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Einfach Klassik.

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Streichquartettklänge vom Feinsten – Inselmusik auf Rügen

Ein Gastbeitrag von Ekkehard Ochs

Nach dem Festival ist vor dem Festival! Will in diesem Falle heißen: Nur wenige Wochen nach den auch an dieser Stelle beschriebenen Kammer-Konzerten der „Spielenden Insel“ sind kürzlich drei Tage einer nicht minder anspruchsvollen „Inselmusik“ über die Bühne gegangen: auch auf Rügen, auch auf Kammermusik bezogen, diesmal aber nahezu ausschließlich dem Streichquartett gewidmet und veranstaltet von den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. Kenner konnten da nur mit der Zunge schnalzen. Denn mit dem Consone-Quartett (England, seit 2015), dem Quatuor Hanson (Frankreich, seit 2013) und dem Malion-Quartett (Deutschland, seit 2018) waren Ensembles gewonnen worden, die Frische, Schwung und Inspiriertheit ihrer Jugendlichkeit mit den herausragenden Qualitäten bereits erfahrener Interpreten zu verbinden wissen. So gerieten ihre jeweiligen eigenen Konzerte beziehungsweise Konzertteilnahmen zu aufschlussreichen und begeisternden Offenbarungen, oft genug mit mitreißendem Ausdrucks- und Gestaltungswillen. Dazu passten die vielen namhaften Lehrer,  internationalen Wettbewerbserfolge, hochkarätigen Stipendien, Preise und nicht zuletzt Konzerttätigkeiten in vielen Ländern der Welt. Attraktiv ist aber nicht nur dieses alle Verbindende, sondern auch das jeweilige Eigene. So musizierte das Consone-Quartett auf alten Instrumenten und mit historisch informierter Aufführungspraxis. Aber nicht etwa Barockes, sondern Schubert (B-Dur-Quartett D 68), Arriaga (2. Streichquartett), Bruckner (c-Moll-Quartett), Mendelssohn (Vier Stücke op. 81) und zusammen mit dem Pianisten Kit Armstrong (Hammerklavier) eine Quartettbearbeitung von Mozarts Es-Dur-Klavierkonzert KV 449. Eine starke Vorstellung. Mit ungemein transparentem, lockeren, an Pastell und gläserne Zartheit erinnernden Klang, oft wie schwebend, intim und dennoch voller mitreißendem Schwung, ja Rasanz, Tonintensität und Klangfülle. Das passte besonders gut zu Mozart, Schubert oder Mendelssohn mit hier traumhaften Aufführungen; aber eben auch zu anderen Komponisten. 

Consone Quartet, Kit Armstrong, Foto © Oliver Borchert
Consone Quartet, Kit Armstrong, Foto © Oliver Borchert

Vielseitigkeit ganz anderer (Spiel-)Art dann aber auch beim Malion-Quartett, der, zeitlich gesehen, jüngsten Quartett-Gründung. Der Musizierstil ist kräftiger, im Strich breiter, aber nicht weniger differenziert. Man liebt dramatische Emphasen, leidenschaftliches Ungestüm und pulsierend Aufregendes kann aber auch Liebliches in seinen schönsten Erscheinungsformen (Schubert) oder das Leichtfüßige französischer Impressionisten. Entsprechend variabel waren ihre Beiträge mit Beethoven (Große Fuge op. 133), Schubert („Der Tod und das Mädchen“ op. posth. D 810), Mendelssohn (Es-Dur-Quartett op. 12, Debussy (Streichquartett) und Fauré (Klavierquintett c-Moll op. 115, gemeinsam mit Kit Armstrong). Für die erst wenigen Jahre gemeinsamer Arbeit (Corona ist da wohl auch noch einzukalkulieren) waren das signifikante, hier vom Publikum  ebenfalls begeistert gefeierte Visitenkarten einer bislang schon sehr erfolgreichen und zu weiteren großen Hoffnungen berechtigenden Zusammenarbeit.  

Und dann gab es da noch das Quatuor Hanson, ein Ensemble, das mit seiner nunmehr zehnjährigen gemeinsamen Arbeit gewaltig punkten kann. Über Technik muss man da – wie auch bei den beiden anderen Ensembles – nicht reden. Vom Gestalterischen aber schon. Und da fallen einem keinerlei offene Wünsche mehr ein! Die Souveränität des perfekten Zusammenspiels ist beeindruckend, die Gestaltungskraft von geradezu suggestiver Wirkung. Und frappierend die Variabilität im Klanglichen, die Sensibilität in der Tongebung, ihre Nuancenfülle. Andererseits fesseln stärkste Lebendigkeit, bestürzende Dramatik und Klanggesten, die schon an Orchestrales erinnern. Aber auch das: Intensives Melos zum Niederknien. Und eine musikantische Unwiderstehlichkeit, die dann schon mal den Wunsch aufkeimen lässt: es möge doch nie aufhören! Dabei ist dies alles weitaus mehr als bloßer akustisch rauschhafter Vorgang. Immanent ist stets die geistige Dimension von Kunstwerken, mit denen man selbst korrespondiert, ja, die man gerade (vor)lebt, und deren „Inhalte“ man so unbedingt wie unmittelbar vermitteln will. Glänzende Beispiele dafür lieferte man mit Janačeks 1. Streichquartett  („Kreutzersonate“), Schuberts alle bis dato gültigen Kammermusikgrenzen sprengendem op. 161 (D 887) oder Beethovens cis-Moll-Quartett op. 131. Dass ein solcher (klug dosierter) Musizierstil auch einem Haydn gut bekommen kann (op. 20/2), wurde ebenso staunenswert bewiesen wie die Fähigkeit, Mendelssohns Geniestreich des Oktetts op. 20 (gemeinsam mit dem Malion-Quartett) perfekt und brillant über die Bühne zu bringen. Ein gutes Händchen – wen wunderts – hat man aber auch für die Moderne (Strawinsky, Vier Stücke für Streichquartett).   

Alfred Brendel, Foto © Oliver Borchert
Alfred Brendel, Foto © Oliver Borchert

Die Festspiele wären nicht die Festspiele, wenn sie nicht noch eine Besonderheit bei der „Inselmusik“ in der Hinterhand hätten. In diesem Falle waren das eigentlich gleich zwei: die Mitwirkung des Pianisten Kit Armstrong  und die des großen Alfred Brendel! Armstrong war 2014 WEMAG-Solistenpreisträger der Festspiele und 2018 Preisträger in residence mit mehr als seinerzeit 20 Konzerten. Er gilt als Ausnahmemusiker und bestätigt dies mit jedem Auftritt. Auf  Rügen  musizierte er – wie schon erwähnt – Mozarts Es-Dur-Klavierkonzert. Alfred Brendel, über den hier wohl nichts gesagt werden muss, leitete zwei Meisterkurse mit dem Malion-Quartett (Schubert) und dem Quatuor Hanson (Beethoven). Für die, die sich wundern sollten, dass ein Pianist mit einem Streichquartett arbeitet, sagt er: „Wenn es von Vorteil ist, dass ich als Pianist Streicher unterrichte, dann, weil ich in meinen musikalischen Vorstellungen unabhängig bin von Fingersätzen der Geiger. Ich versuche genau mitzuteilen wie etwas klingen soll, aber ich gehe nicht von der Spieltechnik aus, sondern von der Musik.“  Über seinen Schüler Kit Armstrong sagte er: „Kit Armstrong ist die größte musikalische Begabung, der ich in meinem ganzen Leben begegnet bin.“ Und das will etwas heißen bei einem Leben, das mittlerweile 92 Jahre währt. Brendel gestaltete dann auch noch eine Lesung aus seinem Buch  „A bis Z eines Pianisten. Ein Lesebuch für Klavierliebende“, für die Armstrong die entsprechenden Musikbeispiele von Bach bis Ligeti lieferte. 

Drei Tage auf Rügen und Musik von früh bis abends – ein Traum bei der „Inselmusik“! Und der wird sich wiederholen, denn der Termin für die nächst „Inselmusik“ steht fest: 11. bis 13. September 2024. Und wer sonst noch Bedarf an Kammermusik auf Rügen hat, der sei auf den „Festspielfrühling“ des Veranstalters hingewiesen: 8. bis 17. März 2024. Die Künstlerische Leitung übernimmt dann das Danish String Quartet.  

Titelfoto © Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

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