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Einfach Klassik.

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Interview mit Adriana von Franqué

Ein Gastbeitrag von Beatrice Ballin


Die Pianistin Adriana von Franqué veröffentlicht ihr neues Album „Filigrane“ Im Interview verrät sie Hintergründe über Konzept und Werkauswahl dafür.

Adriana von Franqué, „Filigrane“ heißt Ihre neue CD und Sie geben in Ihrem Booklet drei französische und eine deutsche Definition für Filigrane an. Welcher von diesen Definitionen entspricht Ihre Stückauswahl oder Ihrem Klavierspiel am meisten?

Allen Definitionen gleichermaßen. Das ist ja das Schöne und vor allem Passende an diesem Wort! Das sonore Wasserzeichen, was die Stücke untereinander verbindet, besteht ja zu großen Teilen auch aus diesen Feinheiten –  den filigranen Details.

Ganz allgemein gefragt: Wie sind Sie auf den Titel gekommen?

Ich bin ein kleiner Sprachnerd und drücke mich gerne präzise aus. Wenn ich ein Wort interessant finde, dann merke ich es mir manchmal für zukünftige Projekte. Es war ein Zufall, dass ich gesehen hatte, dass „Filigrane“ das französische Wort für Wasserzeichen ist. Das hat mir einfach gefallen.

Ihr Nachname von Franqué mit Accent aigu ist nicht typisch deutsch. Haben Sie französische Wurzeln? Eine anderweitige innige Beziehung zu Frankreich oder Paris?

Also, meine Beziehung zu Paris ist tatsächlich sehr innig und wurde noch verstärkt durch dieses Albumprojekt! Tatsächlich werde ich öfter gefragt, ob ich französische Wurzeln habe – ich habe aber deutsche (Vater) und bolivianische (Mutter) Wurzeln. Mein Nachname hat eine interessante Geschichte. Ursprünglich kam die Familie meines Vaters aus Franken und war vor mehreren Jahrhunderten nach Frankreich ausgewandert. Dort wurde sie deshalb Franqué genannt. Später kam die Familie zurück und darunter gab es im 19. Jahrhundert einen Arzt, der einen russischen Zaren heilte. Daraufhin wurde die Familie geadelt.

Die Komponisten der französischen Schule mit ihrem polyphonen Stil sowie die Impressionisten stehen bei Musikliebhabern im Ranking meist weit hinter den Klassikern und Romantikern. Entsprechend seltener werden sie aufgeführt oder auf CD eingespielt. Was fasziniert Sie an der impressionistischen Musik? Haben Sie unter den Impressionisten einen Lieblingskomponisten?

Ich empfinde es eigentlich selbst gar nicht so, dass die Impressionisten bei Musikliebhabern im Ranking eher hinter den Klassikern und den Romantikern kommen. Insbesondere glaube ich, dass es für Hörer mit weniger Erfahrung mit klassischer Musik viele Anknüpfungspunkte gibt. Die Musik ist uns zeitlich zur heutigen einfach näher und bietet sehr viele Freiheiten bei der individuellen Perzeption. Ich möchte da selbst aber auch gar kein großes Ranking machen, da ich Werke der Klassik, der Romantik und des Barock ebenfalls unglaublich gerne spiele und selbstverständlich für wertvoll erachte! 

Was mich persönlich an der impressionistischen Musik so fasziniert ist ihr Fokus auf den Klang. Man kann so schön mit Klangfarben experimentieren und wirklich spielen! Es gibt kaum Grenzen, welche Bilder dabei im Kopf entstehen. Ich fühle mich dabei oft wie in eine Klangwolke eingetaucht, in der ich ein sanftes Bad nehmen kann. Man spürt diese Musik einfach.

Lili Boulanger und Maurice Ravel stehen bei mir ganz weit oben.

Adriana von Franqué, Foto © Nieves von Franqué
Adriana von Franqué, Foto © Nieves von Franqué

Sie interpretieren auf Ihrer CD „Filigrane“ Werke von fünf Komponistinnen und Komponisten: Lilli Boulanger, Simon Laks, Maurice Ravel, Claude Debussy und César Franck. Liest man das Booklet, fällt auf, dass diese fünf nicht nur die musikalische Sprache eint, sondern auch ihre Lebensläufe auf die eine oder andere Weise ineinandergreifen. Heißt das, dass Sie sich zuerst mit den Komponisten und ihrer Vita befasst haben, bevor Sie die Idee für die CD hatten und die Stückauswahl getroffen haben? Oder waren zuerst die Stücke und Sie haben den Zusammenhang per Zufall entdeckt?

Tatsächlich habe ich den Zusammenhang erst bei meiner Recherche entdeckt, die dann natürlich mein detektiertes musikalisches Wasserzeichen bestätigt hat. Die Stückauswahl und der Titel standen schon länger fest. Umso mehr hat es mich gefreut und auch beeindruckt, wie „eng“ der Kontakt zwischen all den Komponist*innen war, obwohl sie einige Jahre auseinander lagen.

Lili Boulanger, die meistaufgeführte Komponistin des französischen Impressionismus, hatte ein Schicksal, das besonders berührt. Was macht ihre Musik so einzigartig.?

Ihre Musik bildet sofort einen Sog. Man möchte sie völlig aufnehmen und muss auch bis zum Schluss aufmerksam aufpassen, was sie mit ihrem glasklaren Einfallsreichtum erschafft. Es gibt keinen Moment der Statik, obwohl die Musik zu schweben scheint. In „D‘un vieux jardin“ passiert auf zwei Klavierseiten so viel wie bei manch einer Symphonie und doch ist man als Hörer nicht überfordert. Es ist, wie wenn jemand einen sanft an die Hand nimmt und durch einen Garten führt, der voller unzähliger Details, Wunder und Mysterien steckt. 

Und auch die Vita von Simon Laks lässt den Hörer betroffen zurück. Haben Sie bewusst „Hommage à Chopin“ ausgewählt, eine Ballade, die er erst nach den Schrecken von Auschwitz komponiert hat, zu einer Zeit, in der er kaum noch komponierte?

Ich habe dieses Stück von einem Freund empfohlen bekommen, der meine große Liebe zu Chopin kennt. Da wusste ich noch nicht genau, wann es entstanden war und wer Simon Laks ist. Die Musik hat mich einfach direkt überzeugt und auch neugierig gemacht. Das Stück ist 1949 entstanden und war Gewinner eines polnischen Kompositionswettbewerbs anlässlich des 100. Todestages von Chopin. Es ist eine ganz raffinierte Mischung aus der französischen Klangsprache aus den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg und an Chopin erinnernde Rhythmen und Melodien.

Es ist einfach unfassbar traurig und auch nicht in Worte zu fassen, wie schrecklich das Schicksal von Simon Laks gewesen sein muss, der ja auch in seinem Buch „Musik in Auschwitz“ die erlebten Grausamkeiten während seiner Zeit in Auschwitz II schildert.  Die Tatsache, selbst zu überleben, während um ihn herum der Tod wütet, hat ihn zerrissen. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand er zusätzlich nicht nochmal Anschluss an die Kompositionswelt, weil er sich nicht an die zeitgenössischen Kompositionstrends anpassen wollte. Ich wünsche mir, dass seine Werke mehr gespielt werden und freue mich sehr, dass er gerade wiederentdeckt wird. Im Sommer 2023 hatte ich das große Glück, mit seinem Sohn André Laks in Paris ein langes Gespräch führen zu können und auch aufzuzeichnen, um mehr Persönliches über Simon Laks zu erfahren.

Adriana von Franqué, Foto © Nieves von Franqué
Adriana von Franqué, Foto © Michelle Mantel

Zu Ravels „Noctuelles“, einem Stück aus dem 1905 entstandenen Klavierzyklus „Miroirs“ geben Sie ein klares Stimmungsbild ab. Was fasziniert Sie an diesem Stück?

Es ist das versponnenste Stück aus den Miroirs. „Noctuelles“ bedeutet Nachtfalter, also einfach gesagt: Motten, und stellt ein Bild eines Mottenschwarms dar. Ich meine, dass man in diesen hektischen, nervösen Passagen sogar den Wind ihrer unzähligen Flügelschläge spüren kann. Gleichzeitig hört man auch das Licht, was diese Insekten im Flug ansteuern. Wenn ich das Stück spiele, kommen mir immer die Lichter in den Bäumen des Berliner Ku’damms an Weihnachten in den Sinn, weil ich das Stück vor ein paar Jahren zum ersten Mal in der Weihnachtszeit gespielt hatte. Irgendwie ist dieses Bild hängen geblieben und ich verwandle die kleinen Noctuelles in Glühwürmchen. Das haben sie aber eigentlich nicht nötig – Motten sind seitdem ich dieses Stück kenne für mich ganz filigrane Tiere. Man betrachte nur ihre feinen gräulichen Glitzerpartikel am Insektenkörper und auf den Flügeln. Ravel hat außerdem in dieses überwiegend aufgeregte Stück einen sinnlichen, ruhigen Abschnitt komponiert, bei dem ich eine Romanze zwischen zwei Motten vermute. Das Stück ist einfach fantastisch!

Den Text für das Booklet haben Sie selbst geschrieben und er liest sich wie ein kleiner, spannender Roman. Eigentlich viel zu schade, um „nur“ in einem Booklet abgedruckt zu sein. Sie sind dafür bekannt, dass Sie Ihre Konzertprogramme meist auch selbst moderieren? Werden Sie die eingespielten Stücke aufs Podium bringen und dabei über die Komponisten erzählen?

Vielen Dank! Ich hatte richtig Spaß beim Schreiben des Booklets, für das ich extra nach Paris gefahren bin, um mich dort nochmals intensiv mit den Hintergründen auseinanderzusetzen. Wenn der Rahmen es zulässt, dann moderiere ich meine Klavierabende immer sehr gerne. Dem Publikum und mir fällt es dann noch leichter, uns auf die Stücke einzulassen. Ich entdecke außerdem immer so viele interessante Informationen über die Stücke, die ich aktuell spiele. Da gebe ich mein Wissen sehr gerne weiter! Zur Feier der Veröffentlichung des Albums bringe ich dieses Jahr die eingespielten Stücke in moderierten Release-Konzerten u.a. in Paris, Berlin, München, Madrid und Leipzig aufs Podium.

Adriana von Franqué, vielen Dank für dieses Gespräch!

Titelfoto von Nieves von Franqué

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