Einfach Klassik.

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Sabine Grofmeier und Jasmin-Isabel Kühne sind LES FANTASTIQUES

Wenn zwei Instrumente perfekt zueinander passen, ist das gut. Wenn zwei dahinterstehende Musikerpersönlichkeiten im gemeinsamen Konsens aufgehen, umso besser: Das gilt für das Duo LES FANTASTIQUES, welches seit fünf Jahren die Klarinettistin Sabine Grofmeier mit der Harfenistin Jasmin-Isabel Kühne vereint. Ebenso teilen die beiden ein gemeinsames Anliegen: nämlich den Reiz dieser etwas ungewöhnlichen Instrumentenkonstellation ihrem Publikum locker und unmittelbar zu vermitteln. Nach unzähligen gemeinsam gespielten Live-Konzerten wird es langsam auch mal Zeit, über eine CD-Aufnahme nachzudenken. Das wurde umso deutlicher, als sich die beiden nach drei Konzertauftritten hintereinander an einem Wochenende bestens eingespielt zeigten. Neben den großen Bühnen, etwa der Laeiszhalle in Hamburg, haben es den beiden Musikerinnen ebenso die kleineren Spielstätten angetan – ausgewählte intime Räumlichkeiten mit hervorragender Akustik und einem begeisterungsfähigen Publikum. Dazu gehört vor allem die „Villa Denis“ in Diemerstein, wo Sabine Grofmeier seit vielen Jahren eine eigene Konzertreihe (Diemersteiner Konzerte) kuratiert, ebenso das Kulturzentrum Erlöserkirche in ihrer Geburtsstadt Marl im nördlichen Ruhrgebiet – und eben an diesem Sonntagnachmittag die akustisch formidable Kirche Sankt Marien in Dorsten, in der bei diesem Konzert ein Fest der „Naturklänge“ gefeiert wurde, wie der Titel des aktuellen Programms lautet.

Jasmin-Isabel Kühne, Foto © Stefan Pieper
Jasmin-Isabel Kühne, Foto © Stefan Pieper

Es geht darum, das Publikum unter solchen Titeln und möglichst unmittelbar auf klangmalerische Traumreisen mitzunehmen, dazu gehört auch die anschauliche Moderation der beiden sympathischen Künstlerinnen. Einen festlichen Auftakt liefert Georg Friedrich Händels „Wassermusik“. Die barocken Klangfarben bekommen in dieser Instrumentierung eine ganz besondere Leichtfüßigkeit. Ein viel seltener aufgeführtes musikalisches Kleinod ist das „Capriccio op. 73“ von Franz Poenitz, mit dem die Stimmung und das Spiel der beiden überzeugend ins Romantische hinüberwechselt. Sabine Grofmeiers kantable, immer ausdrucksstarke und souverän über den Dingen stehende Phrasierung trifft auf Jasmin-Isabel Kühnes erstaunlich variantenreich artikuliertes Spiel – keine Frage, die in Düsseldorf lebende Musikerin mit ihrer erstaunlichen Instrumentenbeherrschung kann als echtes Ausnahmetalent mit hervorragender Bühnenpräsenz bezeichnet werden. Von naturhaften Assoziationen geprägt ist ein Solostück für die Harfe allein, welches wegen seiner spieltechnischen Herausforderungen wohl in Insiderkreisen als Referenzstück gilt, nämlich Alphonse Hasselmans’ imaginative Etude „La Source“ – und ja, Jasmin-Isabel Kühne schafft mit fließendem, kaskadierendem Anschlag den Eindruck einer sprudelnden Quelle, in der alles im Fluss ist – die spektakuläre Fingerfertigkeit dieser Musikerin macht es möglich. Eine echte Entdeckung im „Naturklänge“-Programm des Duos markiert Paul Reades „Victorian Kitchen Garden Suite“. Es ist eine wechselvolle Abfolge aus charmant-imaginativen Charakterstücken und wurde ursprünglich für Orchester geschrieben. Die Klarinettistin und die Harfenistin können dieser Vorlage durch eigene orchestrale Reichhaltigkeit dem Original locker das Wasser reichen.

Vom Orchesterprojekt zur erfolgreichen Partnerschaft 

Vor fünf Jahren fanden Grofmeier und Kühne bei einem Orchesterprojekt des Gütersloher Kammerorchesters zusammen. „Da hat Jasmin im Orchester gespielt und ich auch. Und da haben wir uns immer super gut verstanden“, schildert die Klarinettistin die Anfänge. Schnell erkannten sie das große Potenzial ihrer ungewöhnlichen Instrumentenkombination. „Die Harfe bringt so etwas Sphärisches mit sich, sehr elegant und manchmal fast schon überirdisch,“ schwärmt Sabine Grofmeier über ihre Partnerin. Hinter der stimmig ausgewogenen Präsenz im Duo steht eine gründliche Vorarbeit. Vor allem müssen viele Werke arrangiertechnisch erst einmal passend gemacht oder, sagen wir, perfektioniert werden. „Ich setze manche Sachen in eine tiefere Lage, weil sie sonst zu hoch klingen würden. Wir haben da schon einiges angepasst.“ erläutert Sabine Grofmeier. Zunehmend versetzt der stimmungsvolle Bogen das Publikum in der Kirche Sankt Marien in Beifallsstürme und manchmal auch in spontanen Szenenapplaus mitten im Spiel. Dafür dienen auch impressionistische Klanggemälde von Claude Debussy wie „Réverie“, „Clair de lune“, „Beau soir“ und ein grooviges „Le Petit Negre“, in dem Sabine Grofmeiers hervorragendes Gespür für jazzige Klangfarben einmal mehr fasziniert.

Sabine Grofmeier, Foto © Stefan Pieper
Sabine Grofmeier, Foto © Stefan Pieper

Nach der Pause lässt das Duo im besten Sinne die Sonne aufgehen mit der Morgenstimmung aus Edvard Griegs „Peer Gynt Suite“. Es folgen weitere Bravourstücke für die Harfe allein, etwa Deborah Henson-Connants effektvolles Stück „Baroque Flamenco“. Eine raffinierte Bearbeitung von Bedřich Smetanas sinfonischer Dichtung „Die Moldau“ blüht unter Jasmin-Isabel Kühnes Händen zu einem extrem durchsichtigen und vielseitigen (oder besser gesagt vielsaitigen) Klangkosmos auf. Wofür braucht man da noch ein Orchester, könnte man fragen? Die fließenden Arpeggien der Harfe setzen hier jeden Wassertropfen, der über die Steine rinnt, ins rechte Licht. Eine Harfe als Soloinstrument und übrigens auch eines der spieltechnisch anspruchsvollsten Instrumente, die es gibt, weckt beim Publikum viel Neugierde – so viel ist spürbar bei diesem Recital. Dem Aspekt trägt die Harfenistin Rechnung, indem sie auch über Hintergründe spricht: „Die Harfe wird immer mit Händen, aber auch mit Füßen gespielt. Die Saiten entsprechen den weißen Tasten auf dem Klavier. Sobald Halbtöne gefragt sind, muss ich mit den Pedalen jeweils die Saitenspannung und damit die Tonhöhe verändern.“

Les Fantastiques, Foto © Stefan Pieper
Les Fantastiques, Foto © Stefan Pieper

Dramaturgie, die auf den Punkt kommt und Menschen mitnimmt, ist das Markenzeichen, das sich Sabine Grofmeier bei ihren Liveauftritten erarbeitet hat und das auch im Konsens mit Jasmin-Isabel Kühne bestens funktioniert. In die Zielgerade kommt der gemeinsame Auftritt mit einem kleinen Streifzug in die leidenschaftliche Ausdruckswelt Lateinamerikas, was sie mit ihrer unnachahmlich sinnlichen Phrasierungskunst in Szene zu setzen weiß – hier zum Beispiel zum Abschluss des Konzertes in der berühmten Tanznummer „El Choclo“, dann funkt nochmal der schwelgerische Schostakowitsch-Walzer dazwischen. Längst Kultfaktor bekommen hat ebenso Leonard Cohens „Hallelujah“, wo sie das Publikum zur Partizipation animiert und auch bei diesem Konzert alle Zuhörenden schließlich die Melodie sichtlich bewegt mitsummten. Und natürlich durfte auch Astor Piazzolla nicht fehlen, diesmal das schmachtende „Oblivion“ als Zugabe, wo Sabine Grofmeier den Bending-Effekt, also ein Phrasieren über die definierte Tonhöhe hinaus, diesmal ganz besonders ausreizt.

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Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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