Einfach Klassik.

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Nuron Mukumi in der Kölner Philharmonie  

Es gibt bereits einige Superlative über Nuron Mukumi zu lesen. Wenn sogar ein großes Nachrichtenmagazin seinen Kritiker beauftragt, um so ein junges Talent zu würdigen, muss dies schon was heißen. Also war die Neugier groß, als der aus Usbekistan stammende und heute in Deutschland lebende Pianist in Köln angekündigt war.

Die Kölner Philharmonie bot an diesem ersten Advents-Sonntag eine wohltuende Zuflucht vor dem Ausnahmezustand der monströsen Menschenmassen, die am ersten Weihnachtsmarkt-Sonntag in Köln einfielen. Zum „Runterkommen“ nach der hektischen Anreise half es maßgeblich, schon mal in die Probe hinein hören zu können.

Nuron Mukumi mit dem Staatlichen Litauischen Sinfonieorchester
Nuron Mukumi mit dem Staatlichen Litauischen Sinfonieorchester, Foto © Stefan Pieper

Routiniert entspannt wirkt es, wie Nuron Mukumi und Dirigent Gintaras Rinkevičius vom Staatlichen Sinfonieorchester Litauen im noch leeren Saal das letzte Feintuning besprechen. Danach ist Zeit für ein Gespräch mit dem jungen Pianisten, der in den letzten Jahren eine steile Karriere aufgebaut hat. Wir blättern den über 100 Seiten starken Klavierpart von Beethovens Fünftem Klavierkonzert Es-Dur opus 73 durch und er zeigt mir seine Lieblingsstellen. Und ja: Auch für ihn, der mit seinen gerade mal 27 Jahren wohl schon fast alle Gipfelstürme gemeistert hat, markiert Beethovens sogenanntes „Emperor-Konzert“ immer noch eine Herausforderung. Aber noch etwas mache den bevorstehenden Auftritt in Köln für ihn zu etwas Besonderem: Der bereit gestellte Flügel, ein Shigeru KAWAI SK-EX, wie Mukumi ausdrücklich betont, vermittele von der ersten angeschlagenen Note an ein großes Wohlgefühl, eben weil hier ein Instrument bei jeder künstlerischen Regung verlässlich „mitgehe“ und nie mit dem Instrument „gekämpft“ werden müsse, was nun auch allzu oft zur Pianisten-Realität auf einer Tournee gehört…

Verantwortung für die große Idee

Bühne frei für Beethovens Fünftes Klavierkonzert opus 73, das letzte seiner Art, entstanden zwischen 1808 und 1809 im Angesicht der Napoleonischen Kriege. Solist und Orchester bemühen sich in der Kölner Philharmonie redlich um gegenseitigen Respekt füreinander, zeigen Verantwortungsgefühl für die große Werkidee. Dadurch überwiegt Kontrolliertheit über jede zu große Wucht und ja – manchmal hätte vielleicht doch etwas mehr Temperament gut getan. Aber: Dem Solisten obliegt, wie in kaum einem anderen Solokonzert der Literatur, der rote Faden durch das gesamte sinfonische Geflecht. Hier zeigt sich Nuruno Mukumis künstlerische Überzeugungskraft, der übrigens schon mit acht Jahren (!) vom Klavierhocker aus das Nationale Sinfonieorchester Usbekistans dirigierte bei einer Aufführung von Mozarts d-Moll-Klavierkonzert – womit seine frühe Karriere (als Pianist und auch Dirigent wohlgemerkt) startete. Von nobler Leuchtkraft, zugleich viel luftigem Atem sind in der Kölner Philharmonie seine Kadenzen erfüllt. Vor allem die hohen Register sind seine Sache. Weil sich Nurunos Führungsrolle jeder eitlen Dominanz verweigert, lassen sich auch in diesem ewigen Standardwerk des Konzertbetriebs viele ungekannte, tiefe Aspekte voller Intimität erkunden. Das Orchester unter Leitung von Gintaras Rinkevičius stand voll und ganz hinter einem solchen Anliegen, nicht nur, aber auch, durch seine extrem kultiviert aufspielenden Holzbläser.

Der Weg hat sich gelohnt

Mit zwei Zugaben antwortete Nuron Mukumi auf die stehenden Ovationen, um damit das Publikum schließlich noch mal von den Sitzen zu reißen: Chopins Walzer op. 64 Nr. 1, auch Minutenwalzer genannt, beginnt mit einem lyrischen und leichten Thema, das von beiden Händen gespielt und von Nuron Mukumi in selten so gehörter Rasanz buchstäblich um-spielt wird. Man könnte nach dem Geheimnis hinter dieser schwerelos wirkenden Einheit aus eleganter Melodik und vibrierendem rhythmischen Drive steht.

Nuron Mukumi
Nuron Mukumi, Foto © Stefaan Pieper

Das warme Klangpotenzial und vor allem die bestechende Reaktionsschnelligkeit des großen Shigeru Kawai stehen Nuron Mukumi auch in Moritz Moszkowskis Etude Nr. 6, Op. 72 zur Seite. Hier entfesselt die linke Hand ein Kontinuum aus aberwitzigen Oktaven, während die Rechte eine vertrackte Kombination aus Akkorden und Läufen stemmt. Was schließlich in Nuron Mukumis Spiel wieder auf eine logische, silbrig-filigrane Linie hinausläuft. Ist das noch von dieser Welt? Fazit in diesem Moment: Der Weg nach hier hat sich gelohnt. Eine neue (Klavier-)Erfahrung befruchtet mal wieder das Staunen über Musik.  

Bilder im Kopf hörbar machen…

Mit ungebremster Spiellaune gestaltete das litauische Orchester den zweiten Konzert-Teil: Felix Mendelsohn-Bartholdys Sinfonie Nr. 4 dokumentiert eine italienische Reise, ähnlich jener, die Goethe unternahm. Jeder Satz in dem großen Opus legt eine andere atmosphärische Schicht frei. Zumindest wirkt das so unter den Händen der hochmotivierten Musikerinnen und Musiker aus dem Baltikum. Das Allegro vivace gebärdet sich straff akzentuiert, um mit sonniger Lebenslust auf die Dezemberkälte da draußen zu antworten. Das folgende Andante betört durch eine fast choralartige Kantabilität. Der dritte Satz suggeriert wieder viel sommerliche Abgeklärtheit. Bevor alle, die hörend eintauchen, auf ein rauschendes Fest mitgenommen werden, in dem eine quirlige Saltarello die Puppen tanzen lässt. Klar wird: Mendelssohn hatte Bilder im Kopf und verstand, diese hörbar zu machen. Einen noch spektakuläreren Klangrausch legte das Orchester in der finalen Zugabe hin: Eine, auf mächtiger Steigerungs-Dramaturgie bauende,  Breitwandformat-Version von Astor Piazollas „Libertango“. Diese kreative Orchestrierung wurde exklusiv für das Staatliche Sinfonieorchester Litauen angefertigt.

Kontrapunkt-Konzerte

Dieser eindrucksvolle Musiknachmittag fand übrigens im Rahmen der Kontrapunkt-Konzertreihe statt, deren Gastspiele regelmäßig den Blick nach Osteuropa lenken – auch das Baltic Sea Philharmonic hat unlängst im Rahmen dieser Reihe ein Konzert bestritten.

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Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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