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Einfach Klassik.

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Über Liebe sprechen durch die Musik – Interview mit der Cellistin Olivia Gay

Von Stefan Pillhofer

Die französische Cellistin Olivia Gay hat bereits zwei Alben aufgenommen, und mit vielen Orchestern und Musiker*nnen zusammengearbeitet. Ihr Studium in Deutschland verbrachte sie in Stuttgart und Freiburg. Vor einem Monat hat sie mit einem Video zum diesjährigen Earth Day einen Beitrag zum Kampf gegen die Klimakrise geleistet.

Wie das zustande kam konnte ich sie nun in einem Interview fragen.


Olivia, das Verreisen mit dem Cello kann bekanntermaßen etwas sperrig sein. Vermissen Sie es trotzdem?

Ja natürlich! Ich bin sozusagen mit meinem Cello auf dem Rücken aufgewachsen! Im Zug oder im Flugzeug stelle ich es neben mich und schlafe daran, das ist sehr praktisch!

Auf Ihrem Debüt-Album Horizon(s) Neue Musik zu spielen war ja eher mutig. Wie kam es damals dazu?

Ich liebe Musik im allgemeinen und auch alle Genres. Ich habe immer moderne Musik gespielt, und ich liebe den Kontakt mit Komponist*innen. Für mich ist der Prozess der Aufnahme von Repertoire-Musik oder Neuer Musik der gleiche, es war nur eine Frage der Umstände. Kurz vor der Aufnahme von Horizon(s), hatte ich während meines Studiums in Deutschland die Musik von Pēteris Vasks entdeckt. Ich hatte auch die Chance, mehrere Werke von Philippe Hersant mit ihm zu üben. Thierry Maillard ist ein großartiger Jazz-Musiker und Komponist, ich war neugierig darauf, das Stück “Arckepek pour violoncelle et orchestre” bei ihm in Auftrag zu geben!

Das Cellokonzert von Pēteris Vasks auf der CD ist zwar modern, aber dennoch tonal gut und attraktiv zu hören. Was hat Sie damals zur Auswahl bewogen? Und wie könnte Ihrer Meinung nach Neue Musik noch mehr an alle Menschen vermittelt werden?

Die Musik von Pēteris Vasks ist für mich eine echte Entdeckung! Es ist Musik, die direkt ins Herz geht und wirklich etwas erzählt. Als ich das Cellokonzert zum ersten Mal gehörte habe, habe ich sofort verstanden, dass es für den Komponisten etwas sehr Wichtiges und Schmerzliches war. Ich habe durch die Zusammenarbeit mit ihm verstanden, dass es um die gequälte Geschichte seines Landes, Lettland, ging. Pēteris Vasks hat diese Stärke, tiefe Gefühle kraftvoll auszudrücken. Ich habe auch sofort seine Liebe und Inspiration für die Natur erlebt, die mich direkt mit ihm verbunden hat.

Im Bereich der Neuen Musik gibt es ja viele bemerkenswerte Cellokonzerte, zum Beispiel die von Bohuslav Martinu. Welche Werke würden Sie gerne mal in einem Projekt verwirklichen, und gibt es schon Ideen für eine weitere Aufnahme?

Es stimmt, dass es viele wundervolle neue Musik Werke für Cello gibt, es ist eine grosse Chance für uns Cellist*innen! Meine nächste Aufnahme wird Repertoirestücke mit Orchester, Neue Musik, Werken für Cello solo und Cello und Klavier mischen. Vor einiger Zeit, habe ich Guillaume Connessons Cello Konzert entdeckt und es wirklich lieben gelernt! Es könnte sein, dass seine Musik Teil eines zukünftigen Projektes wird …

Olivia Gay, Foto von Olivia Kahler

Bei Ihrer Zweiten CD Origines mischen Sie dann aber sogar Volkslieder ins Programm. Wandern Sie gern zwischen den Welten?

Volksmusik ist die Musik eines Volkes, einer Erde … es ist die Musik des Herzens! Und sie hat so viele Komponist*innen inspiriert, und mich eben auch! Ich bin ein bisschen gereist, als ich ein Kind war. Volksmusik, Instrumente, Klänge haben mich immer fasziniert. Ich finde es sehr interessant, diese volkstümlichen Inspirationen in der klassischen Musik einzubringen!

Ist es Ihnen immer mehr ein Anliegen geworden, auch Ihre Interpretation von populären Werken wie Schumanns “5 Stücken im Volkston” vorzulegen?

Oh ja! Für mich ist es sehr wichtig, Musik zu betrachten, ohne zwischen Genres zu unterscheiden. Ich bewundere Musiker*innen mit sehr unterschiedlichen Universen sehr. Umso mehr, wenn sie sich frei und neugierig genug fühlen, von einem Genre zum anderen zu wandern. Ich denke da insbesondere an Yoyo Ma!

In “From Jewish Life” von Ernst Bloch spielen Sie mit der sehr flexibel agierenden Akkordeonistin Basha Slavinska. Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Projekt innerhalb der CD-Produktion umzusetzen?

Das Akkordeon ist ein Instrument, das traditionell in der jüdischen Musik verwendet wird. Ich spiele seit vielen Jahren zusammen mit Akkordeon. Diese Idee der Transkription kam mir ganz natürlich. Der Klang des Akkordeons betont die traditionellen Ursprünge dieses Stückes sehr schön.

Mit Basha Slavinska haben Sie auch Konzerte geplant. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Ihre bisher noch nicht abgesagten Termine doch noch stattfinden?

Ich freue mich sehr, dass diese Konzerte jetzt bestätigt sind! Und ich freue mich über alle Konzertveranstalter, die den Mut hatten, ihr Programm beizubehalten!

Zum diesjährigen Earth Day haben Sie ein Video veröffentlicht in dem Sie zu Klimaschutz aufrufen, und die Zuschauer*innen dann auf Greenpeace verweisen. Was war Ihnen an dieser Organisation besonders wichtig, und gibt es da noch mehr Kooperation, oder geplante Projekte?

Wie so viele klassische Musiker*innen und Komponist*innen vor mir bin ich sehr von der Natur inspiriert. Ohne Einklang mit der Natur, würde ich mich als Künstlerin nicht vollständig fühlen. Diese wichtige Verbindung zwischen Natur und klassischer Musik wird nicht oft betont, bleibt aber wichtig! In meinen sozialen Medien und in meinen Aufnahmen bemühe ich mich, klassische Musik und Natur wieder miteinander zu verbinden und ihre Bedeutung zu unterstreichen. Greenpeace ist eine große Organisation für den Umweltschutz. Ihre Arbeit ist unglaublich wichtig! Ich habe Greenpeace entdeckt, als ich in Deutschland lebte, und habe mich ihnen angeschlossen. Ich möchte gerne meine Liebe zu unserem Planeten durch Musik vermitteln! Es wäre für mich eine große Freude, eine Organisation wie Greenpeace mit dem was ich am besten kann zu unterstützen!

In dem Video spielen Sie an einem attraktiven, am Meer gelegenen Ort “Reverie au Bord de la mer” von Jacques Offenbach. Abgesehen vom passenden Namen und Thema, gab es noch weitere Beweggründe für Sie genau dieses Stück zu spielen?

Als ich dieses Video für Earth Day gedreht habe, dachte ich über das Repertoire für meine nächste CD nach, die ich diesen Sommer aufnehmen werde. Es ist ein Programm, das in der Natur stattfinden kann, und unter den ausgewählten Werken ist auch Offenbachs Stück. Es ist ein wunderschönes romantisches Stück, an das ich sofort gedacht habe, als ich das Panorama sah!

Welche Wünsche haben Sie für unsere Gesellschaft für die kommenden Jahre in Bezug auf das Thema Klima, und welche Wünsche haben Sie für Ihre eigene Entwicklung in der kommenden Zeit?

Ich hoffe sehr, dass im Bereich Umweltschutz schnell echte Maßnahmen ergriffen werden! Intensive Landwirtschaft, Luft- und Meeresverschmutzung … wir müssen in großem Umfang reagieren! Ich hoffe, dass ich durch Musik ein breiteres Publikum für dieses so wichtige Thema sensibilisieren kann. Wir müssen unsere Erde schätzen, und wie könnte man besser über Liebe sprechen als durch die Musik!

Das Album Olivia Gay – Horizon(s)

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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