ich weiß von anderen PianistInnen, dass sie bestimmte, feste Anspielstücke haben, mit denen sie vor dem Konzert das Instrument ausprobieren. Hast Du da auch Präferenzen?

Nein, das passe ich immer dem jeweiligen Programm des Abends an. Ziel des Einspielens und des Kennenlernens des Instruments und der Saalakustik ist ja, diesen speziellen Abend mit genau diesem Programm bestmöglich dem Publikum zu präsentieren. Deswegen versuche ich, möglichst alle klanglich diffizilen Stellen des Programms mit dem Instrument zu probieren. Bei jedem Konzert auf ein anderes Instrument stoßen kann Fluch oder Segen sein. Jeder Flügel hat seine eigenen Klangfarben, manchmal passt es besser zu einem gewissen Stück oder Programmteil, manchmal weniger optimal. Ich hatte einmal einen wunderbar weich intonierten Bösendorfer Imperial im Konzert, den hätte ich gerne für einen Soloabend mit z.B. Schubert oder Impressionismus gehabt, weniger ideal war er dann, um in Rachmaninov 2. Klavierkonzert das Orchester zu übertönen…

Unangenehm ist es halt, wenn das Instrument eigentlich dringend in die Werkstatt müsste, aber trotzdem quasi krächzend und hustend in einem Konzertsaal steht. Da hilft nur noch schwarzer Humor und Professionalität – das Publikum, das ja nichts dafür kann, sollte im Zweifelsfall davon gar nichts mitbekommen. 

Mein absolutes Lieblingsstück für Klavier hast Du ja auch im Repertoire: Die Jeux d’eau von Maurice Ravel. Welchen Stellenwert hat das Stück bei Dir?

Ich spiele unglaublich gerne die französischen Impressionisten, da fühle ich mich sehr zu Hause. Von Debussy habe ich schon einen großen Teil des Klavierwerks gespielt, von Ravel leider noch nicht. Da steht noch einiges auf meiner Wunschliste, die Miroirs zum Beispiel, und allen voran das Klavierkonzert G-Dur, das ich bis jetzt nur mit Michel Beroff in Paris gearbeitet habe, aber noch nicht mit Orchester aufgeführt habe. 

Grundsätzlich spiele ich sehr gerne Klavierwerke, die das Thema „Wasser“ behandeln. Ich liebe diese Spritzigkeit, das Glitzern im Ton, das Quirlige, Dramatische oder auch mal ruhig Strömende. (Deswegen musste auch unbedingt die „Mermaid Suite“ von Du Mingxin in mein chinesisches Programm…) Die Jeux d’eau bilden in nur ca. 5 Minuten das gesamte Spektrum dessen ab, das finde ich faszinierend. Und ich persönlich finde den Klaviersatz unglaublich angenehm, es ist für mich auch ein physisches Vergnügen, es zu spielen. 

Am häufigsten spielst du zur Zeit “Ein Abend mit Clara Schumann”, aus aktuellem Anlass. Gibt es da viel Austausch mit dem Publikum über die Komponistin, und könnte da bestehendes Interesse sich auch auf andere Komponistinnen übertragen?

In der Tat. Nach dem Konzert entstehen da oft interessante Diskussionen. Die meisten Leute kennen natürlich den Namen Clara Schumann, aber hören im Konzert dann zum ersten Mal wirkliche Details. Gerade der Umstand, dass Clara diese Karriere mit und trotz 8 Kindern machte, sorgt oft für großes Erstaunen. Ebenfalls die fehlende Unterstützung ihres Mannes Robert bzw. sein Wunsch, aus ihr mehr eine Hausfrau zu machen als eine gefeierte Solistin, führt zu sehr emotionalen Reaktionen. 

Dieses Konzept der Komponistenportraits, wo ich den ganzen Abend einer Person widme aber auch Werke anderer Komponist*innen spiele, kommt sehr gut an beim Publikum, weswegen ich es auch weiterführe. Nächstes Jahr mit Beethoven (Beethoven als Schüler und Lehrer) und danach mit Fanny Hensel, die auch schon eine Rolle in meinem Clara-Programm hatte. Sie war eine ebenso talentierte und hervorragend ausgebildete Musikerin wie Clara oder ihr Bruder Felix Mendelssohn, aber ihr Talent durfte fast nur hinter geschlossenen Türen stattfinden. Das soll sich jetzt ändern!

Lydia Maria Bader, Foto von Johannes Dirschl

In deinem Programm „Chinese Dreams“ stellst Du traditionelle chinesische Musik und westliche Musik mit chinesischem „Anstrich“ gegenüber. Fällt Dir generell ein großer Unterschied auf zwischen diesen „Abziehbildern“ die wir haben und der echten Kultur?

Die westlichen Werke haben gar nicht den Anspruch, das echte China abzubilden. Wie im Vorwort zu Walter Niemanns Suite „Alt-China“ steht: „Er fordert nicht, du musst mir glauben, denn ich bin ein Chinese. Sondern er bittet: glaube mir wenn ich, ein Deutscher, mich mit dir einmal nach China träume.“ 

Wahrscheinlich klingen einige westliche Werke für China-unerfahrene Ohren mehr stereotyp „chinesisch“ als die tatsächlichen chinesischen Stücke. Wir denken hier als erstes an die Pentatonik und hohe, etwas piepsige Töne. Ich denke mittlerweile bei chinesischer Musik als erstes an umwerfend schöne Melodien mit Ohrwurm-Charakter. Und man darf nicht vergessen, diese Klavierwerke sind alle erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden. Die Komponisten hatten vor der Kulturrevolution eine hervorragende, oft internationale Ausbildung und genaue Kenntnisse der klassischen europäischen Musik. Der Klaviersatz von Wang Jianzhong oder Chu Wanghua (der den Klavierpart des Yellow River Concertos geschrieben hat) besitzt große Einflüsse aus der spätromantischen Klaviermusik. 

Und sogar in der heutigen chinesischen Popmusik („C-Pop“) kann man dieses besondere Talent für eingängige und berührende Melodien hören. Das fällt besonders im Vergleich mit der westlichen Popmusik auf, wo doch das Meiste ziemlich austauschbar geworden ist.

Du warst jetzt zum zehnten mal in China auf Tournee. Welche Erwartungen hat das chinesische Publikum an Dich? Will man da die westliche Klassik hören, oder kommen die chinesischen Teile deines Programms mittlerweile besser an?

Beides. Gerade als westlicher Künstler soll man natürlich auch die westliche Musik spielen. Da die klassische europäische Musik in China so angesehen ist, hat jeder einzelne Musiker, der auch noch quasi aus der Wiege dieser Tradition kommt, eine Art Kulturbotschafter-Rolle. Nichtsdestotrotz spiele ich schon immer seit meinem ersten Konzert mindestens ein chinesisches Stück. Da ist das Publikum weniger mit Ehrfurcht sondern mehr mit dem Herzen dabei. Manchmal gibt es schon Applaus nach wenigen Takten, wenn sie die Melodie erkennen.

Du stehst vor der Veröffentlichung einer neuen CD. Worauf können wir uns da freuen?

Mein chinesisches Programm „Chinese Dreams“! Ich gehe im September ins Studio und freue mich schon unglaublich auf die Arbeit mit Philipp Nedel in Berlin. Die CD wird dann Anfang 2020 beim Label ARS Produktion erscheinen.

In der Zwischenzeit wird es aber auch noch ein Crowdfunding geben, denn eine professionelle CD Produktion mit einem Label ist für einen Musiker finanziell gar nicht mehr alleine zu stemmen. Nach jetzigem Zeitplan wird die Finanzierungsphase im Oktober beginnen. Wer also interessiert ist an diesem spannenden Projekt und mit mir gemeinsam  musikalisch nach China reisen will, kann, auch schon mit einem kleinen Beitrag, Teil dessen werden! 

So eine Tonträgerproduktion ist bestimmt auch zeitintensiv, neben dem Alltagsgeschäft. Nicht zuletzt in der Vorbereitung. Sind die Tonträger ein wichtiges Standbein in der Selbständigkeit, oder unterstützt Du damit mehr deine anderen Tätigkeiten?

Es ist insoweit ein wichtiges Standbein, weil es Türen öffnen kann. Eine CD ist auf der einen Seite eine klingende Visitenkarte für Veranstalter und andere Leute im Business. Auf der anderen Seite ist der CD-Verkauf im Rahmen der Konzerte auch wichtiger Teil einer „Portfolio Career“, also einer Berufstätigkeit, die, auch finanziell, auf mehreren Säulen steht. 

Allerdings ist ja die gesamte Tonträger-Landschaft im Wandel, wie lange es noch das Medium CD gibt, weiß im Moment keiner. Digitalen Download kauft kaum jemand, kann er ja umsonst auf Spotify oder YouTube hören. Nur fürs Streaming zu produzieren, ist bei den momentanen Tantiemen gar nicht möglich. Es muss sich gewaltig etwas ändern, damit Künstler überhaupt eine Alternative haben, um von den Medien, die vermutlich mit der jetzigen Generation der Konzertgänger verschwinden werden, auf eine digitale Version umzusteigen. 

Natürlich nutzt du die sozialen Medien, wie die meisten Musiker. Mir ist aufgefallen, dass du ab und zu einen kurzen Videoclip deines aktuellen Spiels online stellst, ohne direkt einen Zweck zu verfolgen. Das ist für viele eine willkommene Unterbrechung im Alltag. Ist das für dich reine Kontaktpflege, oder testest du hier auch die Wirkung von Stücken aus?

Ich habe beim Üben sehr häufig mein Handy mitlaufen, zur Selbstkontrolle. Meine Videos haben für mich persönlich also einen sehr großen Zweck, aber das Teilen im Social Media ist rein intuitiv und zum Spaß. Gerade auf Twitter fällt mir Schreiben eh schwer, da ist es oft leichter, etwas mit einem kleinen Videoclip zu sagen. Meine kurzen Videos sammle ich auf YouTube in der Reihe „A little bit of…“, da geht es mehr um einen kleinen Einblick hinter die Kulissen. 

Welches musikalische Projekt, für das bisher zu wenig Zeit zur Verfügung stand, würdest Du gerne mal umsetzen?

In der aktuellen Warteschleife steht die Sichtung des musikalischen (und überhaupt künstlerischen) Nachlasses meines Vaters. Mein Vater hatte Komposition studiert und war ein wunderbarer Dichter und Fotograf. Er hat leider nie für Klavier solo komponiert, aber es gibt Kammermusikwerke, Chorwerke und vor allem Kunstlieder. Von ausgewählten Liedern möchte ich Klaviertranskriptionen schreiben, die in einem zukünftigen Konzert- und vielleicht auch CD-Projekt Platz finden. 

Lyda, vielen Dank für dieses Interview!

Titelfoto: Lydia Maria Bader, Foto von Matthias Bedenk

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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