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Einfach Klassik.

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In Stralsund begeisterte das TRIO ADORNO

Ein Gastbeitrag von Ekkehard Ochs

Sie sind in Hamburg beheimatet, bestehen als Ensemble seit 2003 und dürfen sich – geprägt von Studien beim Beaux Arts Trio, dem Artemis-Quartett und dem Alban Berg Quartett – seit langem über höchste internationale Anerkennung freuen. Die Rede ist vom TRIO ADORNO, dem man schon mal „herausragende intuitive Interaktion“ bescheinigt oder sich von ihrem Spiel „geradewegs in den Himmel der musikalischen Leidenschaft“ entführt sieht. Wie auch immer – am vergangenen Freitag den 19. Januar hatte der Förderverein Klinikumskirche zu Stralsund e. V.  den vielen Freunden seiner jährlichen Kammerkonzertreihe die (nun schon dritte) Möglichkeit geboten, sich ein eigenes Bild zu machen. Und dies mit Christoph Callies (Violine), Samuel Selle (Violoncello) und Lion Hinnrichs (Piano) sowie einem für die klassische Klaviertriobesetzung höchst attraktiven XXL-Programm: Beethovens Klaviertrio B-Dur op. 97, dem sogenannten „Erzherzogtrio“ (1811), und Tschaikowskis Trio a-Moll op. 50, „A la mémoire d´un grand Artiste“ (1881/1882).

Für Beethoven war es der Endpunkt einer Gattungsbeziehung, die bereits vielsagend mit den drei Trios op. 1 begann und schließlich gut ein Dutzend Werke hervorbrachte. Für Tschaikowski, der in einem Brief an seine Gönnerin Nadeshda von Meck (1880) demonstrativ erklärte, das Anhören eines Klaviertrios sei ihm eine „Qual“, blieb sein Opus 50 dann auch das einmalig  Produkt künstlerischer Selbstüberwindung. Allerdings einer, die – der Widmung an den verstorbenen Freund und Pianisten Nikolai Rubinstein geschuldet – dann doch bemerkenswert umfänglich und emphatisch ausfiel. 

Was für Werke! Und was für ein Kosmos an kompositorischer Kunstfertigkeit und interpretatorisch anspruchsvollen Gestaltungsnotwendigkeiten. Hier sind jene Künstler gefragt, für die die einzelne Note und ihre Einbeziehung in komplexe Verläufe, ein Motiv, ein Thema, Mikro- und Makrostrukturen von Verarbeitung mehr sind als bloße tonliche Abfolgen; die sich vielmehr als Grundlagen einer musikalischen Sprache erweisen, für deren Vokabeln und für deren Verständnis unsere Ohren erneut zu schärfen sind. Dem TRIO ADORNO geht der Ruf voraus, dazu alle Voraussetzungen zu besitzen. Der Beweis konnte in Stralsund sehr überzeugend erbracht werden!

Trio Adorno mit intensiver Tongebung

Zunächst mit einem 36-Minuten-Beethoven, der buchstäblich vom ersten Ton an beeindruckenden Respekt mit äußerst sorgsamer, ja geradezu liebevoller Detailarbeit verband; dies immer aber auch in größeren musikalischen Zusammenhängen und letztlich als Ganzes gesehen – und entsprechend stringent gestaltet. So gelang ein Beethoven, der jenseits (hier vom Komponisten ohnehin ausgesparter) dramatischer und konfrontativer Materialentfaltungen und -entwicklungen mit kunstvollem, dennoch alle unterschiedlichen Ausdrucksbereiche jeweils individuell prägendem gestalterischen Feinschliff fesselte. Dies mit einer spannungsvollen, noblen und intensiven Tongebung, die jede Dominanz des Melodischen (etwa in der 1. Violine) vermeidet und einen klanglichen Gesamteindruck von größter Transparenz und Ausgewogenheit garantiert; inbegriffen eine Spielgestik, die Prägnanz mit Lebhaftigkeit, musikantischem Schwung und geradezu süchtig machender Zielorientiertheit verbindet.

Trio Adorno
Trio Adorno

Man pflegt zudem eine Musizierweise, die auf ein intensives Hineindenken in das Werk setzt und sich im Ergebnis entsprechender Bemühungen als „Vermittler“ bedeutsamer Ausdruckskunst versteht. Eine gestalterische Dimension also, die das Wesen von Klang hinter den Noten sucht – und findet; was für aufmerksame Ohren (und Hirne!) einen besonders spannenden Ereignishorizont eröffnen dürfte. Man könnte in diesem Zusammenhang über einen Satz Adornos nachdenken, der sich auf das B-Dur-Trio bezieht und lautet: „Die Zeit – als nicht mehr gemeisterte, sondern dargestellte – wird zur Trösterin über das Leid, das der Ausdruck darstellt.“ Oder über Gustav Mahler: „Ein Rest Mysterium bleibt immer…“  Viellicht aber auch: „…alles ist rein musikalisch gesagt“. Nicht schlecht auch dieser Mahler: „Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten.“  

Wie „wichtig“ -. in diesem Zusammenhang eine sicher schwierige, weil schwer fassbare Kategorie –  Noten natürlich – dennoch sind, auch wenn da qualitativ und quantitativ je nach Individualität Unterschiede gemacht werden müssten, soll und kann hier nicht erörtert werden. Für Tschaikowskis op. 50 dürfte eine programmatisch recht direkte Bedeutung Vorrang haben. Man beachte die Widmung sowie Tschaikowskis Meinungsäußerung. Und man habe im Hinterkopf, dass gerade diese als musikalisches Epitaph in engerem wie weiterem Sinne genutzte Gattung, als letztlich besonders individuell und emotional geprägte Trauermusik für nicht wenige Komponisten*innen bis hin zu Rachmaninow, Swiridow, Schostakowitsch, Smetana, Dvorak und anderen gewirkt hat.

Klangliche und gestalterische Qualitäten

Das TRIO ADORNO hatte keine Mühe, den Meister selbst zu widerlegen und seine Feststellung, er könne für diese Besetzung „keine von echtem Gefühl beseelte Komposition schreiben“ zumindest an diesem Abend für sich selbst und ein danach enthusiasmiertes Publikum außer Kraft zu setzen. 45 Minuten reichten dazu aus, um alle beschriebenen klanglichen und gestalterischen Qualitäten des Ensembles zu potenzieren, mit weiterem romantischen „Vokabular“ anzureichern und höchst affekthaft sowie ausgesprochen effektvoll in Szene zu setzen. Der Ausdrucks-Ambitus – Tschaikowski eben! – ist gewaltig, die für die Gattumg tatsächlich einigermaßen ungewöhnlich voluminöse klangliche Erscheinung des Ganzen nicht minder. Schwerstarbeit also für die Interpreten, die sie sehr überzeugend zwischen dem melodischen Schmelz (dolce) elegischer Zurückhaltung, dem „molto espressivo“ schmerzhafter Klage (Trauermarsch) und einer auch dramatischen Pathetik fast sinfonischen Ausmaßes leisteten; nicht zu vergessen – und für das „Porträt“ Rubinsteins notwendig – auch die sehr zu differenzierende Präsentation einer das Spielerische, Virtuose, auch Kapriziöse betonenden Klangwelt (Variationen, als Episoden aus Rubinsteins Leben?). Das Ganze mit viel Beifall bedacht und ganz sicher von nachhaltiger Wirkung.           

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