Das aktuelle Album der Luxemburgerin Albena Petrovic erforscht die weite Welt des Saxofonklanges und kann dafür auf eine überragende Besetzung vertrauen. Vor allem die Nähe dieses Instruments zur menschlichen Stimme gehört zu den Erkenntnisprozessen dieser Musik…
Das Saxofon ist zu „dem“ Jazzinstrument schlechthin geworden – allein wegen seiner riesigen Bandbreite an expressiven, gerade für improvisiertes Spiel prädestinierten Möglichkeiten. In der klassischen Konzertmusik spielt dieses Holzblasinstrument, was überhaupt nicht wie ein solches aussieht, eine eher untergeordnete Rolle und dient – von singulären Ausnahmen abgesehen – meist als zusätzlich Klangfarbe im Orchester.
Die Neue Musik kennt solche Einschränkungen nicht mehr. Und das wird deutlich, wenn die luxemburgische Komponistin Albena Petrovic bei diesem Instrument jene Aspekte von Nähe zur menschlichen Stimme ausleuchtet. Der Personalstil dieser Komponistin ist im positiven Sinne eigenwillig. Getragen von einem raffinierten, aber nie zum Dogma erhobenen Minimalismus entfalten Töne, Motive und Klänge einen weiten, rezitativischen Atem, bei dem metrische Konstrukte den natürlichen Fluss nur einengen würden. Aber so etwas ist in der musikalisch-kompositorisch-geistigen Welt der Luxemburgerin nie Selbstzweck: Auch in den rein instrumentalen Stücken will immer etwas zum Sprechen gebracht werden, fast so, als würden die Instrumente und Stimmen Theaterdarsteller auf einer weiten imaginären Bühne sein.
Ein neues klangliches Umfeld
Auf „Dreamlover“ hat Albena Petrovic solche Prinzipien in ein neu klingendes Umfeld verpflanzt, wobei sich auch einige ältere Stücke zu diesem neu enstandenen Ganzen vereinen. Zu den Akteuren gehören Gesangsstimme und Klavier – und eben auch das Saxofon in seinen diversen Ausprägungen und Tonregistern. Gerade letzteres sorgt für die faszinierende Klangerfahrung dieses neuen Albums.
Saxofon und Klavier reiben sich im „Concerto for Baritone saxophone“ meist dissonant, aber es entwickeln sich daraus neue Gedanken immer weiter, bis schließlich der zweite Satz in ein dunkles „Lacrimae“ mündet, was zum aktuellen Zeitkontext beklemmend gut passen mag. Das Instrument schnalzt, gluckst und spricht, während das Klavier nur durch den Nachhall sämtlicher Saiten subtile Klangräume eröffnet. Möglich ist all dies, weil sich hier zwei absolute Könner auf Albenas darstellerische Absicht eingeschworen haben: Zum einen der Saxofonist Joan Martí-Frasquier, der sich ebenso wandlungsfähig in Albenas Klangideen einfühlt wie der sensible Pianist Romain Nosbaum – kein anderer Musiker dürfte schon seit Jahren so nah an der Ideenwelt dieser Komponistin dran sein.
Albena Petrovic – Expression und Minimalismus
Der Spannungsbogen auf „Dreamlover“ bleibt bis zum letzten Moment abwechslungsreich: Albenas neueste Komposition „Poéme Masques“ beinhaltet eine persönliche Reflexion aktueller Zustände aufgrund diverser literarischer Sujets: Man kann viel hinein interpretieren in diesen Text, der sich um Masken dreht in verschiedenen Ausdeutungen, die aber alle immer etwas mit Distanzierung zu tun haben. Dem expressiven Gesang der Sopranistin Cynthia Knoch steht ein auf die Spitze getriebener Minimalismus gegenüber, der aber seine Wirkung nie verfehlt: Oft reicht eine einzige karge Intervallfolge für das kraftvolle Gegengewicht zum Gesang.
Solistisch auf dem Saxofon geht der Weg auf diesem Album weiter, bevor das Finale die „Isolation“ aufbricht: Denn jetzt überwindet das fabelhaft aufspielende Kebyart-Ensemble auch die letzten Berührungsängste zwischen Jazzdiktion und klassischer Kunstmusik. Grundlage ist Albenas schon im Jahr 2006 komponiertes Quartett „Gebet zum Nichterscheinen“, in dem das Baritonsaxophon als Solist in das Gesamtensemble integriert ist.Obwohl sie ihr Stück in dieser Phase fertigstellte, wurde es nicht veröffentlicht und erlangte daher nach der Uraufführung nur wenig Bekanntheit. Jetzt, fünfzehn Jahre später, hat sie es dank des Kebyart Ensembles wiederentdeckt. Und ja, das lebendig aufblühende Zusammenwirken dieser Saxofon-Stimmen entfaltet auch in Albenas spezifischer Diktion eine ausgeprägt „jazzige“ Note.