Sofia Pavone und Hedayet Jonas Djeddikar geht es auf ihrer Debüt-CD um die vielen Zustände eines „da.zwischen“ – unter diesem Titel nehmen die deutsch-italienische Mezzosopranistin und der deutsch-persische Pianist ihr Hör-Publikum mit in Ausdruckstiefen, die normalerweise weit unter der Oberflächlichkeit des Alltags verborgen scheinen. Die Reise geht also hinein in weite, meist dunkle Zwischenwelten zwischen Tag und Nacht, Traum und Wirklichkeit, Leben und Tod, zwischen Dir und mir und den Welten als solchen. In der weiten Welt der Dichtung und auch der Musik wurde und wird so etwas allemal genug thematisiert. Man muss nur mit Leidenschaft und Mut das Repertoire auskosten – und das gelingt diesem Duo hier mit manchmal fast schon verstörender Eindringlichkeit.
Das Programm beginnt mit den einladenden Worten von Johannes Brahms, der uns schon gleich zu Beginn in seiner „Abenddämmerung“ in eine seelische Dimension jenseits irdischer Grenzen entführt. Grenzen zwischen Tag und Nacht, Traum und Wirklichkeit, ja sogar Leben und Tod verschwimmen. Und so soll es hier weitergehen – in Liedern von Hugo Wolf, Hans Sommer, Erich Wolff, Ottorino Respighi, Ildebrando Pizzetti, Riccardo Zandonai, Erich Korngold, Max Kowalski, Georg Henschel, Robert Schumann, Anton Rubinstein, Bernhard Sekles und Theodor Streicher. Das führt zu so mancher vertrauten Begegnung, bei der aber meist ein anderes, so noch nicht für möglich gehaltenes emotionales Erlebnis frei wird – nicht zuletzt auch, weil durch Sofia Pavones Gesang alles noch bedeutungsschwerer aufgeladen klingt, dabei aber dennoch der Eleganz nicht entbehrt.
Darstellerische Konsequenz und gesangliche Bravour
Der erste Teil, „Abenddämmerung, Jenseits“, umfasst deutsches Repertoire und trägt die mit Abstand dunkelsten Farben auf. Der zweite Abschnitt, „Nacht, Traum, Projektion“, fokussiert vor allem das italienische Repertoire. Der dritte Teil, „Sonne, das Sinnliche, Entgrenzung, Persien“, führt uns schließlich ins frühe 20. Jahrhundert – mit sinnlichen Impressionen, aber auch harschen Ausbrüchen. Oft wirken die frei werdenden Gefühlsregungen wie das Gegenteil dessen, was man erwarten würde oder was der Titel suggeriert. Respighis „La fine“ (= der Tod) überrascht, weil es wie ein lichtvoller, freundlicher Übergang wirkt. Robert Schumanns „Aus den östlichen Rosen erlaubt“ verhandelt das Verhältnis zwischen Nähe und Distanz bei Liebenden auch mal etwas doppelbödig. In Georg Henschels süßlichem „Wie Melodie aus reiner Sphäre hör ich“ weht eine andere Welt, vielleicht aus dem nahen Jenseits ins Hier und Jetzt herüber. Johannes Brahms Wiegenlied „Guten Abend gute Nacht“ bekommt bei aller Tröstlichkeit subtile dunkle Farbe, die fast wie ein samtener Vorgeschmack auf die ewige Ruhe wirkt.
Um die Wirkung dieser Musik vollständig zu erfassen, muss man sich als Zuhörer mit offenen Ohren und Empfindungen hineinbegeben. Dann passiert es unweigerlich, dass einen der entstehende Sog nicht mehr loslässt. Denn diese junge Sängerin stimmt dieses schwergewichtige Repertoire mit voller darstellerischer Konsequenz und imponierender gesanglicher Bravour.Ihr Mezzosopran ist beweglich, aber dabei von klarer Brillanz, was auch der Textverständlichkeit zugute kommt und einer breiten emotionalen Palette Kontur und Farbe verleiht. Ebenso engagiert sich der Pianist Hedayet Jonas Djeddikar für die große Sache. Also dafür, damit all dies ohne Schonung „über einen“ kommt.
Titelfoto © Sandra Then