Die georgische Pianistin Shorena Tsintsabadze hat Sergei Rachmaninoff immer als künstlerische Leitfigur betrachtet, vor allem, wenn es um den Aspekt echter Hingabe gebt. Das gab ihr viel Kraft, um auch trotz persönlicher und beruflicher Herausforderungen immer nach künstlerischer Höchstleistung zu streben, wie sie in ihrem ausführlichen selbst geschriebenen Booklet-Text für die neue ARS-Aufnahme „A Tribute to Rachmaninoff“ ausführt. Zum 150. Geburtstag und 80.Todestag des Komponisten war die Zeit reif, ihm eine ganze Aufnahme zu widmen und die bezieht vor allem auf dessen Frühwerk bezieht, in dem vorzugsweise eine helle, optimistische Ausdruckspalette dominiert. Schon beim ersten Hören wird deutlich: Shorena Tsintsabadzes Interpretation ist nicht nur auf hervorragendem pianistischem Niveau, sondern bringt als tiefgründige Auseinandersetzung mit der Musik auch so manche ungeahnte Farbnuance zum Vorschein. Wer tiefer in die – „ARS-typisch“ erfreulich transparent realisierte – Aufnahme hineinhört, wird also der tiefen Verbindung zwischen Komponist und Interpretin immer näherkommen.
Subjektive Dramaturgie in hellen Farben
Im Sinne einer persönlichen Gesamtschau folgt das Programm einer subjektiven Dramaturgie. Shorena Tsintsabadze eröffnet es mit den prägnanten „Moments Musicaux“, in denen der Komponist nach einem eigenen Stil sucht und die georgische Pianistin auf spielfreudig respektvolle Weise an diesem Prozess teilhaben lässt. Die Vielfalt an Klangfarben und Techniken ist immens, zum Beispiel im elegischen ersten, dem temperamentvoll bebenden zweiten, dem „dunklen“ dritten Stück in h-Moll mit geschickter Einbindung des Dies-Irae-Motivs, und dann wieder in kräftigeren Strukturen, die auch mal wie im vierten Stück Nr 4 einer virtuos adaptierten Fugenstruktur folgen.
Ganz anders betört der intim-lyrische Rachmaninoff, der die Natur und die Liebe feiert und dadurch seine Interpretin zu eigener Schwärmerei angeregt hat, wie Shorena Tsintsabadze im Booklet schreibt. Die Stücke „Gänseblümchen“ und „Flieder“ sind Liedvertonungen – spannend genug ist es zu erleben, mit welch fantasievollen pianistischen Lösungen Rachmaninoff den Duft der Natur einfangen wollte. In diesem Sinne verleiht Shorena Tsintsabadze mit sanglichem Legatospiel und einem geschickten Einsatz des Pedals den Stücken einen verfeinerten lyrischen Ausdruck. Eine andere Facette eröffnen die Transkriptionen von Fritz Kreislers „Liebesleid“ und „Liebesfreud“. Hier wird Walzerlyrik durch pianistische Delikatesse überhöht, und Tsintsabadze gibt sich diesem Reigen hin und lässt tänzerische Agogik pulsieren. Franz Behrs „Polka de W.R.“ reiht sich hier harmonisch ein, während zwei seiner Préludes zwischendurch geschmeidig fließen.
Ein besonderes Debut
Das Finale bildet einen Kontrast zu diesem oft vernachlässigten, aber um so aussagekräftigeren Solorepertoire. Mit dem Zweiten Klavierkonzert präsentiert diese CD eines der meistgespielten Bravourstücke des russischen Komponisten. Die Hintergrundgeschichte hierzu kennt fast jeder: Rachmaninoff litt lange Zeit unter einer tiefen Schaffenskrise, aus der er schließlich von einem Hypnotiseur befreit wurde. Die Musik transportiert folgerichtig auch eine gewisse triumphale Geste. Tsintsabadze und das Orchester lassen sich aber nie von irgendeiner Eitelkeit verführen, sondern schenken den drei kraftvoll komponierten Sätzen eine würdevolle und garantiert pathosfreie Interpretation. Genug dramatische Steigerungsfreude ist dabei allemal vorhanden. Shorena Tstintsabadzes persönlicher Hintergrund zu dieser Aufnahme ist ebenfalls bedeutsam: Nachdem sie im Alter von 18 Jahren beim Internationalen Musikwettbewerb in Italien den „Jordania-Sonderpreis“ bekommen hatte, lud sie Vakhtag Jordania ein, dieses Konzert zusammen mit dem Russischen Staatsorchester unter seiner Leitung aufzunehmen. Dieses Aufnahme-Debüt vor großem Orchester habe ihr nach eigener Aussage viele Türen für ihren weiteren Lebensweg geöffnet. Erstaunlich auch, wie stimmig sich auf dieser Aufnahme dieser „historische“ Mitschnitt aus dem Jahr 2000 mit dem Material aus der Gegenwart vereint – klanglich und interpretatorisch!