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Einfach Klassik.

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Begeisternde „Schubertiade“ auf Schloss und Gut Ulrichshusen

Ein Gastbeitrag von Ekkehard Ochs

Allem Bangen zum Trotz: Es war dann doch noch gutgegangen! Wollte heißen, dass der plötzliche Kälte- und Schneeeinbruch Anfang Januar die prognostizierte Heftigkeit nicht erreichte und damit die vielen Kilometer zum Veranstaltungsort Schloss und Gut Ulrichshusen per Landstraße möglich werden ließ. Und damit den Besuch des traditionellen und in der Regel viele Besucher anlockenden Neujahrskonzerts der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Viel Attraktives hat man in solchem Rahmen bisher schon erlebt: Musik im Spannungsfeld verschiedener Genres, Besetzungen, Stile und Entstehungszeiten. Unterhaltsames wurde mit hohen künstlerischen Ansprüchen verbunden, war zumeist von inspirierender, belebender, oft begeisternder Vielfalt und bot gleichermaßen große „Botschaften“ wie ursprünglich folkloristisch getönte Lust am Spielerischen. Seele baumeln lassen inbegriffen. Alles – natürlich – meisterhaft präsentiert und nicht selten bereichert vom hohen Reiz des Überraschenden;  mancherlei neue Erkenntnisse und Erfahrungen eingeschlossen.

Lucas und Arthur Jussen, Foto © Festspiele Mecklenburg-Vorpommern
Lucas und Arthur Jussen, Foto © Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

In diesem Jahr ging es um eine „Schubertiade“. Natürlich nicht im Ambiente eines privaten Salons, sondern in der großen, allerdings durchaus noch weihnachtlich stimmungsvollen Remise Ulrichshusens. Der Zulauf war groß, die Besetzung klein – aber sehr fein! Aufgeboten hatten die Festspiele wieder international höchst gestandene Musiker: den Bariton Benjamin Appl, den Klarinettisten Matthias Schorn und das Klavierduo Lucas und Arthur Jussen. Ersterer war ehemaliger Regensburger „Domspatz“, nach Hochschulstudien Exklusivkünstler erst bei Sony Classical, dann bei Alpha Classic und ist Professor „of German Song“ in London (School of Music & Drama) sowie gefragter Liedersänger. Matthias Schorn („Schorny“) ist in Ulrichshusen „gefühlt“ schon immer dabei! Legendär vor allem seine vielen Kammerkonzerte und die begeistert gefeierten, weil ungemein authentisch wirkenden Ausflüge in die alpenländische Folklore oder in die Welt der Wiener Schmankerln. Er ist Publikumsliebling und steht im Übrigen als Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker (und Preisträger in Residence 2013 der Festspiele MV) ohnehin ganz oben in der Sparte „Sonderklasse“. Eine solche Einordnung trifft in gleicher Weise für die beiden jungen, international längst hochgehandelten holländischen Klavier-Brüder Jussen (Publikumspreisträger 2013) zu. Mehr Garantien für einen rundum gelungenen Konzertnachmittag mit  – so darf man es wohl nennen – Schubertscher Haus- und Gesellschaftsmusik konnte man wahrlich nicht erwarten. 

Viel Klangintensität bei der „Schubertiade“

Das betraf zunächst eine Auswahl von sechs Liedern, in und mit denen Benjamin Appl seine rechtens gelobten stimmlichen wie gestalterischen Qualitäten unter Beweis stellte. Dies mit einer sehr klaren, geraden, fast vibratolosen Stimme, die auch noch im Lyrisch-Leisen viel Klangintensität bot, im Kraftvollen Prägnanz und „metallische“ Strahlkraft verriet und hier ansonsten ohne jede romantische Attitüde auskam. Gelegentlich schien es, als ob Appl die zweifellos vorhandenen großen Volumina seiner Stimme bewusst nicht ausreizen wollte, was allerdings dem gestalterischen Profil einer sich hinter den Noten verbergenden „Bedeutungsschicht“ und der schon mal zur erregend kontrastreichen „Szene“ geratenden Darstellungsweise – nicht nur beim „Erlkönig“  – keinerlei Abbruch tat. 

Es gab weitere Lieder – auch ein Beispiel von Schumann berücksichtigend – diesmal aber in einem Arrangement für Klarinette und Klavier. Ein solches Vorgehen muss sich nicht rechtfertigen. Es entspricht durchaus nicht nur früheren oft geübten Praktiken. Sie kommen ohne die menschliche Stimme aus und können durchaus gefallen; wenn man denn bereit ist, die in geradezu zwanghaft enger Verbindung von Text und Musik eingefangene und ungemein sensibel ausgedrückte Gefühlswelt Schuberts auf einem Umweg erleben zu wollen. Falls dabei „Hilfe“ nötig war: ein wie immer unglaublich überzeugender Könner wie „Schorny“, dem keine noch so intime und klangfarblich differenzierte Palette fremd scheint, hat da wieder Meisterliches geleistet und wesentlich zur fast schon entrückten Stimmung im Saal beigetragen. 

Matthias Schorn, Arthur und Lucas Jussen, Benjamin Appl, Foto © Festspiele Mecklenburg-Vorpommern
Matthias Schorn, Arthur und Lucas Jussen, Benjamin Appl, Foto © Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

Höhepunkte – sicher nicht ohne Staunen und AHA-Effekte im Saal – gab es mit dem Klavierduo Jussen. Die beiden Brüder brillierten (im Wechsel) mit wahrlich faszinierenden Liedbegleitungen und gemeinsam mit Originalwerken für Klavier vierhändig. Diese Musizierform – für Schubert eminent wichtig, in der Musikpraxis bis heute aber gern als peripher betrachtet und oft genug nicht ausreichend wertgeschätzt – dürfte mit diesem Konzert einiges an Akzeptanz hinzugewonnen haben. Geschuldet einem Gestaltungsvermögen, das – wir belassen es beim Pauschalen – nicht nur keine Wünsche offen ließ, sondern solche des intensiveren Kennenlernen-Wollens, des Hebens offensichtlich hier noch verborgener „Schätze“ geradezu provozierte. Für die Präsentation des a-Moll-Allegros op. 144 („Lebensstürme“, D 947)), des 1. Militärmarsches op. 51 (D 733), des „Charakteristischen Marsches“ C-Dur op. posth. 121 (D 968b/886)  und der grandiosen f-Moll-Fantasie op. 103 (D 940) trafen genau jene Sätze zu, die man in einem 1979 in Leipzig erschienenen Konzertbuch „Klaviermusik“ lesen kann: „Schuberts Klaviersatz ist nicht`pianistisch` im eigentlichen Sinne, virtuose Brillanz liegt ihm fern. Dafür verlangt die meist akkordische Setzweise höchste Anschlagskultur  und eine besondere Sensibilität in den klanglichen Abstufungen. Viele der Klavierkompositionen lassen sich auf den ersten Blick verhältnismäßig leicht spielen – zum Klingen zu bringen vermag sie jedoch nur der wirkliche Könner.“ Dem ist wohl wenig hinzuzufügen! Und genau das war in Ulrichshusen nicht  nur zu hören, sondern mit faszinierender klanglicher Intensität und schon Staunen machender, hier in packend verlebendigter Mitteilungsdichte zu erleben. 

Eine „Schubertiade“ mit jener originären Mischung von gelöster Unterhaltsamkeit und doppelbödigem Hintersinn, die dem Anliegen des Komponisten sehr entsprochen haben dürfte. Den gespannten Erwartungen des Publikums sowieso!

Titelfoto © Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

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