Einfach Klassik.

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Ein „Ur-Tier“ in Berlin – John Williams dirigiert die Berliner Philharmoniker

Wie viele Menschen können Sie benennen, die Sie eindrücklich durch die gesamte Jugend bis heute musikalisch begleiten? Für viele von uns ist John Williams so jemand, vor allem, weil er einfach immer wieder auftaucht, ohne dass man sich dessen im ersten Moment so richtig bewusst ist.

Für manche Konzertbesucher*innen ging es mit der Filmmusik zum „Weißen Hai“ los, die 1975 den Beginn der fortan sehr erfolgreichen Zusammenarbeit des Regisseurs Steven Spielberg mit John Williams darstellt. Wer für Bilder von angefressenen Menschen (ja, der „Weiße Hai“ ist nicht für jedes Gemüt) zu diesem Zeitpunkt noch zu jung war, dessen musikalische Erinnerung setzt vielleicht mit Star Wars -Krieg der Sterne- ein (1977), das viele Jahre auf allen möglichen Kanälen zu sehen war.

Und so wundert es nicht, dass das Publikum, sowohl im Saal als auch sicherlich vor den Bildschirmen der Digital Concert Hall, eine gewisse Aufregung packt. 

Und da kommt der Meister der Filmmusik schon auf die Bühne, umjubelt von seinen Fans ebenso wie vom Orchester selbst. Verschiedene Orchestermitglieder hatten in der Digital Concert Hall vorher kurze Interviews gegeben und zeigten sich begeistert vom Komponisten und Dirigenten, vor allem aber auch von seiner warmherzigen Art. Diese genießt auch das Publikum sichtlich, wenn er zwischen den Werken wie aus dem Ärmel geschüttelt (in der typisch amerikanischen Lockerheit eben) von seiner Arbeit und seinen Beobachtungen erzählt. Zum Beispiel, wie erfrischend es sei, in Berlin auch mal Menschen auf den Straßen laufen zu sehen: „In Los Angeles, we never walk, we always hide in the cars“.

John Williams in Action, Photo: Stephan Rabold
John Williams in Action, Photo: Stephan Rabold

Das Konzert beginnt jedoch gar nicht mit Filmmusik, sondern mit Williams Komposition für die Olympischen Spiele 1984: „Olympic Fanfare & Theme“. Ein Meisterwerk, das als Auftrag eine große Herausforderung war und gleichzeitig phänomenal gut gelungen ist. Die Blechbläser und das Schlagwerk haben sogleich alle Hände voll zu tun und das wird sich für den Rest des Abends auch nicht mehr ändern.

Achtung Außerirdische!

Einen schönen Kontrast bilden daraufhin die Auszüge der Musik zu „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (Originaltitel: „Close Encounters oft he Third Kind“). Diese Musik ist sehr dicht konzipiert und bietet zudem einen interessanten Kern: John Williams verwendet die musikalische Plansprache „Solresol“ des Franzosen François Sudre für verschiedene Motive, die die Kommunikation der Außerirdischen ausmachen. (Das Hauptmotiv findet man im Übrigen später noch kurz in „James Bond, Moonraker“, als Türcode, in dem Fall stammt die Musik von John Barry.)

Ebenfalls kontrastreich geht es weiter mit der Suite zur Filmmusik „In einem fernen Land“ (Originaltitel: „Far and Away“). In diesem Film wandern Traumpaar Nicole Kidman und Tom Cruise aus Irland in die USA aus und müssen dabei viele Hindernisse überwinden. Williams mischte bei dieser Komposition geschickt Klänge des Irish Folk mit amerikanischer Musik, so dass Komponist Aaron Copland seine Freude daran gehabt haben dürfte.

Mit drei Themen aus der Filmmusik von „Harry Potter“ sind an diesem Abend dann alle anwesenden Altersgruppen erreicht und es hätte wohl niemanden gewundert, wenn das Publikum bei Hedwigs Thema, dem Nimbus 2000 oder „Harry’s Wondrous World“ mitgesungen hätte.

Die Berliner Philharmoniker konzentriert

Viele Orchester setzen bei der Darbietung von Filmthemen auf eine visuelle Ergänzung, häufig hängt eine große Leinwand hinter den Musiker*innen. Darauf verzichten die Berliner Philharmoniker. Sie folgen dem Prinzip eines klassischen E-Musik-Konzerts. Tatsächlich haben sie auch keine Bilder nötig, die Musik wird lebendig gespielt und die Bilder entstehen automatisch im Kopf. Doch es hat auch seinen Preis, dass das Orchester hier einen Marathon mit der Genauigkeit klassischer Werke absolviert. Das Glockenspiel hängt schon mal ein wenig hintendran, die Bläser kommen an ihre Grenzen. Locker bleibt die Piccoloflöte in ihren Läufen bei „Indiana Jones“, die Streicher bewahren sich ihren elegischen Ton in „Superman“. (Unvergessen die Filmszene, in der Superman die Erddrehung umkehrt und so Geschichte rückwärts schreibt – geben Sie es zu, Sie wollten das auch schon immer mal machen…)

Doch man ist froh über den nächsten Programmpunkt, die schöne Elegie, die Cellist Bruno Depelaire herzzerreißend und warm musiziert. Sie ist der Höhepunkt des Abends, ein Diamant voller Dichte und Wärme.

John Williams dirigiert John Williams, Foto: Stephan Rabold
John Williams dirigiert John Williams, Foto: Stephan Rabold

Elegien sind meist aufgrund eines Todesfalls geschrieben worden und dies betrifft auch die Elegie aus der Feder von John Williams: Seine Bekannte verlor zwei Kinder unter tragischen Umständen. Einige Kompositions-Kollegen und er beschlossen daraufhin, kurze Werke zu komponieren, die nicht nur herzzerreißend schön sein sollten, sondern vor allem eine große Liebe transportieren sollten. 

Kompositorisches Können

John Williams Elegie lässt die Zuhörer*innen erahnen, wie unglaublich weit sein kompositorisches Können über die Filmmusik hinausgeht. Die Werke außerhalb der Filmwelt sind sehr reizvoll und sein Cellokonzert sei in diesem Zusammenhang besonders ans Herz gelegt.

Mit drei „Star Wars“-Titeln sowie zwei Zugaben („E.T.“und „Darth Vader“) entlässt der Meister der Filmmusik das Publikum in die Nacht. Die Melodien werden sie wohl noch tagelang begleiten. 

Und es grenzt an ein Wunder, wenn Sie, liebe*r Leser*in, jetzt nicht auch einen Ohrwurm haben. Bitte, gern geschehen.

Die Autorin hat das Konzert in der Digital Concert Hall erlebt.
Titelfoto: Berliner Philharmoniker mit John Williams, Foto : Stephan Rabold

Icon Autor lg
Katja Zakotnik fand durch eine zufällige Begegnung zum Cello, welches sie sofort ins Herz schloss. Nur fünfeinhalb Jahre, nachdem sie in Maribor (Slowenien) zur Welt gekommen war, legte sie schriftlich fest, dass sie Cellistin werden will. Schon bald gewann sie ihren ersten Wettbewerbspreis, viele weitere, auch internationale Preise sollten folgen. Sie absolvierte ihr Studium an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Aus Sehnsucht nach südlichem Flair bewarb sie sich gleichzeitig an der Akademie Walter Stauffer Cremona bei Mailand. Dort aufgenommen, durfte sie von 2003 bis 2005 monatliche Meisterklassen bei Prof. Rocco Filippini besuchen. Aufbauend auf ihr Diplom in Hannover in 2005 mit der Höchstnote, folgte sie der Einladung des berühmten Cellisten Bernard Greenhouse (Beaux Arts Trio) an die US-amerikanische Ostküste, wo sie insgesamt sechs Monate studierte. Neben der Intensität in ihrem Spiel zeichnet diese Künstlerin innovatives und modernes Denken aus. Sie bildete sich zur Konzertpädagogin weiter und studierte nebenberuflich Kulturmanagement und Kulturmarketing. Ihr Markenzeichen sind neue Konzertformate sowie moderierte Themenkonzerte. Der WDR nannte sie „Konzertformat-Erfinderin“. Die Begeisterung, die Katja Zakotnik in den Zuhörern entfachen kann, lässt ihre Konzerte ausnahmslos zu eindrucksvollen Momenten werden. Website: www.cellistin.de
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