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Einfach Klassik.

Einfach Klassik.

Sabine Grofmeier, Marina Komissartchik und Ricardo Marinello in der Elbphilharmonie

Nur schemenhaft zeichnete sich die Silhouette der Elbphilharmonie an diesem Sonntagmorgen durch den feuchten Nebel. Idealtypischer kann sich hanseatische Kühle wohl kaum präsentieren. Ideale Ausgangsbedingungen also, um im Kleinen Saal der Elphi etwas Wärmendes zu erzeugen: „Bella Italia“ dieses ewige, verbindende Sehnsuchtsbild, besungen, betextet und ausgemalt, wurde zum Sujet einer Matinee mit der Klarinettistin Sabine Grofmeier zusammen mit dem Tenor Ricardo Marinello und der versierten Marina Komissartchik am Piano. 

Sabine Grofmeier ist nicht nur fabelhafte Klarinettistin, sondern ebenso selbstbewusste Entertainerin, bei der die Fäden einer Live-Performance zusammen laufen. Solche Tugenden hat sie durch ihre Veranstalterinnen-Tätigkeit verinnerlicht und pflegt eine lebendige Kommunikation mit den circa 500 Zuhörenden.

Zur Begrüßung lassen Sabine Grofmeier und Marina Komissartchik nichts als die Musik sprechen in einer vibrierenden Tarantella, diesem Volkstanz, der vor allem in Süditalien bei Hochzeiten und zu zahllosen anderen Anlässen die Leute in Schwindel versetzt.

Sabine Grofmeier, Marina Kommissartchik und Ricardo Marinello, Foto © Stefan Pieper
Sabine Grofmeier, Marina Kommissartchik und Ricardo Marinello, Foto © Stefan Pieper

Was hat nicht alles Gioachino Rossini an spritziger musikantischer Leichtigkeit in Noten gefasst und genau diese greift Sabine Grofmeier brillant und virtuos auf ihrer Klarinette in der Cavatina „Una voce poco fa“….aus dem Barbier von Sevilla auf.
Etwas lyrischer kommt danach das „Lamento di Federico“ des Tenorsängers Ricardo Marinello daher und läuft danach zur Höchstform auf mit seiner sprühenden Darstellungslust in Rossinis „La Danza“.

Sabine Grofmeier mit kammermusikalischer Versiertheit 

Voll innerer Bewegtheit (die sie auch zeigt) und Dankbarkeit, an diesem prominenten Ort aufzutreten, präsentiert Sabine Grofmeier eines ihrer ur-eigenen musikalischen Highlights: Carl Maria von Webers „Grand Duo Concertante“ ist ein virtuoses und herausforderndes Stück Kammermusik, das einen einen guten, Konzentration einfordernden Gegenpol inmitten der vielen extrovertierten Bravournummern darstellt. In punkto technischer Brillanz, ausdrucksstarker Phrasierung und emotionaler Tiefe kann man dieser Klarinettistin nichts vormachen. Ihre Duopartnerin am Klavier agiert auf souveräner Augenhöhe. 

Sabine Grofmeier und Ricardo Marinello, Foto © Stefan Pieper
Sabine Grofmeier und Ricardo Marinello, Foto © Stefan Pieper

So sehr sich Marina Komissartchik auch als ausgezeichnete Kammermusikpartnerin beweist, begeistert sie auch im solistischen Vortrag: Ein Venezianisches Gondellied von Felix Mendelssohn-Bartholdy schlägt neue Brücken zur eigenen Fantasie. Es muss nicht immer Venedig sein. Der Hörfilm könnte auch auf eine imaginäre Fahrt durch die engen Kanäle der Speicherstadt hinauslaufen. In direkter Nachbarschaft des Kulturtempels der Elbphilharmonie. 

Teil zwei des Konzerts macht weiter mit noch mehr bildhaften Kontextualisierungen. Jetzt ist die große monumentale Filmkunst von Bella Italia an der Reihe. Die großen Klassiker wären nichts ohne die Musiken von Nino Rota oder Ennio Morricone. Das demonstrieren zwei von Sabine Grofmeier raffiniert programmierte musikalische Themencollagen mit einschlägigen Melodien aus „Der Pate“ „Novecento“ und vielem mehr. Das Klavier als treibender Motor, wenn in die Prärie hinaus geritten wird – oder die Klarinette als Singstimme einer traurigen Elegie. Mitreißendes Hörkino ist dies allemal. Wiederum gibt es einen starken Kontrast aus der Opernwelt in Gestalt von Puccinis, von Ricardo Marinello brillant gesungener Bravourarie „Nessun Dorma“ aus der Oper „Turandot“. 

Lieder aus dem kollektiven Gedächtnis 

Ich sollte später beim gemeinsamen Essen mit dem Sänger Ricardo Marinello diskutieren, ob in Italien generell die Vorliebe zu singen, stärker verbreitet ist als hierzulande. Marinello wollte sich nicht festlegen, aber fand deutliche Worte, dass kulturelle Bildung heute ein kostbares Gut ist, das es zu pflegen gilt. Und dazu gehören eben nicht nur die einschlägigen Großtaten fürs elitäre Bildungsbürgertum, sondern eben auch das ganze kollektive Gedächtnis aus Liedern und Melodien, welche Menschen lieben gelernt haben. Ein solches Themenkonzert wie hier gerade in der Elphi wirkt als emotionaler Durchlauferhitzer für so etwas. Als das Trio zum Schluss des Konzerts zum Lied „Funiculi Funicula“ aufspielt, kommen Erinnerungen an eine selbst erlebte Seilbahnfahrt in den italienischen Alpen auf, wo plötzlich sämtliche einheimische Passagiere – völlig spontan! – dieses Lied anstimmten. Als Zugabe serviert Sabine Grofmeier nochmal einen echten Überraschungskracher: Die Caprice Nr. 26 von Nicolo Pagani hat sie trickreich in die Jazzstilistik eines Benny Goodman hinein verpflanzt – mit federndem Swing und vor allem mit diesem typisch rauhen, vibratoreichen Klarinettensound, mit dem Sabine Grofmeier der einstigen Swing-Legende in diesem Moment alle Ehre machte. Ebenso, wie das Trio danach dem dankbaren Publikum eine Hommage an den unvergleichlichen Enrico Caruso mit auf den Heimweg gibt. Ein solcher Auftritt an diesem Ort und mit dieser Programmatik zeigt die hohe Kunst, wie sich die Intimität kleiner Säle auf einen größeren Rahmen übertragen lässt. Dafür braucht es ein Gespür das Publikum und genau davon hat Sabine Grofmeier sehr viel.

Standing Ovations – Konzerte sind soziale Erfahrungen!

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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