Der Musikmarkt ist mit Aufnahmen von Beethovens Violinkonzert d-dur op. 61 regelrecht überschwemmt. Aufgrund der Unübersichtlichkeit ist da die Auswahl natürlich sehr schwer. Und doch lohnt es sich, die unterschiedlichen Einspielungen einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Ein Blick in mein eigenes Privatarchiv bringt bis zum heutigen Tage sage und schreibe 18 verschiedene Ausgaben dieses Konzerts zutage.
Jascha Heifetz schnörkellos
Man könnte hinter Beethovens Violinkonzert also schon vom Tage der Veröffentlichung an eine Erfolgsgeschichte vermuten. Das entspräche allerdings nur der halben Wahrheit. War die Premiere 1806 in Wien noch einigermaßen geglückt, so wurde das Konzert danach über mehrere Jahrzehnte hinweg kaum gespielt, denn es galt als zu schwierig und nicht aufführbar. Beethoven hatte das Werk extra für den Geigenvirtuosen Franz Clement komponiert, ihm die Partitur aber erst 2 Tage vorher ausgehändigt. Clement galt zwar als eher besonnen aber es ist durchaus denkbar, dass er, aufgrund nicht ausreichender Zeit für Proben, ziemlich angespannt war. Trotzdem meisterte er die Aufführung souverän und erfreute das Publikum zwischendurch sogar mit ein paar Kunststücken, hatte er doch gemerkt, dass sich schon beim 1. Satz eine gewisse Langeweile unter den Gästen breitmachte. Erst nach Beethovens Tod wurde das Konzert langsam aber sicher immer populärer. Es existiert auch eine Klavierfassung op.61a. Ob diese aber von Beethoven selbst oder einem seiner Schüler stammt, ist nicht eindeutig geklärt.
Die von mir favorisierte Aufnahme dieses Meisterwerks entstand 1955 mit Jascha Heifetz und dem Boston Symphony Orchestra unter der musikalischen Leitung von Charles Munch. Heifetz galt als einer der bedeutendsten Geigenvirtuosen seiner Zeit. Sein Spiel ist absolut schnörkellos, präzise und frei von jeder Sentimentalität oder künstlicher Süsse. Die tempi sind exakt bemessen und in den lyrischen Passagen fein austariert bis in die letzte Nuance. Die Stereo-Tonqualität der analogen Aufnahme in der von der RCA restaurierten Wiederveröffentlichung ist frisch, dynamisch und lebendig, die Abbildung kann selbst heute noch höchsten Ansprüchen genügen.
Düsterer Höreindruck
Die fünf Paukenschläge zu Beginn des Konzerts klingen bei dieser Aufnahme so düster, als würde jemand, dem sein letztes Stündlein geschlagen hat, zum Galgen geführt. An diesen ersten Höreindruck kann ich mich noch gut erinnern. Tatsächlich wollte Beethoven der Überlieferung nach aber möglicherweise die Aufbruchsstimmung zu Beginn der französischen Revolution notentechnisch umsetzen. Man könnte den Bogen jetzt weiter spannen und schlussfolgern, dass hier der Absolutismus zu Grabe getragen werden sollte.
Obwohl Heifetz aufgrund seiner jüdischen Herkunft nach 1933 nicht mehr in Deutschland aufgetreten ist, spielte er aber nach wie vor Werke deutscher Komponisten. Welch ein Glück für die Nachwelt, denn sonst wäre diese Aufnahme wohl nie entstanden. Sein Beethoven- Violinkonzert ist nicht nur ein alter Schatz, sondern eine echte Perle in jedem privaten Musikarchiv.