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Thomas Auner Cover

CD Review: Thomas Auner und Maximilian Flieder – „217“

Die Zahl „217“ ist ein etwas merkwürdiger Titel für eine CD mit Konzertmusik. Im Fall der neuen Aufnahme des Cellisten Thomas-Michael Auner und des Pianisten Maximilian Flieder wird sie zur Formel, um über das Phänomen der Zeit reflektieren. Tatsächlich liegen zwischen dem Jahr 1796, dem Entstehungszeitpunkt von Beethovens Sonate für Klavier und Violoncello opus 5 Nr. 2 und dem Jahr 2013, in dem Friedrich Cerha seine „Fünf Sätze für Violoncello und Klavier“ veröffentlichte, genau diese 217 Jahre. Man könnte jetzt endlos darüber nachdenken, was sich im Erleben und Gestalten von Zeit und von Musik seitdem verändert hat. Aber dann nahmen Thomas-Michael Auner und Maximilian Flieder doch lieber ihre Instrumente in die Hand. 

Thomas Auner und Maximilian Flieder im Dialog

Die beiden jungen Wiener Musiker treten auch als „Beethoven-Duo“ auf und der Höreindruck dieser neuen Aufnahme für Solo musica macht sofort erfahrbar, warum. So hat doch die besondere Philosophie jener Beethoven-Sonaten „Für Klavier und Violoncello“ einen prägenden Einfluss auf die Spielhaltung dieses Duos. Da geht es um den Dialog auf Augenhöhe zwischen Cello und Klavier, der zu Beethovens Zeit noch ein Novum darstellte. 

Zwischen Thomas Auner und Maximilian Flieder herrscht auf jeden Fall genug tiefer Konsens in Bezug auf Klang, Ausdruck und Zeitmaße. Was für ein Lebenshunger strahlt aus Beethovens Sonate opus 5 Nr. 2, Und mit welch hörbarer Lust lassen Thomas Auner und Maximilian Flieder diesen aufleben! Dieses Spiel reizt die Urkraft des pulsierenden Dreiermetrums aus, ebenso wie die realisierte Balance zwischen emotionalem Ausdruck und Freiheitsdrang hervorragend ist.

Die fünf Stücke im Volkston op. 102 von Schumann greifen traditionelle ungarische und nordische Melodien in deutlich lyrischeren Farben auf. Die beiden Interpreten steigern gekonnt ihr Temperament in diesen subtilen Dialogen. Die Sonate op. 78 von Johannes Brahms, ursprünglich für Violine gesetzt und von Julius Klengel fürs Cello arrangiert, wirkt deutlich abgeklärter und ist von nobler Eleganz durchdrungen. Noch einmal erklingt das ganze romantische Erbe, bevor zu neuen Ufern der Moderne aufgebrochen wird. Um eine ausgewogene Hör-Dramaturgie zu erreichen, wurde die Brahms-Sonate ans Ende des Programms platziert… 

Die Erneuerungen der Zweiten Wiener Schule beanspruchen zeitlose Gültigkeit 

Die eigentliche Entdeckung dieser CD sind die „Fünf Sätze für Violoncello und Klavier“ des Wiener Komponisten Friedrich Cerha. Auner und Flieder nehmen den Hörer mit in eine noch heute avantgardistisch anmutende Klangwelt, obwohl die Grundlage dafür bereits ein ganzes Jahrhundert alt ist – nämlich die Zweite Wiener Schule von Anton Webern und Arnold Schönberg. Cerha bricht mit diesen Stücken im Jahr 2013 eine Lanze für deren Gültigkeit im Heute. So nüchtern es wirkt, dass die Stücke nach Metronombezeichnungen betitelt sind, so sind die Ergebnisse keineswegs karg, wenn die beiden Musiker trotz dieser skizzenhaften Miniformate hier atmosphärisch sehr variabel aufspielen. Zwölftönige Skalen, verschachtelte Polyphonie und viele klangliche Gegensätze machen eben alle erdenkliche Wege frei. 

Fazit: Das Hören dieser musikalischen Reflexion über das Gestern und Heute bewahrt davor, sich um das Morgen allzu große Sorgen zu machen. Denn so lange Interpreten wie Thomas Michael-Auner und Maximilian Flieder mit so viel durchdachter Leidenschaft zu Werke gehen, dürfte die Zukunft der guten Musik bis auf weiteres sichergestellt sein.

Das Album

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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