Dass der Kontrabass sehr cantabile spielen kann wurde nun schon oft bewiesen. Es ist eines der beliebtesten Konzepte für Kontrabass-Soloalben.
Timo Hoppe ist Bassist mit Leib und Seele, wie man immer so schön sagt. Bei ihm ist diese Aussage sehr zutreffend, denn Hoppe lebt und atmet den Bass in sehr vielen Aspekten. Hervorragende Ausbildung als Solist und langjährige Zusammenarbeit mit Orchestern ist ja oft vorausgesetzt, zusätzlich bemerkenswert ist aber, dass Timo Hoppe seit den 90er Jahren die historisch informierte Aufführungspraxis als eine Passion für sich entdeckt hat. Und auch den E-Bass hat er sich aus seiner Jugend als Fokus behalten, was ihn aus dem reinen Orchester- und Ensemblekontext über einen weiteren Horizont bringt.
Für seine Solo-CD „Lieder ohne Worte“ hat sich Timo Hoppe zusammen mit der Pianistin Ekaterina Schabanova dann aber doch romantisches Repertoire ausgesucht, das zunächst programmatisch nicht sehr herausfordernd zu sein scheint. Tatsächlich geht die Aufnahme der Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy in einer Bearbeitung für Klavier und Kontrabass im Wohnzimmer gut durch den Player und verströmt sehr angenehme Atmosphäre.
Timo Hoppe mit Leib und Seele
Und das beliebte Konzept des „singenden“ Kontrabasses geht hier voll auf, eine Punktlandung von Timo Hoppe. Er zeigt einen wirklich großen, warmen und runden Ton, der sehr expressiv sprechen kann. Der Bassist arbeitet mit Verzierungen dabei sehr dosiert, setzt Vibrati nur so, dass sie einer wehmütig erzählenden Singstimme gerecht werden. Auch Bogen- und andere Spielgeräusche sowie Atmen der Musiker*innen sind so gut wie nicht zu hören, das lässt meine Konzentration ganz bei der Musik.
Ekaterina Schabanova zieht sich sehr in die Begleiterinnenrolle zurück, überlässt dem Bassisten die Bühne, und spielt ruhig und souverän. Wobei sie dann und wann mit viel Understatement doch kleine Glanzpunkte setzt, wenn sie hohe Töne im piano mit genau der richtigen Anschlagstärke im Raum platziert und wie Sternschnuppen leuchten lässt.
Für mich ist der schönste Aspekt dieses Albums aber tatsächlich das Zusammenspiel von Timo Hoppe und Ekaterina Schabanova, sie schaffen eine bemerkenswerte klangliche und spielerische Synergie. Gerade in den Mittenfrequenzen vermengen sich beide Instrumente oft und immer wieder sehr angenehm, ohne dabei and Ortbarkeit zu verlieren. Es ist eher wie ein geselliges Miteinander gut aufeinander eingestellter Musiker*innen. Das zeigt sich auch im Spiel der beiden, wenn die Pianistin die Melodielinien des Kontrabasses auffängt und mitnimmt wie ein Wal den Schwimmer, und wenn der Bassist in die Klavierbegleitung hinein spielt, sich fallen lässt. Ganz besonders deutlich wird das in den agileren Passagen des „Op. 38, No. 2 Allegro non troppo“ und im folgenden „Op. 38, No. 6 Andante con moto“, im Letzteren auch in den angenehm zurückhaltenden Unisonoläufen.
Seidige Melodien
In den beiden “Op. 85, No. 1 Andante espressivo in F Major” und “Op. 85, No. 4 Andante sostenuto in D Major” gibt die Pianistin dann ganz klassisch ruhig und kontrolliert Timo Hoppe den Hintergrund vor dem er die Melodien mit seiner Kontrabaßstimme fast seidig ziehen kann.
Timo Hoppes Erfahrung und Vielseitigkeit fliesst auf diesem Album in die hohe Qualität seines Vortrags der “Lieder ohne Worte” und gerade wenn man den tieffrequenten Instrumenten in der Solorolle zugetan ist, dann ist diese Aufnahme ein reiner Genuss!