Mit Fassungslosigkeit und Erschütterung mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass am vergangenen Dienstag der langjährige Intendant und Schirmherr des Klavier-Festival Ruhr, Prof. Franz Xaver Ohnesorg, im Alter von 75 Jahren überraschend verstorben ist.
Wir haben Professor Ohnesorg als herzlichen Menschen und kompetenten Interviewpartner kennen und schätzen gelernt. Sein Engagement für das Klavier-Festival Ruhr, auch und gerade in den schweren Zeiten der Corona-Pandemie, war von Begeisterung, Einsatzbereitschaft und Wertschätzung für die klassische Musik gekennzeichnet. Sein Tod hinterlässt eine nicht zu schließende Lücke am Klassikhimmel. Wir werden ihn in steter Erinnerung behalten.
Aus diesem Anlass veröffentlichen wir noch einmal ein Interview vom Herbst 2020, dass wir inmitten der Pandemie-Einschränkungen in der Philharmonie Essen mit ihm führen durften.
Herr Professor Ohnesorg, Sie sind seit 1996 künstlerischer Leiter des Klavier- Festival Ruhr und seit 2005 in der Gesamtverantwortung. Um ein Wortspiel zu benutzen…ohne Sorge war die Ausrichtung des diesjährigen Festivals doch mit Sicherheit nicht?
Ja, da haben Sie leider recht……(lacht). Ich hatte mir mein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum auch ein wenig anders vorgestellt. So, wie es eben geplant war, mit der Aufführung des Gesamtwerkes von Ludwig van Beethoven. Das hat Corona dann aber verhindert, wenngleich wir nicht klein beigegeben haben. Seit dem 04. Juni konnten wir unsere Konzerte wieder durchführen, wenn auch unter Corona- Bedingungen. Das war schon mal ein ganz wichtiger Schritt und der zweite erfolgt jetzt im Herbst, in dem wir die Konzerte, welche aufgrund des lockdowns nicht stattfinden konnten, nun nachholen. Immerhin dürfen wir jetzt schon wieder bis zu 1000 Besucher in den Konzertsälen begrüßen. Das verbessert einerseits natürlich unsere wirtschaftliche Situation und ich bin auch für die Musikfreunde froh, dass wir unsere Konzerte wieder zumindest für einen Teil des Publikums zugänglich machen können.
Wie sehr hat sich das Klavier-Festival Ruhr unter der Knute der Corona- Pandemie verändert?
Ich habe von Anfang an dafür plädiert, dass wir die Konzerte, soweit es die Regeln zulassen, auch wirklich durchführen. Wir haben ja auf der Bühne eine ideale Bedingung. Wenn Sie an all die Nöte denken, wie sie in Opernhäusern oder bei Sinfoniekonzerten entstehen, dann sind wir da ja in einer sehr privilegierten Situation, weil bei uns im Normalfall ein einziger Mensch auf der Bühne sitzt und demzufolge keine Abstandsprobleme da sind. Wir müssen auch keine Kompromisse mit dem Repertoire machen. Das einzige, das wir einschränken müssen, ist die Dauer der Konzerte, weil sie ohne Pause sein müssen oder sollen. Daher sind die Veranstaltungen mit 75 Minuten etwas kürzer als ursprünglich geplant. Aber besser als gar nicht zu spielen ist es allemal.
Was müsste getan werden, um die unter der Pandemie leidende Klassik- Branche zu unterstützen?
Ich glaube, was hier in NRW geschieht, ist eigentlich ziemlich vorbildlich. Seit Ende Mai waren ja die Konzertsäle wieder geöffnet, wenn auch mit Einschränkungen. Natürlich hat man wirtschaftliche Einbußen zu verzeichnen, darf aber immerhin spielen. Der eigentlich limitierende Faktor ist die Größe des Foyers. Die Abstandsregeln dort und in den Sälen müssen befolgt werden. Ich halte dieses Schachbrettverfahren, wie es die Salzburger Festspiele exemplarisch praktiziert haben, auch zielführend bis ins Jahr 2021 hinein.
2016 nahmen Sie den Echo Klassik für das Education-Programm des Klavier- Festival Ruhr entgegen. Ist eine solche Auszeichnung Ehre und Verantwortung gleichzeitig?
Ja, natürlich haben wir uns damals sehr gefreut, als wir den Echo für unser Education-Programm verliehen bekamen, obwohl, ehrlich gesagt, diese Auszeichnung nur eine von mehreren war. Dieser Preis genoss ja damals große Popularität, und das bringt einen natürlich auch medial voran. Der Blick auf unsere Website hat seitdem erheblich zugenommen. Wir haben ja eine sehr ausführliche Darstellung unserer Arbeit im Internet. . Wir konnten übrigens für das Education-Programm zuletzt keinen Geringeren als András Schiff gewinnen, der unserem Festival eng verbunden und auch einer unserer Hauptkünstler ist. Dass er sich für unser Projekt zur Verfügung stellt, betrachten wir als große Bereicherung.
Wir sehen heute Abend Ivo Pogorelich, einen absoluten Ausnahme-Pianisten mit einem bemerkenswerten Programm live auf der Bühne. Er wird u.a. Ravels „Gaspard de la nuit“, ein sehr komplexes und vielschichtiges, aber auch äußerst virtuoses Werk spielen. Haben sie eine Beziehung zu dem Stück?
Natürlich. Ich liebe dieses Stück alleine schon aufgrund der Geschichte, die es erzählt. Es gab ja im Laufe der Zeit viele Interpretationen. Der „Gaspard“ ist eines der Meilensteine der Klavierliteratur und gleichzeitig eines der schwierigsten Stücke überhaupt. Es ist ein besonderes Geschenk, dass ein solcher Großmeister wie Ivo Pogorelich dieses Werk zu seinem zehnten Auftritt beim Klavierfestival Ruhr heute Abend für uns spielen wird. Er hat bei uns eine achtjährige Pause hinter sich, in der er sich etwas zurückgezogen hat. Aber jetzt haben wir ihn endlich wieder.
In diesem Jahr feiern wir Beethovens 250. Geburtstag, leider überschattet von der Corona-Pandemie. Welche Bedeutung hat Beethoven für Sie und warum ist seine Musik nach 250 Jahren immer noch so lebendig?
Ich habe seine schöne Musik, wie ich es als Kind nannte, als Sechsjähriger entdeckt. Ich hörte im November 1954 im Radio anlässlich des Todes von Wilhelm Furtwängler ein Stück, welches mich sofort in seinen Bann schlug. Offenkundig schwer verzaubert, fragte ich damals meinen Vater, was denn das für eine Musik sei. Es war die „Egmont-Overtüre“. Da hatte es mich schwer gepackt. Und das verbinde ich mein ganzes Leben lang mit Ludwig van Beethoven.
Würde Beethoven noch leben und sie hätten die Möglichkeit, ihm eine Frage zu stellen, welche wäre das?
Das ist gar nicht so leicht. Ich würde ihn wahrscheinlich fragen wollen, ob die Auffassung, dass er in vielen Fällen, bevor er komponiert hat, etwas gelesen und diese literarischen Vorlagen dann in Musik umgesetzt hat, richtig ist.
Warum ist es für junge Künstler so schwer, sich mit eigenen Musikproduktionen auf dem Markt zu etablieren? Oftmals müssen Sie ja sogar für die Produktion einer CD selbst in Vorkasse treten…
Das liegt zum einen daran, dass die Unternehmen, welche klassische Musik vertreiben, unter erheblichem Kostendruck stehen. Deswegen ist es wahrscheinlich der einfachere und bessere Weg, dass man eigene Aufnahmen digital ins Internet stellt und sie entsprechend propagiert. Wir selbst vom Klavierfestival Ruhr bringen ja alljährlich CD ́s heraus mit Aufnahmen junger Künstler. Wir hatten zum Beispiel im letzten Jahr nur Debütanten auf unseren Tonträgern und in diesem Jahr wird es wieder so sein, dass wir einige Beethoven-Einspielungen mit ganz jungen Pianisten veröffentlichen. Das ist dann so eine Art Visitenkarte, die sie dann zur weiteren Beförderung ihrer Karriere einsetzen können, was ja auch unser Ziel ist. Die CD ́s kommen immer regelmäßig vor Weihnachten heraus und im Internet unter www.klavierfestival.de/shop können Sie auch nachlesen, was wir da schon alles gemacht haben.
Herr Professor Ohnesorg, wir danken recht herzlich für das Gespräch und wünschen viel Erfolg bei der weiteren Ausrichtung des Klavierfestival-Ruhr.
Titelfoto © Mark Wohlrab