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Einfach Klassik.

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Die Bendestorfer Klaviertage mit Lydia Maria Bader

Die Bendestorfer Klaviertage sind eines dieser Festivals, die zwar in einer mit 2400 Einwohner*innen eher kleineren Gemeinde stattfinden, die gleichwohl aber durch geschickte Planung die Preise fürs Publikum niedrig, das Niveau der engagierten Künstler*innen jedoch erstaunlich hoch halten können.

Als Abschluss der 32. Ausgabe der Veranstaltung am 15. September konnte die in der Nähe von Frankfurt beheimatete Pianistin Lydia Maria Bader gewonnen werden, eine sehr passende Wahl, wie sich herausstellen sollte, denn Bader konnte mit ihren reichhaltigen Erfahrungen als tourende Pianistin, und mit der großen Auswahl ihrer verschiedenen Konzertprogramme einen um das Thema ihres neuen Albums „Tales of the Sea“ herum konzipierten Abend gestalten.

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Lydia Maria Bader, Foto @ Burkhard Schonlau

Meere und Ozeane die Länder und Völker verbinden sind als Konzept zwar schon vor den Bendestorfer Klaviertagen dagewesen, aber Lydia Maria Bader hat sich damit die Möglichkeit geschaffen, die Stärken ihres Spiels zu präsentieren, denn sie liebt die Romantik, die hochkomplexen und technisch anspruchsvollen Klavierwerke scheinen sie besonders herauszufordern. Und so malt sie voller Hingabe perlende Wasserverläufe und glitzernde Oberflächen, liebt es in Klangräumen einzutauchen, und vielschichtige Schattierungen von Farben in Hell- und Dunkeltönigkeiten zur Darstellung zu bringen.

In Ernest Blochs „Poems of the Sea“ gestaltete sie eindrucksvolle Gegensätze, indem sie den mystischen Basstönen viel Sustain gab, dann aber wieder die Melodiedetails in hohen Lagen kunstvoll auskleidete. In diesem Werk wurde auch eine andere, für mich ganz eigene Charakteristik der Pianistin offenbar, denn Bader arbeitet sehr gern mit Agogik. Dies ist besonders wirkungsvoll in der Epoche der Romantik, denn mit diesen kleinen, selbst gesteuerten Temposchwankungen gab Bader den vielen wiederkehrenden Ostinati Struktur, und damit der Komposition insgesamt viel organisches Leben.

Schon vor der Pause im Verlauf durch Zhu Gongyis „Ouverture – Small Stream“ und Franz Liszts „Les jeux d‘eau à la Villa d‘Este“ wurde klar, dass die Pianistin es auch h bei den Bendestorfer Klaviertagen nicht als ihre Aufgabe sah, diese technischen Schwierigkeiten einfach nur perfekt zu spielen, sondern sie vergessen zu machen, Bilder entstehen, die Natur wirken, und die Gefühle der Zuhörenden erreichbar zu machen. All dies gelang Bader meisterhaft mit präziser Technik und eindrucksvoller Instrumentalisierung der Multidimensionalität aus Dynamik und Agogik, aus Lautstärkeunterschieden und Tempoverläufen.

Lydia Maria Bader
Lydia Maria Bader

Nach der Pause ging es dann aber nicht so fulminant, sondern eher träumerisch weiter, als in „A sea idyl“ von Frank Bridge die eindrucksvollen Harmonien kunstvoll präsentiert waren, während die vielen verschränkten Bewegungen in Debussys „L‘isle joyeuse“ die Pianistin dann doch forderten. Eindrucksvoll hielt sie in Zaum, ordnete und sortierte, und blieb dabei aber immer spielerisch.

Zum Ende hin setze die Solistin dann eine besonders bemerkenswertes Werk, eine ihrer persönlichen Entdeckungen, den zu unrecht verschollenen Klavierzyklus „Le chant de la mer“ des französischen Komponisten Gustave Samazeuilh. Die Pianistin versprach dabei die „Große Ruhe des Meeres“ ausdrücken zu wollen, und sie hielt Wort, spielte Melodien und Bewegungen mit einer schweren Stille und mit viel Bedacht in den Tempi. So baute sie über längere Passagen Spannung auf wie beim Erzählen eines Märchens und legte dabei immer mehr Druck auf die Klaviatur und damit Nachdruck in den Vortrag. Sie lebte mit ganzer Seele in diesem überraschend vielfältigen Werk und gab dem Publikum der Bendestorfer Klaviertage neue und eindrucksvolle Hörerfahrungen an einem reich gefüllten Klavierabend mit.

Titelfoto © Burkhard Schonlau

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Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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