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Einfach Klassik.

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Interview mit Tomas Kildišius und Ani Ter-Martirosyan

Ein Gastbeitrag von Béatrice Ballin.

Der Bariton Tomas Kildišius und die Pianistin Ani Ter-Martirosyan arbeiten schon länger als Duo zusammen, und haben nun ihre CD „Brahms: 15 Romances, Op. 33“ veröffentlicht. Im Interview geben sie Einblicke, wie das Album zustande kam.

Sie sind seit 2017 ein Duo. Wie haben Sie zusammengefunden bzw. wie haben Sie festgestellt, dass Sie beide das perfekte Duo ergeben?

T.K.: Wir haben uns in der Robert-Schumann-Hochschule kennen gelernt. Ich war erst seit einem Jahr in Deutschland und hatte Lied-Unterricht bei Prof. Hans Eijsackers. Er ist also daran „schuld“, dass Ani und ich zusammen musizieren. Er hat uns angeboten, zusammen Unterricht bei ihm zu nehmen und mit der Zeit sahen wir, dass das Duo gut funktioniert. So verging die Zeit, ein Programm folgte auf das andere und so sind wir bis zur „Magelone“ gekommen.

Tomas Kildišius, Sie werden nicht nur für Ihren schönen Bariton, sondern auch für die makellose Textverständlichkeit bei Ihren Liedinterpretationen gelobt. Nun ist es in Sängerkreisen kein Geheimnis, dass Deutsch keine leicht zu singende Sprache ist. Wie schwer war es für Sie, als gebürtiger Litauer, Deutsch zu lernen und im Liedgesang zu artikulieren?

T.K.: Es war viel Arbeit, Deutsch zu lernen. Aber es hat sich gelohnt! Wir kennen ja alle die Witze, wie grob die deutsche Sprache manchmal klingen kann, aber mit der Zeit, je mehr Lyrik ich gelesen habe, desto mehr konnte ich verstehen, wie schön und farbenreich sie ist. Ich glaube, jede Sprache bringt ihre eigene Qualität in das Stück, und ich will darauf nicht verzichten. In mir selbst merke ich, wie anders ich bin, wenn ich auf Litauisch, Englisch oder Deutsch kommunizieren muss.

Und was die Aussprache und Textverständlichkeit angeht, bin ich sehr dankbar, mit den Professoren Konrad Jarnot, Hans Eijsackers und Ulrich Eisenlohr gearbeitet zu haben – sie haben immer auf die kleinsten Details geachtet und keinen Fehler unkorrigiert gelassen. So habe ich gelernt, immer mit Fleiß und Sorgfalt die Texte zu lernen.

Ani Ter-Martirosyan, Tomas Kildisius
Ani Ter-Martirosyan, Tomas Kildisius, Foto © Christian Palm

Tomas Kildišius, Sie sind mit Musik aufgewachsen, haben in jungen Jahren bereits in sechs verschiedenen Chören gesungen. Dass Sie Gesang studiert haben, war im Prinzip die logische Konsequenz. Die meisten jungen Sänger träumen von großen Opernrollen. Bei Ihnen nimmt auch das Lied eine maßgebliche Rolle ein. Wann haben Sie Ihre Liebe zum Lied entdeckt?

T.K.: Ich weiß nicht, ob das tatsächlich so logisch war. Bei mir lief in der Schule alles gut, und ich bin sicher, dass viele Lehrerinnen gehofft haben, dass ich etwas „Vernünftiges“ mache- also Informatik oder Politik oder Wissenschaft. Und diese Bereiche haben bis zum letzten Schuljahr in meinem Leben mit der Musik und dem Theater gekämpft. Vielleicht brauche ich die Dynamik des Bühnenlebens – immer neue Stücke entdecken, die neue Rollen vorbereiten und dadurch irgendwie den Schlüssel des Lebens zu suchen – mindestens denke ich jetzt so, wenn ich über meine Entscheidung nachdenke.

Die Liebe zum Lied kam, als ich nach Deutschland zog. Hier war alles plötzlich so nah: Ich ging auf Düsseldorfer Straßen und dachte „Hier lebten die Schumanns, das ist der Ort, wo so viele Künstler ihre Musik komponierten…“ Diese Gedanken haben mich inspiriert. Dann je mehr Lied-Literatur ich kennengelernt habe, desto mehr hat sie mich angezogen.

Ani Ter-Martirosyan, Sie sind als Konzertpianistin schon auf großen Konzertpodien aufgetreten. Wie ist es für Sie, die Rolle der Liedbegleiterin einzunehmen?

A.T.-M.: Auch wenn ich auf zahlreiche Auftritte als Solistin und Kammermusikerin zurückblicken kann, so ist es doch etwas ganz Besonderes für mich, als Liedpianistin zu wirken. Schon die Vorbereitung der Stücke ist außergewöhnlich, denn im Lied wird die Musik mit der Dimension von Text und Lyrik erweitert. Bevor man also die Musik interpretiert, versucht man sich der Bedeutung der Lyrik zu nähern. Die komplexe Verbindung zwischen Emotionen und Harmonie im Entstehungsprozess einer Komposition wird dadurch für mich noch greifbarer. Ich habe das Gefühl, die Handschrift eines Komponisten bzw. einer Komponistin über das Kunstlied tatsächlich deutlicher zu erkennen. Um die Frage abschließend zu beantworten: Als Liedpianistin kann ich mehr über Musik erzählen und konkreter Emotionen beschreiben. Deswegen bleibt es für mich eine ganz besondere Weise des Musizierens. 

Apropos Liedbegleitung:  Egal ob Schubert, Brahms, Richard Strauß: Sie ist höchst komplex, wird vom Zuhörer aber oft unterschätzt, weil der Sänger im Mittelpunkt steht. Zudem nehmen sich die Pianisten oft bewusst (und unbegründet) zurück. Man denke an Gerald Moore, der befürchtete, den Sänger zu übertönen („Bin ich zu laut“). Bei der Magelone-Einspielung fällt positiv auf, dass Sie, Ani Ter-Martirosyan, mit Ihrem Spiel Tomas Kildišius auf Augenhöhe begegnen. Bewusst oder unbewusst?

A.T-M.: Diese Frage hat Herr Moore geschickt gestellt und die Antwort darauf lautet für mich: „Nein, ich bin nicht zu laut und auch nicht zu leise.“. Die Frage hat Moore natürlich miteiner Prise Ironie gestellt, aber sie ist durchaus symptomatisch für die potenziellen Differenzen zwischen Gesang und Begleitung. Im Buch beschreibt er sehr schön, wie wichtig die Rolle der Pianisten im Lied ist. Meines Erachtens muss ein Liedpianist immer auf Augenhöhe mit dem Sänger sein, denn nur so unterstützt man auch den Stil der Sänger und bringt auch die volle Komposition zur Geltung. Streng genommen sprechen wir hier von Kammermusik mit dem Instrument der menschlichen Stimme. So ist es jedenfalls meine Wahrnehmung. Wie eingangs erwähnt, habe ich schon einiges an Kammermusik gespielt, so auch alle Violin- und Cello-Sonaten von Brahms. Ich muss betonen, dass die „Schöne Magelone“ wirklich anspruchsvoll komponiert wurde und viele Fähigkeiten von Pianisten fordert. Am Ende kommt der Klang gewissermaßen von ganz allein, also unbewusst, wenn ich das Werk so spiele, wie ich die Komposition empfinde. Das ist die Art, wie ich musiziere.

T.K.: Wir beide glauben daran, dass im Lied Klavier und Singstimme gleichwertig sind. In so einem Stück wie den Magelone-Liedern hat das Klavier auch eine handlungswichtige Rolle – mal die Laute von Peter, mal seine Gedanken oder das stürmische Meer.

Wie sieht ein gemeinsamer Probentag bei Ihnen beiden aus? Wieviel bzw. wie oft haben Sie für die Einspielung der schönen Magelone geprobt?

T.K.: Die Vorbereitung hat lange gedauert, ich glaube wir haben etwa ein Jahr für die Magelone gebraucht. Das waren intensive Proben, die Arbeit mit unseren Professoren und später einige private Vorspiele oder Konzerte mit dem Programm. Wir wollten natürlich keinfrisches Repertoire aufnehmen, sondern wir wollten sichergehen, dass alles, was auf dem Band landet, so ist, wie wir es wollen.

Jetzt wo wir keine Studenten mehr sind, können wir uns nicht immer regelmäßig treffen, deshalb arbeiten wir in Probenphasen.

Ani Ter-Martirosyan, Tomas Kildisius, Foto © Christian Palm
Ani Ter-Martirosyan, Tomas Kildisius, Foto © Christian Palm

Wie entspannen Sie sich nach einem anstrengenden Probentag?

T.K.: Ich habe viele Hobbies, die ich immer abwechselnd treibe: Lesen, Video-Spiele, Serien; Während des Covids habe ich sogar angefangen zu nähen. Letztens habe ich das neueste Buch in der „Red Rising“-Serie von Pierce Brown gelesen. Und natürlich, lecker essen ist auch eine sehr gute Entspannungsmethode für mich!

A. T.-M.: Nach langen Probentagen mache ich gerne Yoga, lese etwas, entspanne beim Fahrradfahren in der Natur oder beim Kochen mit meinem Mann. Natürlich ist mir auch der künstlerische Austausch in meinem sozialen Umfeld sehr wichtig.

Was wünschen sie sich für Ihre berufliche Zukunft? Was wäre Ihre Traumrolle? Ihr Traumkonzert?

T.K. Ach, es gibt viel zu viele Stücke die ich singen möchte. Ich sage jetzt vielleicht die Komponisten, die mich letzter Zeit interessieren: Henriëtte Bosmans, Arnold Schönberg, Hugo Wolf. Mein Traum ist, dass meine Konzerte mehr als Liederabende sind, dass sie in den Zuhörer etwas hervorrufen. 

A.T.-M.: Ich bin Pianistin geworden, weil ich die wunderbare Musik, die ich so sehr liebe, den Menschen weiterschenken möchte. 

Das ist und bleibt noch immer mein Traum, die unterschiedlichsten und zugleich wunderbaren Stücke auf der Bühne aufzuführen und dabei die kraftvollen emotionalen Erlebnisse wie auch den Genuss weiterzugeben. Das ist es, was ich deutlich als meine Berufung im Leben und als Musikerin fühle. Mein Wunsch ist es, noch lange möglichst viele Menschen an meinem Geschenk teilhaben zu lassen.

Ani Ter-Martirosyan,Tomas Kildišius, Vielen Dank für dieses Gespräch!

Titelfoto von Christian Palm.

Das Album

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