Richard Strauss hat einmal gesagt, dass ein guter Komponist in der Lage sein müsste, eine Speisekarte zu komponieren. Die im Laufe seines kompositorischen Lebens entstandenen Tondichtungen sind das künstlerische Vermächtnis eines Mannes, der für die Musik lebte und dessen vielseitige Werkschau bis heute nichts von ihrer ursprünglichen Faszination verloren hat.
Die vorliegenden, vom Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von Sebastian Weigle eingespielten Live-Aufnahmen, wurden bereits in der Vergangenheit als Einzel-CDs veröffentlicht. Jetzt sind sie erstmalig in einer Box erhältlich. Einige dieser sinfonischen Meisterwerke sollen hier näher beleuchtet werden.
Einmal mehr – Eine Alpensinfonie
Bereits als 15jähriger unternahm der 1864 in München geborene Strauss eine Bergwanderung durch die bayerischen Alpen und verarbeitete die dabei gewonnen Eindrücke viele Jahre später als „Eine Alpensinfonie“. In seiner Jugend als Klavierwerk erstmalig skizziert, wurde diese sehr beliebte und bekannte Tondichtung in späteren Jahren für ein größeres Orchester umgearbeitet und vervollständigt. Erst 1915 wurde das Werk dann in der heute bekannten Fassung vollendet und uraufgeführt.
Tontechnisch ist die Einspielung hörbar zurückhaltend. So klingt zum Beispiel das stürmische Gewitter eher wie ein Sturm im Wasserglas, zwar detailliert, aber viel zu zaghaft. Hier fehlt es deutlich an klanglicher Dynamik, welche die Dramaturgie der Passage unterstreichen müsste.
Ebenso wie „Der Antichrist – eine Alpensinfonie“, so wurde auch das sinfonieartige „Also sprach Zarathustra“ nach einer Schrift des bekannten Philologen Friedrich Nietzsche benannt. Strauss, der gegenüber dem Christentum eine ähnliche Abneigung wie Nietzsche empfand, komponierte dieses weltberühmte Klangmanifest im Jahre 1895, sozusagen als Gegenpol zum seiner Meinung nach philisterhaften Verhalten seiner damaligen Zeitgenossen. Selbst Klassik-Abstinenzlern ist die Einleitung des Stückes vertraut, etwa durch den Stanley Kubrick Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ von 1968. Auch Elvis Presley verwendete die Komposition als Eröffnungs-Szenario seiner Live-Konzerte in den 1970er Jahren.
Sowohl die weltberühmte Trompetenmelodie, als auch die spannungsgeladenen Paukenschläge in der Einleitung kommen gut zur Geltung. Das Finale unter Einsatz der Orgel lässt jedoch an Dynamik vermissen. Auch hier wäre ein etwas kraftvolleres Zusammenspiel wünschenswert gewesen. So aber bleibt der von Strauss musikalisch beschriebene Durchbruch des „Übermenschen“ eher unter seinen Möglichkeiten.
Das Highlight
Die Tondichtung „Ein Heldenleben“ beschreibt die Geschichte eines kühnen Helden, seiner ihm treuen Gefährtin und seines Gegners (des Helden Widersacher). Dabei lässt er den Helden resümieren, auf vergangene Kämpfe (wahrscheinlich die von Strauss und seinen Kritikern) zurückblicken, bevor er sich dann endgültig aus dem Leben gänzlich zurückzieht.
Diese Aufnahme ist eines der interpretatorischen und tontechnischen Highlights der Box. Der im wahrsten Sinne des Wortes lebhaft bewegte Held ist kraftvoll, aber nicht zu bombastisch intoniert. Das Flötensolo zur Vorstellung der Gefährtin erklingt zart und lieblich, fast anmutig.
Kritiker haben Strauss zeitlebens vorgeworfen, sich in dieser sinfonischen Dichtung autobiographisch dargestellt zu haben, was der Komponist jedoch stets bestritt. In seinen Augen waren die Vorwürfe wohl eher eine Untermauerung seiner Haltung gegenüber einer bigotten Gesellschaft, welche ihm zutiefst zuwider war.
Ambivalenz
Das Klangbild der uns vorliegenden CD-Box ist nicht immer ganz stimmig. Einige Aufnahmen klingen wie „gepresst“, es fehlt ein wenig an Luftigkeit und Auflösung, andere dagegen überzeugen durch Transparenz und Detailreichtum. Insgesamt ist der Eindruck eher zwiespältig.
Der interpretatorische Ansatz ist durchdacht und geht intellektuell eigene Wege. Weigle strukturiert die einzelnen Passagen hörbar gut durch und überlässt dem Musik-Enthusiasten genug Spielraum für eigene Interpretationen ohne vorgehaltenen Zeigefinger.
Für Spar-Füchse ist diese 6 CD-Box definitiv ein echtes Schnäppchen, da zum low-budget Preis erhältlich. Klassik-Kenner werden allerdings sofort bemerken, dass ausgerechnet eine der ergreifendsten Tondichtungen, das streicherbetonte „Metamorphosen“, nicht in der Sammlung enthalten ist. Strauss komponierte dieses Stück 1945, angesichts des von Kriegsbomben arg zerstörten München. Es war eines seiner letzten Werke. Er starb 1949 in Garmisch-Partenkirchen.