Es gibt Aufnahmen, die sind schlichtweg für die Ewigkeit gedacht. Das Klavierkonzert Nr. 1 von Peter Tschaikowsky dürfte eigentlich jedem Klassik-Fan ein Begriff sein. Es ist das wohl weltweit bekannteste Stück seiner Art und den Beginn des 1. Satzes hat jeder irgendwie, irgendwo, irgendwann schon einmal gehört. Die hier gewürdigte Aufnahme entstand im September 1962 im Wiener Musikvereinssaal mit den Wiener Symphonikern unter der Leitung des Maestro Herbert von Karajan. Am Klavier der damals schon legendäre ukrainische Pianist Svjatolsav Richter (1915 – 1997).
Svjatoslav Richter – elektrisierend
Als mir Anfang der 90er Jahre diese Einspielung erstmalig auffiel, lagen schon mindestens ein Dutzend Alternativen davon in meinem CD-Regal. Schließlich handelt es sich bei diesem Klavierkonzert um eines der meistgespielten. Würden sämtliche Aufnahmen dieses Meisterwerks auf Tonträgern übereinander gestapelt, so ließe sich damit wahrscheinlich die Spitze des Empire State Buldings erklimmen. Fast jeder namhafte Pianist hat oder wird sich im Laufe seiner Karriere diesem Stück widmen. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel. Glenn Gould zum Beispiel dachte nicht im Traum daran, Tschaikowsky oder Rachmaninow zu spielen. In seinen Augen war die Musik dieser Komponisten viel zu trivial und fade. Der gleichen Meinung war auch 1874 Nikolai Rubinstein, einem damals überaus bekannten und erfolgreichen Klavier-Virtuosen. Als Tschaikowsky ihm die Partitur des 1. Klavierkonzerts vorlegte, zeigte sich Rubinstein nur wenig begeistert und äußerte sich eher abfällig. Tschaikowsky, der als Kritiker anderer Musikgrößen selber kein Blatt vor den Mund nahm, war zutiefst gekränkt, veröffentlichte das Stück dann aber trotzdem. Es sollte ein Welterfolg werden. Rubinstein und Gould sei somit ihr Irrtum verziehen.
Die Zusammenarbeit zwischen Richter und Karajan war von Beginn an mit Spannungen durchzogen. Richter kam nur schwer mit dem autoritär wirkenden Karajan zurecht. Doch zumindest in diesem Fall rechtfertigt das Ergebnis die Mittel. Richters Spiel ist absolut elektrisierend , mitreißend und unvergleichbar temperamentvoll. Die Wiener Symphoniker agieren nicht weniger zurückhaltend. Die restaurierte CD-Version dieses Klassikers ist ein vortreffliches Beispiel dafür, was sich aus einer solch alten Aufnahme herausholen lässt. Karajans Tonmeister Günter Hermanns hat bei der Balance ganze Arbeit geleistet und die traumhafte Akustik des Wiener Musikvereinssaals hervorragend eingefangen. Der analog- warme Klang lässt viele Digital-Produktionen aus neuerer Zeit im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen.
Noch ein Mythos
Die CD ist noch einzeln erhältlich, wurde aber auch als Bestandteil diverser Boxen veröffentlicht.
Ich persönlich halte es für einen Mythos und absolutes Schubladen-Denken, dass ein Pianist russischer Herkunft sein müsse, um russische Komponisten beseelt spielen zu können. Aber ich bin mir sicher, dass Tschaikowsky stolz auf diese Aufnahme gewesen wäre. Meines Erachtens nach ist es die ultimative Aufnahme dieses Klavierkonzerts. Ein „alter Schatz“, der die Zeit überdauern wird, wenn man ihn richtig pflegt.