Einfach Klassik.

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„Wir können uns hier alles leisten“ – Interview mit Sabine Weyer

Wenn der Cellist Dimiri Maslennikov und die Pianistin Sabine Weyer zur „Brahms-Connection“ aufspielen, erklingt Musik, die vertraut, aber zugleich neu ist. Wir kennen die kühne e-Moll-Cellosonate von Johannes Brahms. Kammermusikwerke von Robert Fuchs oder Heinrich von Herzogenberg sind aber heute eher terra incognita. Das berühmte Repertoirestück eines anerkannten großen Meisters befindet sich auf dieser Aufnahme mit unbedingt entdeckenswerten Meisterwerken aus der Feder von Zeitgenossen in bester Gesellschaft. Ganz bewusst haben Dimitri Maslennikov und Sabine Weyer auf dieser neuen CD das Bekannte nicht an den Anfang gestellt. Denn mit der Sonate von Fuchs einzusteigen, fördert auch aus Hörer-Perspektive das Sich-Einlassen auf Unbekanntes. Lebt doch diese Brahms-Connection von gemeinsamer Augenhöhe zwischen diesen drei tief romantischen Meisterwerken. Zwischen der luxemburgischen Pianistin und dem russischen Cellisten sowieso…

Sabine Weyer sprach mit Stefan Pieper über das Anliegen und die Vorgeschichte zu dieser Aufnahme.

Sabine Weyer, erzählen Sie über das Projekt dieser CD!

Wir wollten für diese Aufnahme nicht einfach nur bekannte Sonaten präsentieren, sondern haben uns bewusst dafür entschieden, ein bekanntes Werk mit zwei Kompositionen aus demselben Zeitkontext zu kombinieren, die keiner kennt. Bei meinen Recherchen bin ich dann auf die Sonaten von Robert Fuchs und Heinrich von Herzogenberg gestoßen.

Was haben Sie über diese Komponisten herausgefunden?

Robert Fuchs war sehr einflussreich, vor allem als Pädagoge und ich finde seine Musik unglaublich interessant. Er hat seine Zeit und seine Nachfolger maßgeblich geprägt. Mir wurde klar, dass seine Erste Suite für Cello und Klavier auf unsere CD drauf sollte.

Wie verhält es sich mit dem dritten Komponisten dieser Aufnahme?

Auch Heinrich von Herzogenberg passt meiner Meinung nach sehr gut zu Brahms. Die Art und Weise, wie Herzogenberg seine Sonate Nr. 1 opuus 52 komponiert, erinnert an den Schlusssatz der Brahms-Sonate. Ich denke da vor allem an dieses Fugato, das aber trotz diese Ähnlichkeit sehr persönlich wirkt. Alle drei Sonaten sind auf ihre Art speziell. Überhaupt hat dieses Projekt viel Neuland eröffnet und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir in dieser Richtung weitermachen. Es gibt noch viele andere Werke, die genauso interessant sind. Es wird also vielleicht zu einer Brahms Connection Vol. 2 oder sogar Vol. 3 kommen.

Sabine Weyer
Sabine Weyer

Wie stehen die Komponisten zeitlich zueinander und gab es einen Austausch mit ihnen, vor allem mit Johannes Brahms?

Obwohl Robert Fuchs erst im Jahr 1927 gestorben ist, sind die Werke alle relativ zeitgleich zwischen 1865 und 1886 entstanden. Brahms hat die beiden anderen Komponisten dieser Aufnahme gekannt. Fuchs und Herzogenberg haben ihm Partituren geschickt und von Brahms wertschätzende Kommentare bekommen.

Johannes Brahms genoss bekanntlich ein großes Ansehen. Wie kommt es, dass die beiden anderen Komponisten eher unbekannt geblieben sind?

Brahms war vom Charakter her ja eher zurück gezogen und es erstaunt umso mehr, dass er trotzdem so einen großen Freundeskreis hatte. Ein großer Freundeskreis war immer sehr wichtig, damit die Musik Verbreitung fand. Und es liegt auch immer daran, wie weit sich ein Komponist selbst damit auseinander setzt, wie viel seine Musik gespielt wird. Ich würde sagen, Brahms war durchaus auf seine Karriere fokussiert und hat auf das Publizieren seiner Werke großen Wert gelegt. Bei den beiden anderen Komponisten ist dies weniger der Fall, eben weil die nicht so viel dafür investiert haben, sondern zum Teil andere Prioritäten gesetzt haben. Robert Fuchs kann als einer der einflussreichsten Musikpädagogen seiner Zeit betrachtet werden, der unter anderem Alexander von Zemlinsky, Gustav Mahler, Hugo Wolff, Jean Sibelius und Richard Strauss zu seinen „Schülern“ zählte.

Welche besonderen Stilelemente sind Ihnen besonders aufgefallen in diesen Werken?

In der Sonate von Fuchs sind einige Passagen ultraromantisch geschrieben. Damit verglichen weist die Herzogenberg-Sonate hat schon etwas strengere Züge auf und erinnert mich manchmal an Bach. Vor allem die Ouvertüre im ersten Satz hat viele kontrapunktische Elemente, die auch in einer Sonate von Brahms enthalten sein könnten.

Welche Beethoven-Spurenelemente gibt es in der Brahms-Sonate?

Ich denke da vor allem an die Fuge im dritten Satz – auch der erste Satz hat solche Elemente. Der Ländler im zweiten Satz mutet für mich hingegen sehr „beethoven-typisch“ an.

Sie haben nun schon länger mit Dimitri Maslennikov musiziert. Was bedeutet Ihnen dieses Duo?

Wir spielen schon länger zusammen und haben schon einige gemeinsame Projekte gemacht. Diese neue CD-Aufnahme ist bislang eines der interessantesten ihrer Art. Uns verbindet eine ausgeprägte Leidenschaft für Romantik und für Musik mit viel Intensität und Ausdrucksstärke. Maslennikov hat einfach als Russe ein ausgeprägtes Faible für so etwas. Ich habe ja auch schon viel russische Musik gespielt und fühle mich mit dieser Ausdruckswelt sehr verbunden. Die beiden bisher unbekannten Sonaten von Fuchs und Herzogenberg markieren für uns eine wertvolle Entdeckung.

Was schätzen Sie an Ihrem Partner?

Vor allem die Leidenschaft und Sensibilität, mit der er alles angeht Viele Musiker spielen sehr toll und gut und richtig, aber sind doch vielleicht nicht so einfühlsam dabei. Aber Dimitri Maslennikovs Cellospiel ist überall immer gut. Es ist für mich als Pianistin sehr anspornend, wenn eine Symbiose entsteht. Deswegen haben wir haben immer aufs Neue Lust, miteinander zu musizieren. Aber es braucht eine gemeinsame Augenhöhe. Vor allem in diesen Werken, wo die Stimmen doch völlig gleichberechtigt ausgeführt sind.

Sabine Weyer
Sabine Weyer

Was ist der Unterschied zwischen der Erarbeitung eines bekannten Repertoire-Stückes und dem Lernen einer bislang völlig unbekannten Komposition?

Es gab im Falle der Sonaten von Fuchs und Herzogenberg keine anderen Fassungen zum Anhören und alles war Neuland. Also musste man bei Null anfangen und sich einig werden über alles. Das ist eine sehr spannende Herausforderung. Auf jeden Fall eine viel spannendere, als eine Sonate zu spielen, in der es schon viele Referenzen gibt. Ja, man fühlt sich auf Anhieb viel freier und das ist der Punkt, warum wir das auch so machen wollten. Es gibt von vorn herein viel mehr Spielraum, besonders auf einer CD-Aufnahme. Unsere große Chance besteht darin, dass wir hier so persönlich wie möglich sein können, ohne verglichen zu werden. Wir können uns hier alles leisten – natürlich in den weiten Grenzen dessen, was musikalisch vertretbar ist.

Kann man sich nicht bei bekannten Werken genauso frei von Vorbildern und Referenzen machen?

Doch natürlich. Es geht ja nicht darum, so zu spielen wie Jaqueline du Prez – aber man wird automatisch verglichen. Das ist das einfach so. Das Vergleichen geht in dem Moment los, wo du ein Werk aufnimmst dass bereits in anderen prominenten Einspielungen vorliegt. Und ich glaube, wenn wir die Brahms-Sonate an den Anfang der Aufnahme gesetzt hätten, wäre es genauso gekommen. Alle hätten sofort drauflos verglichen und sich kaum noch mit den anderen beiden Sonaten beschäftigt. Deswegen haben wir ganz bewusst die Sonate von Robert Fuchs an den Anfang gestellt. Damit wecken wir das Interesse und stellen eine Perspektive her.

Ich kann es mir vorstellen: Würde Brahms am Anfang stehen, würden sich viele nur die Brahms-Sonate anhören. So funktioniert leider diese absurde Aufmerksamkeitsökonomie…
Genau das wollen wir mit dieser Aufnahme vermeiden! Denn mir liegt der größere Zusammenhang am Herzen. Rund um einen anerkannten „großen Komponisten“ gibt es in der Regel 100 andere, die wir heute kaum noch kennen. Wir sehen es als unsere Mission als Musiker an, hier neue Perspektiven zu eröffnen. Denn es ist schade, dass viele sehr gute Werke nicht gespielt werden.

Würden Sie sagen, dass Ihre künstlerische Verantwortung mit einer solchen Haltung wächst?

Auf jede Fall. Wir müssen selbst über die Qualität entscheiden und das macht unsere Aufgabe zu einer viel größeren. Und wenn man ein Programm mit unbekannten Namen macht, wird es natürlich viel schwieriger, den Saal zu füllen, aber man zieht vielleicht ein anderes Publikum an.

Hat es schon Rückmeldungen gegeben?

Bis jetzt gab es sehr gute Rückmeldungen. In Frankreich wurde die CD bereits von Radiostationen gespielt und das Magazin pizzicato hat ihr bereits die „Bestnote“ von fünf Punkten gegeben.

Sabine Weyer, vielen Dank für dieses Interview!

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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