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Einfach Klassik.

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Gespräch mit David Geringas  – Meisterliches vom Trio Fabel 

Ein Gastbeitrag von Ekkehard Ochs

Seit dem 16. September ist Deutschlands „Sonneninsel“ Usedom wieder Treffpunkt zahlreicher Musikfreunde. Und der bisherige Verlauf des diesjährigen 30. Jahrgangs des Usedomer Musikfestivals zeigt, dass es wohl wieder die gewohnt erfreuliche Präsentation vieler unterschiedlicher Programmpunkte werden wird, an deren Ende (7. Oktober) sich das komplexe Bild einer nationalen Musikkultur herausschält: in diesem Falle Lettlands.

Lettische Musik, lettische Künstler*innen – das Angebot ist in vielerlei Hinsicht außerordentlich verlockend. Schade deshalb, dass gleich kurz nach der spektakulären Eröffnung in Peenemünde ein weiterer Höhepunkt nicht zustande kam, nachdem Marina Rebeka, eine weltweit führende lettische Sopranistin, plötzlich bei einer Bühnenprobe verunfallt war und die Reise nach Usedom nicht antreten konnte. Da ist dann etwas Glück gefragt. In diesem Falle hieß das: Meistercellist David Geringas – ohnehin schon auf Usedom weilend und demnächst dort vielbeschäftigt – ,seine Frau, die Pianistin Tatjana Geringas und Tamami Toda-Schwarz, ebenfalls Pianistin. Dazu gesellten sich mit Dr. Jan Brachmann der Dramaturg des Musikfestivals und ein soeben erschienenes Buch von David Geringas: „Sag das niemandem. Lebenserinnerungen eines Cellisten“, aufgeschrieben von Jan Brachmann. Der Termin war gerettet, die Evangelische Kirche in Seebad Ahlbeck voll. Es gab Musik für Cello und Klavier sowie aufschlussreiche Plaudereien zwischen Geringas und Brachmann. Der unbestreitbare Effekt: Geringas, den man auf der Insel seit langem bestens kennt und schätzt, ist nun nicht mehr nur der Cellist. Er hat plötzlich viele bislang unbekannte Seiten, ein prägnantes, biographisch außerordentlich lebendiges und abwechslungsreiches Profil, das in Ahlbeck natürlich nur punktuell besprochen werden konnte.

David Geringas, Foto © Geert Maciejewski
David Geringas, Foto © Geert Maciejewski

Deutlich aber wurde, dass der Schüler Mstislav Rostropowitschs und Gewinner des Tschaikowski-Wettbewerbs 1970 die internationale Cellisten-Welt mitprägen half. Er hat viele für ihn geschriebene Werke uraufgeführt, kannte und kennt alle bedeutenden Komponistenkollegen zunächst der Sowjetunion, dann auch international und ist damit Zeitzeuge auch politisch brisanter Entwicklungen. Übrigens einer der vielen, die ihr Heimatland auf Grund repressiver Maßnahmen der Sowjetregierung verlassen haben. Für das Ehepaar Geringas war das 1975. So geriet der Ahlbecker Abend auch dank der kompetenten Moderation Dr. Brachmanns sowie diverser musikalischer Einlagen von Werken Schumanns, Dvořaks, Brahms` und Rachmaninows (Lieder) sowie zweier Sätze aus der Cellosonate von Schostakowitsch zu einer im besten Sinne unterhaltsamen, anregenden Veranstaltung. Und das erwähnte Buch sollte man sich als so fakten-wie aufschlussreich und sehr lesefreudlich geschrieben unbedingt besorgen!

Sehr lettisch ging es dann zwei Tage später zu. In der Evangelischen Kirche Mellenthin, einem gotischen Kleinod von 1319 mit Deckenmalereien von 1420, gastierte das Trio Fabel mit Anna Gāgane (Klarinette), Kristaps Bergs (Violoncello) und Linda Leine (Klavier). Das Fazit vorweg: Ein Abend vorzüglichen Musizierens. Ein Ensemble – erst 2019 gegründet – das über alle Vorzüge einer mit großer Geschlossenheit musizierenden Gemeinschaft verfügt. Die Gestaltungsfähigkeiten des Trios sind bemerkenswert, die Tonqualitäten vorzüglich, die technischen Fertigkeiten ausgeprägt.   Der Musizierstil orientiert sich an den Gegebenheiten der Werke und erstaunt durch sehr detailliert ausgearbeitete Feinheiten der Wiedergabe. Das geht keinesfalls zu Lasten mit Verve und Stringenz gestalteter Bögen, die den Hörer sehr schnell einbeziehen und nicht wieder loslassen. Agogik ud Dynamik erscheinen so ausgearbeitet wie angebracht. Beste Voraussetzungen also für Beethovens „Gassenhauertrio“ op. 11, das sehr munter, mit oft handfestem Zugriff, kernig artikuliert und ausgeprochen kontrastgeschärft erklang, die gegenteilige Seite aber, ein lyrisch verhaltenes,  klangsensibles Adagio ebensowenig vermissen ließ wie den hurtigen Witz und die brillanten Frechheiten des Variations-Finales. Ein Beethoven so recht zum Anfassen!

Tatjana & David Geringas, Foto © Geert Maciejewski
Tatjana & David Geringas, Foto © Geert Maciejewski

Bei Brahms – Klarinettentrio a-Moll op. 114 – konnte man gar noch manches draufgeben: tonlich gesteigerte Variabilität, intensivste Klangentfaltung, Schwung, Energie, ein Stürmen und Drängen, viel Drastik und Dramatik. Das Ganze ein unwiderstehliches, dennoch stets hochkonzentriertes Musizieren, das aber auch mit schönster Sanglichkeit begeistern konnte. Alles war geprägt von griffiger Rhetorik, handfester Gestik und einer mit berührender Leidenschaftlichkeit präsentierten „Mitteilungsdichte“, die so beabsichtigt wie gelungen erschien. Ein starker Brahms!

Sehr anders die Klangwelten zweier lettischer Kompositionen. Ēriks Ešenvalds (geb. 1977) „Spiegelungen im Wasser“ arbeiten eher atmosphärisch mit Einzeltönen, kurzen Tonkombinationen, verhauchten Klängen und Geräuschfetzen, also Glissandi (Cello und Klavier), Flageoletts (Cello) und präpariertem Klavier. Dem Ganzen eignet eine gewisse Klangstarre, die allerdings verhaltene und sich auch dynamisch ändernde, langsame Bewegungen kennt, betont im gelegentlichen Auftauchen einer Volksliedmelodie (Klarinette).  Das Stück ist klanglich attraktiv, wirkt durchaus kurzweilig und wird dem Thema „Spiegelungen“ gerecht. Glöckchenklänge und – eigentlich vorgeschrieben, aber nicht realisierbar – eine Okarina (leider defekt) vervollständigten nachvollziehbar ein Bild, das der Komponist so beschrieb: „Stille, zerbrechliche Spiegelungen sind hingestreut auf die Oberfläche eines Sees. Es ist ein Bild, das vom Wind bewegt und vom Himmel beherrscht wird.“ Geschickt gemacht. Hörenswert!

Georgs Pelēcis (geb. 1947) hat sein „ Lyrisches Tryptichon lettischer Volkslieder“ dem Fabel-Trio gewidmet. Drei Lieder unterschiedlichen Charakters werden paraphrasiert. Und es darf auch gesungen werden, was die Instrumentalisten dann auch gern tun. Im Übrigen erweist sich Pelecis als geschickter Meister im Umgang mit den Liedern, die er oft solistisch oder im Ensemble und nicht selten linear polyphon begleitet. Der Ausdrucksambitus reicht von der schlichten Solo-Melodie bis zu heftigen Klangausbrüchen, von melancholischer Lyrik bis zu neckischer Spielfreude . Im dritten Lied, dem lettischen Nationallied „Put vejni“ (Winde wehen), wird dann sogar dreistimmig a cappella gesungen. Hörenswert auch dieses Stück, nicht zuletzt auch als Dokument einer tief in Lettland verwurzelten Tradition des Singens und Verarbeitens von Volksliedern.

In Mellenthins altem Gemäuer ging es nach den letzten Tönen recht lebhaft, weil begeistert, zu. Die furiose Zugabe – ein Satz aus einem Klaviertrio Nino Rotas – war überaus geglückter Schlusspunkt eines Konzertabends, der auch weite Anreisen lohnte!    

Titelfoto @ Geert Maciejewski

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