Auf den ersten Blick meint man, die junge Trompeterin Lucienne Renaudin Vary sei eine Newcomerin. Dabei hat sie bereits vier Alben für Warner Classics eingespielt. Das Vorliegende namens “Trumpet Concertos” hat mich allerdings so aufhorchen lassen, dass ich genauer hinhören wollte. Die Französin hat bereits einen Opus Klassik im Regal stehen, und wurde von Rolando Villazón als Newcomerin vorgestellt. Ihre hervorragende Ausbildung erhielt sie in Le Mans und später in Paris, unter anderem auch in Jazz und Improvisation.
Dass sie trotz der Jugend ihrer Karriere die vier Trompetenkonzerte auf dem Album als Stücke vorstellt, die sie schon lange begleiten, überraschte mich etwas. Ihr Spiel räumt diese Zweifel jedoch sofort aus, denn in ganz unterschiedlicher Weise ruht die Solistin in den einzelnen Werken, und spielt aus einer bemerkenswerten Souveränität heraus. Unterstützung bekommt sie dabei vom Luzerner Sinfonieorchester unter der Leitung von Michael Sanderling, der bei der Aufnahme einen sehr klassischen, aber nicht minder richtigen Plan verfolgt. Das Orchester zeigt sich feingliedrig und zurückhaltend, mit sehr dosierter Impulsarbeit und akkurater Dynamikmodellierung. Es geht hier also schon darum, Lucienne Renaudin Vary bestmöglich zu präsentieren, und in den Vordergrund zu stellen, was bei Solokonzerten aller Ehren wert ist.
Markigen Charakter zeigen die Luzerner also nicht, was aber nicht minder Spaß bereitet. Im Trompetenkonzert in Es-Dur von Johann Baptist Georg Neruda musizieren die Streicher sehr wohl agil und bewegungsfreudig, und sind damit ein guter Partner für Varys technisch perfekt und mit Lust gespielte Melodielinien. Die Solistin tanzt kurzweilig und mit Gestaltungsfreude über dem Orchester, wohingegen sie die Kadenz gegen Ende des ersten Satzes doch eher reduziert hält.
Lucienne Renaudin Vary über den Dingen
Die anspruchsvollen langen Töne im ruhigen zweiten Satz “Largo” stellt die Trompeterin mit bedachter Tonformung, und nutzt dabei auch effektiv den Raumklang, der mir für die Sololinien der ausgewählten Werke fast ein wenig zu lang erscheint.
Lucienne Renaudin Vary steht aber über den Dingen, und kann vieles verbinden und ausgleichen, und sie vergisst nie die Gestaltung des Gesamtvortrages. Im Trompetenkonzert in Es-Dur von Johann Nepomuk Hummel taumelt sie im ersten Satz förmlich zwischen Operettenflair und Sinfonik. Sie springt sozusagen mit ihrem Instrument auf die Bühne und gestaltet das Vortragspiel sehr erzählend, während das Orchester immer wieder von unten über die Streicher Breite aufbaut.
Eine ganz andere Seite zeigt Lucienne Renaudin Vary dann aber im Trompetenkonzert in As-Dur von Alexander Arutunian. Es ist nicht nur der Epochenwechsel in die Neue Musik und die komplett andere Harmoniewelt und Rhythmik des armenischen Komponisten, die der Solistin hier zu Vielfalt verhelfen, sie schlüpft nun auch in eine andere Rolle, denn mit unterschiedlichem Anblasverhalten und viel variablerer Sustaingestsltung bringt Vary neuartige Stimmungen in den Vordergrund, und malt eine komplett andere Gefühlswelt, perfekt begleitet von Sanderling und dem Luzerner Sinfonieorchester, die sehr pointiert, fast zupackend vorgehen. Das einsätzige Werk geht über 16 Minuten in einem durch, und sowohl Solistin als auch Orchester und Dirigent schaffen dabei beides, das Durchwandern verschiedener Gefühlswelten und Bilder, und aber auch die ständige Integration in den Gesamtkontext, der wie ein einziger langer Atemzug angelegt zu sein scheint.
Trotz ihrer erstaunlichen Erfolge in jungen Jahren kann Lucienne Renaudin Vary weiterhin eines perfekt. Sie überrascht und lässt aufhorchen durch ihre bestechende Technik und ihre große Musikalität, die sie in gefühlsbetontem Vortragsspiel auf den Punkt bringt. Die Kombination mit Michael Sanderling und dem Luzerner Sinfonieorchester ist klug gewählt in Bezug auf die noch kommende Karriere der Trompeterin. “Trumpet Concertos” ist allemal beachtens- und hörenswert!
Titelfoto: Photographer: Simon Fowler, Copyright: Parlophone Records Ltd