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Einfach Klassik.

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Laetitia Grimaldi Ombres Cover

CD-Review: Ombres von Laetitia Grimaldi und Ammiel Bushakevitz

Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wieviele unbekannte Komponist*innen es gibt, deren Musik mich, wenn sie erstmal gefunden und ans Tageslicht gebracht worden ist, sehr berühren kann. Immer neues zu entdecken oder über Vergangenes zu lernen, das ich noch nicht wusste, ist ein großes Glück und eine Herausforderung zugleich. In erster Linie bin ich dabei jedoch abhängig von der aufwändigen Vorarbeit, die diese Impulse für mich recherchieren und erreichtbar machen.

Solch einer Aufgabe haben sich die Sopranistin Laetitia Grimaldi und der Pianist Ammiel Bushakevitz gewidmet, und dabei Lieder von tatsächlich neun (!) französischen Komponistinnen aus der Ära der Belle Epoque zu einer Veröffentlichung zusammengestellt. Dieses Konzept allein reicht schon, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Dann gibt es da aber noch die musikalische Ausführung der beiden, die sich für manche Stücke noch mit der Cellistin Talia Erdal zusammengetan haben. 

Laetitia Grimaldi, Foto © Laetitia Grimaldi
Laetitia Grimaldi, Foto © Laetitia Grimaldi

Die Epoche um die Wende zum 20. Jahrhundert herum war vor allem in Kunst und Kultur und im gehobenen Bürgertum von einer großen Dynamik geprägt. Frauen waren damals als Tänzerinnen und Sängerinnen beliebt, als Komponistinnen wurden sie aber dennoch kaum beachtet, das war weiterhin Männersache. In diesem Umfeld haben auch jene neun Frauen wohl entgegen alle Widrigkeiten gewirkt, deren Schaffen Grimaldi und Bushakevitz mühevoll in Büchereien und Archiven zusammengetragen haben.

Liebevoll präsentiert

Da sind zum Beispiel fünf Lieder der französischen Komponistin Mélanie Bonis, Mit ihrer nicht gerade einfachen Familiengeschichte kam sie doch immer wieder zum komponieren zurück. Grimaldi und Bushakevitz präsentieren ihre Lieder liebevoll und mit viel Gestaltungsfreude, die Sopranistin agiert sehr erzählend und phrasiert in “Un soir” mit großem Dynamikumfang.

Fröhlichkeit, Lebensfreude und feinen Witz artikulieren die beiden Musiker*innen gekonnt in “Villanelle” von Cécile Chaminade. Und damit liefern sie auch ein Paradebeispiel für die Melodiestärke ihrer Werkauswahl für diese Veröffentlichung, so freudvoll wandelt Grimaldi hier durch die Skalen. In Chaminades “Nice-la-belle” demonstriert Ammiel Bushakevitz überdies seine immense Erfahrung als Liedbegleiter, wenn er in den Zwischenspielen dynamisch ausbricht, um dann wieder mit feiner Pointierung im Hintergrund aufzutauchen. Beide kultivieren hier joviale Erzählfreude, und laden mich erfolgreich zum Zuhören ein.

Laetitia Grimaldi mit geheimnisvollen Noten

Gleich danach verzaubert “Chant d’amour” von Armande de Polignac mit seinem romantischen Klaviersatz, den Bushakevitz mit der gebotenen Spannung und Luft zwischen den Noten gestaltet. Ideal für Grimaldi um sich mit beeindruckender Ausdauer in den langen, geheimnisvoll wirkenden Noten darüber zu positionieren, was sie dann auch in “Jardin du roi” mit den sehr schön betonten, lange getragenen Melodien erreicht. Beide arbeiten dadurch erfolgreich die vielen besonderen Qualitäten dieser Lieder heraus, die für jeden von uns eine gute und bereichernde Repertoireerweiterung abseits der großen Klassiknamen darstellt.

Ammiel Bushakevitz, Foto © Laetitia Grimaldi
Ammiel Bushakevitz, Foto © Laetitia Grimaldi

Ein weiteres Beispiel für die Verschmelzung von bezaubernder Klavierstimme und dazu perfekt eingepasstem Gesang erlebt man in “Les deux roses” von Pauline Viardot. Die Sopranistin legt hier besonderen Wert darauf, diese wunderbaren Melodien deutlich herauszuarbeiten und den Hörer*inn en anzubieten. Pianist und Sängerin harmonieren hier perfekt. Einzig Grimaldis genereller Stil, die Töne in der Feinstimmung eher von unten anzusingen fällt mir hier nicht ganz so positiv ins Ohr. Ein hellerer Tonansatz hätte da die vielen Melodien noch luftiger wirken lassen.

Laetitia Grimaldi hat in dieser Veröffentlichung ihre hervorragende Ausbildung und Ammiel Bushakevitz seine große Erfahrung und seinen Detailverstand perfekt genutzt, um zusammen mit ihrem Forscherdrang eine äusserst interessante Veröffentlichung zu konzipieren und nahezu perfekt umzusetzen. Das Album sei jeder Hörerin und vor allem jedem Hörer sehr ans Herz gelegt, nicht zuletzt um bisher leider unbekannte Komponistinnen kennen zu lernen.

Die Tracks

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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