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Na’ama Goldman Cover

CD-Review: Na’ama Goldman – Legata

Die israelische Mezzosopranistin Na’ama Goldman ist nicht allein damit ausgefüllt, ihre charismatische Stimme den großen Opernrollen zu schenken. Jenseits der großen Bühnen wuchs bei ihr das Anliegen, künstlerisch zu sich selbst zu finden. Die Zeit war reif für ein Liederprogramm, das sie zusammen mit dem italienischen Pianisten Giulio Zappa auf ihrer neuen CD „Legata“ präsentiert. 

Und das ist nicht einfach „nur“ die Essenz ihres persönliches Lieblingsrepertoire. Vielmehr wird ein viel größeres Rad gedreht, wenn Musikstücke verschiedenster Provenienz ein kraftvolles, zeitloses Statement für die jüdische Kultur setzen. Dabei ist es kein Zufall, dass gerade Na’ama Goldmans eigener Umzug nach Berlin als Inspirationsquelle fungierte. Die Stadt spielt in der eigenen Familiengeschichte eine Rolle, ebenso wie Berlins Weltoffenheit heute ein Zeichen der Hoffnung markiert. All dies und noch viel mehr bringt „Legata“ in faszinierender Vielschichtigkeit zum Klingen. 

„Deux Mélodies Hebraiques“ von Maurice Ravel eröffnen das Programm. Der französische Komponist hat sich hier der spirituellen Melodik des Synagogal-Gesangs angenommen, aber nicht ohne eine eigenes, fast revolutionäre Aussage zu treffen: Gemäß streng jüdisch-orthodoxer Lehre ist der Gesang des Trauergebets „Kaddisch“ nur Männern vorbehalten. Ravel hat die Musik ausdrücklich einer Frau auf den Leib geschrieben. Allein deshalb war dieser Programmpunkt ein Muss für Na’ama Goldman, der es auch um die Befreiung einer gewachsenen Kultur von jeder überkommenen Dogmatik geht. Nicht nur in den Melismen und Vokalisen dieses Stückes vollführt Na’ama Goldmans dramatisch-kraftvoller Mezzosopran eine aufregende Gratwanderung zwischen Orient und Okzident. 

In mystischem Glanz schimmern zwei spätromantische, aber in diesen Klangfarben auch irgendwie expressionistisch anmutetende Lieder von Erich Wolfram Korngold. Ebenso zeugt es von hoher Souveränität, dass sich auch Mahlers Lieder, allen voran „Wo die schönen Trompeten blasen“, ein Liebeslied aus Kriegsszeiten, in diesen Spannungsbogen einfügen und in jedem gesungenen Ton eine erschütternde Gefühlstiefe entfalten. Friedlicher, aber nicht minder sehnsuchtsvoll kommt das „Rheinlegendchen“ daher. Von Todessehnsucht kündet das Rückert-Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen.“ Ja, Na’ama Goldman bevorzugt durchgängig das Extroviert-Dramatische, was aber in jedem Moment authentisch und nie prätentiös wirkt. In diesem Sinne erweist sich das nobel-empfindsame Klavierspiel von Giulio Zappa als symbiotisches Pendant zur flammenden Leidenschaft dieser Mezzosopranistin, um ein ausgewogenes Ganzes zu komplettieren. 

Kurt Weill ist ein Komponist, der für Goldmans Wahlheimat idealtypisch steht. „Nannas Lied“ , ein bittersüßes Wirklichkeits-Protokoll beschreibt in lakonischen Worten und ebensolchem musikalischen Gestus das Leben einer Prostituierten. Schonungsloseres, ehrlicheres „Berlin-Feeling“ aus dem 1920er Jahren lässt sich wohl kaum in Musik kleiden.

Eine aufregende Erkundungsreise mit Na‘ama Goldman

Im zweiten Teil des Programms nimmt „Legata“ seine Hörer auf eine Erkundungsreise originär jüdischer Musik aus Geschichte und Gegenwart ein. Joel Engel stammte aus Russland, emigrierte aber nach Palästina, wo er im Jahr 1927 starb. Er hat einen großen Schatz jüdischer Volkslieder aus Russland vor dem Vergessen bewahrt und neu arrangiert. Na’ama Goldman nimmt sich auch dieser Materie mit charismatischer Eindringlichkeit an. Nach einer rezitativischen Einleitung beeindruckt die tänzerische Sinnlichkeit in seinem Lied “Nor noch dir“. Von liebevoller Wärme ist das Lied „A mol iz geven a Maise“ durchdrungen. Verspielt und leicht kommt das Stück „A mol iz geven a Mais“ daher . Eyal Bat ist einer der führenden lebenden Komponisten in Israel. Wie traurige, ergreifende Chancons lässt das Duo auch dessen Stücke erblühen. Vertreten ist hier ebenso Sasha Argov, der aus Russland stammte, sich aber später besagten hebräischen Namen zulegte und nicht weniger als 1200 Lieder hinterlassen hat. Hinreißenden Charme entfaltet dessen Stück „Hakol zahav“, welches mit einer Art Bach-Phrase beginnt, dann aber umso mehr tänzerischen Groove aufnimmt. Ähnlich verhält es sich mit einem Liebeslied, zu dem Na´ama Goldman sogar einen familiären Bezug hat. Der Komponist David Sonnenschein hatte es ihrer eigenen Großmutter gewidmet.

Na‘ama Goldman, Foto © Maria Rosenblatt
Na‘ama Goldman, Foto © Maria Rosenblatt

Es lohnt sich, die im Booklet abgedruckten Texte zu studieren. Davon abgesehen weckt die artikulatorische Brillanz, mit der Na’ama Goldman jede noch feine seelische Schwingung plastisch abbildet, die Faszination für die verschiedenen, hier zum Einsatz kommenden Sprachidiome. Im Pianisten Giolio Zappa sieht Na’ama Goldman einen Mentor und Lehrer. Wie er auf die expressive Geste der Sängerin mit beredter Schlichtheit reagiert und gerade dadurch auch die feinste Seelenregung abbildet, kann als sensationell bezeichnet werden. Hier ist auf jeden Fall ein Duo auf Augenhöhe am Werk.

Der Titel „Legata“ hat übrigens einen programmatischen Hintergrund: Nach Na’ama Goldman eigenem Bekunden ist der Titel dem italienischen Wort „legato“ für „etwas verbundenes“ entnommen, was ja auch dem Konzept dieser Aufnahme sehr gut entspricht. Die Endung mit dem Buchstaben a verweist dabei auf die weibliche Perspektive.

Das Album

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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