Einfach Klassik.

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Philharmonie Vorpommern mit Ungarischem Abend

Ein Beitrag von Ekkehard Ochs

Zoltàn Kodály und Béla Bartók, dazwischen Franz Liszt: so das Angebot eines ungarischen Abends, mit dem GMD Florian Csizmadia im 5. Philharmonischen Konzert des Theaters Vorpommern einmal mehr das Angenehme mit dem Nützlichen verband. Und das mit einer Musik, die landläufig als Präsentation musikalisch-nationalen Idioms des Ungarischen schlechthin gilt, gleichzeitig aber in eben dieser Funktion hinterfragt wird; was letztlich auf die Notwendigkeit einer genaueren Definition der Begriffe „national“ und  „volkstümlich“ hinausläuft. Um für den Abend die Positionen zu klären, hat der GMD, übrigens in Musikwissenschaft promoviert, das Programmheft gleich selbst geschrieben. Er hat auf Historisches sowie die zu beachtenden Unterschiede zwischen echter Volksmusiktradition und volkstümlicher Unterhaltungsmusik, also echtem Volkslied /Volkstanz, sogenannter „Zigeunermusik“ und kompositorisch nachempfundener Musik verwiesen. Erhellend ein Blick auf Bartók, der im Hinblick auf die Einbeziehung von Volksmusik in die Kunstmusik von drei Möglichkeiten sprach: direkte Einbeziehung originalen Materials, Komponieren imitierten Materials und – als höchstes Stadium – dass der Komponist so schreibt, „daß seine Musik die gleiche Atmosphäre schafft wie echte Volksmusik. Nur dann kann man sagen, daß der Komponist die musikalische Sprache des Volkes erlernt hat und sie in einem so vollkommenen Maße beherrscht wie ein Dichter seine Muttersprache.“ Hierbei im Blickpunkt: Kodály! Und für den ist dann Bartók derjenige, der es meisterhaft versteht, in den Geist der Volksmelodien einzudringen und aus ihm seine eigene Musik zu schöpfen. Schließlich muss in diesem Zusammenhang auch gefragt werden, und Csizmadia tut das im Programmheft, ob denn Liszt „ungarische“ Musik geschrieben habe… Stoff genug also, um Kodálys „Tänzen aus Galánta“, der Bartókschen „Tanzsuite“  und beiden, jawohl, beiden Klavierkonzerten Liszts mit erhöhter, zielgerichteter Aufmerksamkeit folgen zu können. 

Florian Csizmadia, Foto © Peter van Heesen
Florian Csizmadia, Foto © Peter van Heesen

Das fiel umso weniger schwer, als sich das Philharmonische Orchester Vorpommern mit wünschenswert geschärftem Empfinden für die Spezifik der Stücke einsetzte. Besonders wichtig, da zum Beispiel beide Tanz-Zyklen jeglichen Anflug von volkstümlichem Populismus vermissen lassen und der Hörer mit gestalterischer Überzeugungskraft erobert werden will. Von allein, als Selbstläufer,  gelingt da nichts. Es brauchte also ein das komponierte „Material“, das Konstruktive und das Geistig- Mentale dieser jeweils mehrsätzigen Stücke berücksichtigendes Musizieren des Orchesters, um in den musiksprachlich sehr eigengeprägten, mit gängigen Begriffen von „moderner“ Musik schwerlich zu erfassenden Klangwelten der beiden Großmeister die eigentliche kompositorische, musikalische und damit künstlerische Leistung zu erfassen; bei Kodálys Werk auf der Grundlage seinerzeit beliebter Musik lokaler „Zigeunerkapellen“, also nicht-originaler Volksmusik, bei Bartók auf der Basis eigener Erfindung – ohne jedes Folklore-Zitat –  aber stilistisch ungarische, rumänische und arabische Stilmerkmale verarbeitend. 

Philharmonie Vorpommern mit Liebreiz

Für den GMD und seine Philharmoniker war das Ganze ein nur noch auszuschüttendes und sehr direkt über die sprichwörtliche Rampe zu bringendes Füllhorn unterschiedlichster musiksprachlicher Mittel. Es war bestimmt von prägnanter Motivik, Metrik und Rhythmik, melodischem Liebreiz sowie einem tänzerischen Gestus, der bis hin zur orgiastischen Erscheinungsform kaum eine Spielart ausließ. Das Auskosten raffinierter Instrumentation inbegriffen. Wie es denn überhaupt gelang, die Präsentation eines (nur scheinbar!) schlichten nationalen Idioms mit größter kompositorischer Kunstfertigkeit zu verbinden…

Soweit der Rahmen eines Konzertabends, der dann als Mittelpunkt noch eine Besonderheit aufwies: die Präsentation gleich zweier Liszt´scher Klavierkonzerte (Es-Dur, A-Dur). Florian Csizmadia hatte keine Mühe gescheut, jemanden zu finden, der als Pianist dieses Wagnis übernahm. Er fand ihn mit Dominic Chamot, Jahrgang 1995, in Köln geboren und  mittlerweile mit Preisen, anderen Auszeichnungen und namhaften internationalen Stipendien überhäuft. 

Dominic Chamot
Dominic Chamot

Chamot brachte das Kunststück fertig, innerhalb von vier Tagen (Greifswald, Stralsund) jedes dieser  Konzerte – eine öffentliche Generalprobe in Greifswald eingerechnet – vier Mal zu spielen; übrigens ohne Verschleißerscheinungen! 

Im Gegenteil. Sein Spiel war ungemein locker, geradezu leichtfüßig, besaß aber dennoch Kraft und einen stets markanten, „redenden“ Anschlag. Daher auch das gute Gefühl, nicht nur mit brillanter Technik abgespeist zu werden. Liszt erhielt natürlich eins zu eins, was spieltechnisch in ihn investiert worden war. Aber Chamot erwies sich als Musiker mit Gefühl für jene Gratwanderung, die das Pendel eindeutig in Richtung künstlerisch bedeutender Aussage schwingen lässt – ohne dass technische Details nicht doch zu ihrer beabsichtigten Wirkung gelangten. Chamot nahm sich auch Zeit, den oft eher rhapsodischen Charakter beider Konzerte genussvoll auszuspielen, vielleicht gar den Eindruck zu vermitteln, „Geschichten“ zu erzählen. Dies mit ausgeprägt differenzierter Dynamik, der Betonung melodisch herausgehobener Passagen sowie beeindruckender Kontrastgestaltung. Hier kommt natürlich der Orchesterpart ins Spiel, der seinerzeit manchem Hörer und Kritiker Liszts als zu selbständig erschien. Richtig ist allerdings, dass es gerade dieser Tatbestand ist, der das Besondere, das Neue der Liszt`schen Konzerte ausmacht; ihre deshalb gattungsgeschichtlich herausgehobene Stellung als ganz sicher zu den „ungewöhnlichsten“ Konzerten zählend inbegriffen! 

Pastorale Stimmung

Dies – mit gewissen Unterschieden in beiden Konzerten – zu demonstrieren, hatten GMD Csizmadia und seine Philharmoniker tief in die Kiste der notwendigen gestalterischen Mittel gegriffen. Groß deshalb die mit Leidenschaft präsentierte Palette einer brillanten Instrumentation geschuldeten Welt raffinierter Klangfarben und kontrastgeschärfter Ausdrucksbereiche. Sie wechselten – der Gedanke an Liszts Sinfonische Dichtungen drängt sich immer mal wieder auf – zwischen lyrisch pastoraler Stimmung, scherzoser Verspieltheit und hochdramatischer Erregtheit, zwischen spannungsvoller Düsternis, überbordender Emphase und grandioser, geradezu sieghafter Pathetik. Dies alles geschah in schönster Gemeinsamkeit von Klavier und Orchester, mit Verve sowie Überzeugungskraft serviert und – wir haben hier vom ersten Stralsunder Auftritt geredet – mit entsprechend heftigem Beifall belohnt.  

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