Einfach Klassik.

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CD-Review: Trio Brontë – Works for Piano Trio by Schubert & Rihm

Das Schreiben von Musik ist unweigerlich immer das Beantworten bereits vorhandener Musik, hat Wolfgang Rihm einmal gesagt. Ganz kammermusikalisch lebt diese Verbindung auf dem Debütalbum des Trio Brontë bei Solo Musica. Wolfgang Rihms „Fremde Szenen III“ und Franz Schuberts Klaviertrio B-Dur D. 898 repräsentieren zwei Jahrhunderte auseinander liegende musikalische Sprachen, die hier in einen überzeugenden Dialog treten. Dass Rihm dabei den Auftakt bildet, erweist sich als dramaturgisch weitsichtig: Seine Moderne fungiert als Ohrenöffner, der den Blick auf Schubert neu justiert. Dass hier wiederum Rihm von Schubert „beantwortet“ wird, liegt an der hellsichtigen musikalischen Ausgestaltung dieses 2022 gegründeten Trios. Die deutsch-italienische Violinistin Chiara Sannicandro, die bulgarische Pianistin Lili Bogdanova und die amerikanische Cellistin Annie Jacobs-Perkins gewannen mit diesem Programm im Februar 2025 den ersten Preis beim Wettbewerb „Franz Schubert und die Musik der Moderne“ in Graz. Der Name „Brontë“ verweist auf die drei legendären Schwestern – ein Symbol für kreative Unabhängigkeit und gegenseitige Unterstützung.

Mit vagem Hineintasten, gehauchten Flageoletts und dynamischen Zuspitzungen lässt das Trio die „Fremden Szenen III“ beginnen. Rihms Klangwelt baut sich auf wie ein Assoziationsfeld, das seine Gedankenwelt erst zögerlich offenbart. Dann folgt stürmischer Furor, der zitathaft einen romantischen Gestus aufgreift, bevor er in freie Regionen aufbricht, wo Toncluster motorisch hämmern und grelle dissonante Farben blenden. Rihms poetische Formel wird vom Trio unmittelbar in sinnliche Erfahrung übersetzt: Vertraute Klänge werden fremd, Fremdes vertraut. Das Stück bricht ab, statt zu enden.

Ein Paradox aus Krise und Lebenslust mit Trio Brontë

Umso wirkungsvoller wirkt der Übergang zu Schuberts fröhlicher Verspieltheit, die ein subtiles Geflecht aus intimen Gedankengängen ausbreitet. Die feine Eleganz im Zusammenspiel sorgt für hohe Intensität in allen vier Sätzen – mit viel Anmut spielen sich die drei Musikerinnen die thematischen Bälle zu. Schuberts B-Dur-Trio ist ein Paradox aus tiefster Lebenskrise und ungebrochener Lebenslust. Der erste Satz verbreitet den Gestus einer temperamentvollen Wanderung, durchsetzt von Momenten reflektierter Poesie. Im Adagio zeigt sich die Kunst der drei, sich einem innigen Instrumentalgesang hinzugeben. Dem Trio gelingt eine souveräne Balance zwischen Anwachsen und Diminuendo, zwischen Dringlichkeit und unterschwelliger Tragik, wofür sie stets die passende Klangfarbe abrufen. Im Scherzo überzeugt die versierte Dosierung von leichtfüßigem Staccato und tragfähigem Legato. Im Finalsatz, der Variationstechnik mit sonatenförmiger Entwicklung vereint, zeigt sich die respektvolle Musizierhaltung: Niemals verführen sich die drei zum effektheischenden Tempo, stattdessen wahren sie einen aufrichtig-deklamatorischen Gestus. So werden Affekte und Regungen, vor allem die Widersprüche und Ambivalenzen in Schuberts Musik zum Sprechen gebracht.

Trio Brontë

Mit diesem Debüt demonstriert das Trio Brontë, dass das Beantworten vorhandener Musik bedeutet, neue Fragen zu stellen. Eine Einspielung von bemerkenswerter interpretatorischer Reife.

Das Album

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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