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Einfach Klassik.

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„Alte“ Musik mit dem Ensemble OMBRA  E  LUCE  in Stralsund

Ein Gastbeitrag von Ekkehard Ochs

Vom Winde verweht – und das ist wörtlich zu nehmen. Denn der Konzertabend, gedacht am Ende des Jahres 2023 als vorweihnachtlicher Höhepunkt, fiel einer sehr bedenklich stimmenden Sturmwarnung zum Opfer. Aber Termine lassen sich verschieben, selbst bei Ensembles, deren Terminabsprachen zeitlich weit vorausgreifen. Nun also jetzt, Mitte März, jenes Konzert , das mit international hochgeschätzten Spezialisten für die vielzitierte „Alte Musik“ Besonderes versprach. In Stralsunds Klinikumskirche übrigens nicht zum ersten Mal, in dieser Besetzung aber schon.

Da reden wir von Tabea Höfer, einst Mitglied des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSO) und inzwischen als Barockviolinistin geschätzte Interpretin der Musik vor 1750. Und von ihrem Ehemann Georg Kallweit, der als Geiger ebenfalls erste Orchestersporen im RSO verdiente, dann aber sehr schnell eine steile internationale Karriere im Bereich „alter Musik“ machte; vor allem als Solist und Konzertmeister der „Akademie für Alte Musik“ Berlin, aber auch in Zusammenarbeit mit vielen weiteren Spezialensembles in großen wie kleinen Besetzungen. Nicht zu reden von inzwischen rund 60 CD-Einspielungen, an denen er beteiligt ist. Der Dritte im Bunde: Björn Colell, Gitarrist und Theorbist, Hochschuldozent, Leiter von Meisterkursen und unabkömmliches Mitglied als spezialisierter Continuo-Partner. 

Da waren sie also zusammen, die als Ensemble OMBRA E LUCE (Schatten und Licht) für ein so sachkompetent wie hinreißend musiziertes Programm mit früher italienischer Musik (17. Jahrhundert) sorgten. Thema: VIS Á VIS, mit dem konkretisierenden Verweis auf den der Musik jener Zeit innewohnenden Dialogcharakter und den elementaren Prinzipien von Wiederholung und Veränderung.

OMBRA E LUCE
OMBRA E LUCE, Foto © Friederike Fechner

Damit war benannt, was Brillanz und Rasanz dieses Abends ausmachten: ein unerschöpflich scheinender Struktur- und Formenreichtum (Aria, Canzone, Sonata, Triosonate, Sinfonia, Ciaccona), so durchdachte wie spielerisch ausgelebte Virtuosität und eine nicht minder fesselnde „Rhetorik“ in  den Solie wie Dialogen. Für offene Ohren – hilfreich, wenn sie über ein bißchen stilistische Sachkenntnis verfügten – waren da besonders großer Hörspaß und vieol Spannung garantiert; Überraschungen eingeschlossen!

Wie auch nicht, wenn Meister wie Marco Uccellini und Tarquinio Merula zu Worte kamen, bekannt gleichermaßen als so innovative wie ausdrucksstarke Komponisten und Instrumentalisten, oder der als Violinist hochgeschätzte Salomone Rossi. Vom komponierenden Violinvirtuosen Johann Paul Westhoff, von Johann Sebastian Bach oder einem Ausnahmekünstler wie Heinrich Ignaz Franz von Biber (hier  im Duo von Violine und Viola) ganz zu schweigen. Francesco Corbetta, Giovanni Antonio Pandolfi Mealli, der als Komponist, Kapellmeister, Theorbist, Impresario, Dichter und Librettist geschätzte Benedetto Ferrari sowie Andrea Falconieri, seines Zeichens Komponist und Virtuose auf Laute Theorbe und Harfe, vervollständigten ein Programm, das hinsichtlich seiner Interpretationen mit kantablem Schmelz, ausdrucksstärkster Klangvielfalt und -intensität, schwindeln machender Spieltechnik und der Prägnanz rhetorischer „Mitteilungen“ keine Wünsche offen ließ.

Dies alles war jener Musizierweise geschuldet, die, als „historisch informiert“ und entprechend professionell betrieben, einen denkbar hohen Grad an gestalterischer Authentizität  sichert. Da erweist sich „alte“ Musik ganz schnell als gar nicht alt, als unglaublich lebendig, ja „jung“ und von wirkungsmächtiger Unmittelbarkeit. Faszinierend etwa eine durchweg schlanke, leichte, elastische Tongebung von äußerster dynamischer Differenziertheit. Sie verleiht noch dem kürzesten Ton erkennbares, pulsierendes Eigenleben, macht auch schnelle Tonfolgen und Spielfiguren zum ausducksstarken Erlebnis  und verblüfft mit manigfaltigen Spielarten einer geradezu „redenden“ Artikulation. Nicht weniger einnehmend die betörende Kantabilität langsamer Sonatensätze oder instrumentaler Arien, die Fantasiefülle im Umgang mit variierenden Formen und eine musikantische Spritzigkeit, Frische, ja Übermütigkeit, die einen Gedanken an „alte“, gar überholte Musik gar nicht erst aufkommen lässt. Immer wieder erstaunlich, dass jahrhundertealte, handfest realistische Lebensgefühle als so unverbraucht reproduziert werden können, ihre geradezu lustvoll artikulierte Daseinsfreude noch immer zu begeistern vermag. Unverschlissen! Als Balsam für Ohren und Seele, als inspirierende Impulsgeber verbunden mit Unterhaltsamkeit und Erkenntnisgewinn. Was will man mehr! In Stralsund war man rechtens hellauf begeistert.

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