Georg Philipp Telemann (1681 – 1767) gilt bis heute als der fleißigste Komponist aller Zeiten. Seine musikalische Hinterlassenschaft umfasst mehr als 3000 Werke, von denen im Laufe der Zeit sehr vieles verloren gegangen ist. Zu Lebzeiten wegen der Qualität seiner Kompositionen sowie seiner Begabung, aktuelle musikalische Strömungen aufzugreifen und in seinen Werken zu verarbeiten hochverehrt und geachtet, wurde er nach seinem Tode aufgrund seines immensen Schaffens eher kritisiert. Knapp 46 Jahre lang war er in Hamburg als Kantor und Direktor für Kirchenmusik tätig. Eine Stellung, die ihm viel Ruhm und prominente Freunde wie Bach und Händel einbrachte. Telemann war sogar Herausgeber einer eigenen Musikzeitschrift. Heute würde man ihn wahrscheinlich als „workaholic“ bezeichnen. Jedenfalls war er der berühmteste Komponist seiner Zeit.
Leider wird das Werk Telemanns häufig nur auf seine „Tafelmusik“, einer Ansammlung von Orchestersuiten, reduziert. Die geneigten Leser*innen dieser Zeilen können jedoch versichert sein, dass die Intensität dieser Musik entschieden mehr zu bieten hat und nicht nur als Untermalung üppiger Festmahle funktioniert. Sie besitzt einen eigenständigen Charakter. Und genau diesen Charakter hat der 1979 in Paris geborene und bei internationalen Wettbewerben mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Bratschist Antoine Tamestit erkannt, und auf seinem neuesten Album, den „Viola Concertos“, wunderbar umgesetzt.
Tamestits frisches und spritziges Spiel fesselt von der ersten Sekunde an. Vital haucht er den eher unbekannten Stücken neues Leben ein und verleiht ihnen eine lyrisch dichterische Note. Das majestätisch klingende Largo des „Concerto for Viola“ wird auf einer Stradivari gespielt, spannend, vordergründig und absolut virtuos. Optimal begleitet wird Tamestit dabei von der auf diese Art von Musik spezialisierten Akademie für Alte Musik Berlin. Man erinnere sich in diesem Zuge an das im vergangenen Jahr veröffentlichte Doppelalbum der fantastischen Neueinspielung von Bachs Brandenburgischen Konzerten. Genau in diesem Tenor geht es hier lebhaft weiter. Tamestit gelingt es auf beeindruckende Weise, den „Folk“ der Stücke herauszuarbeiten und der Bratsche magische Töne zu entlocken. Auch die beiden Suiten „Ouvertüre burlesque“ sowie „La Changeante“ – diesmal ohne Tamestit – wurden von der Akademie für Alte Musik Berlin facettenreich und mit Liebe zum Detail eingespielt.
Sowohl interpretatorisch als auch klanglich ist die vor einigen Wochen neu auf dem Markt erschienene CD ein echter „Hinhörer“. Die Aufnahme klingt tontechnisch sehr ausgewogen und räumlich. Da die Musik von Telemann im Gesamtkatalog der klassischen Musik eher ein Schattendasein fristet könnte dieses energetische Album ein guter Anlass sein, sich mit den Werken des Meisters der barocken Klänge zu befassen und ihn neu zu entdecken.