logogross

Einfach Klassik.

Einfach Klassik.

AUFNAHMENKOMPASS: Streichquartett

Ich durfte die Streichquartette von Mendelssohn durch meinen Vater kennen lernen, wie viele andere Einflüsse auch. Was es damit geschichtlich auf sich hat und welche Rolle das 3. Streichquartett spielt kann man in wenigen Sekunden mit einer Suchmaschine herausfinden.
Das 3. Streichquartett in D-Dur besteht aus vier Sätzen. Es ist für mich das ansprechendste der Quartette. Gleich im ersten Satz gibt es ein eingängiges, fröhliches Motiv. Allerdings steht es auch im Wechsel mit dunkleren, leiseren Stellen die aus sich heraus zerbrechlich wirken.
Für mich als Konsument ist das Werk streckenweise anspruchsvoll zu hören. Man sollte sich davon aber nicht entmutigen lassen. Wenn man sich darauf einlässt dann sind die Sätze letztlich gut durchzuhören und man bekommt viel zurück wenn man dabei bleibt.
Auch bei diesem Werk gibt es eine große Zahl an Aufnahmen und es lohnt sich eine bewusste Entscheidung zu treffen.

Das Gewandhaus Quartet spielt vor allem die leisen Töne interessant, man hört sehr schönes, sphärisches Spiel. Die Musiker geben mit dosiertem Druck auf die Saiten den Tönen diese Papiertextur die die zerbrechlichen Seiten des Werkes schön zeigen (auch wenn mir noch nie ein Blatt Papier zerbrochen ist…). Insgesamt ist diese Interpretation aber gewöhnlicher als andere.

Das Guarneri String Quartet zeigt eine eigenwillige Aufnahme.  An den Anfängen von Linien spielen die Musiker oft extravagante Tempoverläufe.  Ornamente werden fast immer auffällig betont. Je öfter ich diese Aufnahme höre desto mehr finde ich es störrisch gespielt, hakelig. Das hat auch seinen  Reiz, ist aber nicht so ein flüssiger Hörgenuss. Ich will nicht sagen dass man hier starke Nerven braucht, aber diese Ausführung ist eher etwas für fortgeschrittene Hörer.

Den glattesten, gefälligsten Vortrag in meiner Auswahl bietet das Cherubini Quartett. Dadurch ist er auch am wenigsten angreifbar, außer vielleicht mit dieser Tatsache selbst. Eine gute Wahl wenn man das Werk einfach nur hören oder kennenlernen möchte. Allerdings zeigen andere Interpretationen besser was alles möglich ist in Mendelssohns Musik.

Eine kurze Zeit lang fand ich die Aufnahme des Pacifica Quartetts interessant. Irgendwann wurde mir aber bewusst dass das Ensemble sehr schnell spielt. Fast gehetzt. Zu viel über Details hinweg. Es klingt als sei das Spielen für die Musiker anstrengend. Und das ist das Hören dann auf Dauer auch für mich: anstrengend.

Vom Eroica Quartett kommt eine sehr schöne Aufnahme. Gut balanciert in Tempi und Lautstärken.  Veränderungen im Kleinkosmos sitzen hier oft an den richtigen Stellen. Dies ist die zweitbeste Aufnahme in meiner Auswahl.

Und schliesslich – das Artemis Quartett. Trotz der Kritikpunkte sind alle hier in meiner Auswahl erwähnten Aufnahmen von den Besten. Daher erstaunt es mich sehr dass die Unterschiede trotzdem noch so groß sein können. Das Artemis Quartett fällt hier deutlich aus dem Rahmen indem es noch ganz andere Möglichkeiten zu haben scheint als die anderen Ensembles. Alle vier Musiker legen gemeinsam sehr viel Ausdruck in das Gespielte. Sie riskieren und haben Erfolg. Jeder Ton wird einzeln abgeschlossen gestaltet, danach dann mit anderen zusammengesetzt. Kein Anderer spielt die leisen Stellen so wie Artemis. Die Musiker scheinen entspannt genug zu sein Emotionen frei zuzulassen. Böse Sequenzen werden wirklich böse gespielt, aber nicht im Sinne einer Interpretation, man nimmt den Musikern in dieser Sekunde wirklich eine böse Attitüde ab. Um gleich im nächsten Moment  wehmütig zu streichen und danach grübelnd in einer leisen Linie gefangen zu sein. Und so geht es weiter und weiter mit dem Artemis Quartett und ich komme aus dem Hören und Staunen nicht heraus. Ich mag es oft auch nicht so gerne in einen schon größeren Chor des Lobes mit einzustimmen. Aber hier muss ich es tun. Dies ist meine Empfehlung, sowohl für Gelegenheitshörer als auch für Musikenthusiasten!

Reinhören

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
Dots oben

Das könnte Dir auch gefallen

Dots unten
Dots oben

Verfasse einen Kommentar

Dots unten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

Icon Mail lg weiss

Bleib informiert & hol dir einen
exklusiven Artikel für Abonnenten